Die Hellenistische Epoche: Politik, Philosophie und der Wandel der Polis
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Die Hellenistische Epoche: Niedergang der Polis
In der hellenistischen Zeit erlebte die Polis als politische Form ihren Niedergang. Dies war eine Folge der Eroberungspolitik Alexanders des Großen (ein Schüler des Aristoteles), die von Makedonien aus die gesamte griechische Welt und Teile Asiens umfasste. In diesem Kontext zeigte sich die Schwäche der Polis aus zwei Hauptgründen:
- Die Poleis waren zu klein, um sich an die neuen politischen und wirtschaftlichen Anforderungen anzupassen, und verloren ihre wichtigsten Merkmale (Autarkie, Autonomie).
- Es fehlte ihnen an ausreichender militärischer Kraft, um dem Imperialismus standzuhalten. Die Poleis wurden zu Gebieten oder Provinzen eines Imperiums.
Hellenistische Monarchien: Die neue Herrschaftsform
Die Herrschaft Alexanders des Großen und seiner Nachfolger über die eroberten Gebiete wird als hellenistische Monarchie bezeichnet. Diese zeichnete sich durch folgende Merkmale aus:
- Der König wurde mit dem Gesetz identifiziert (als „lebendes Gesetz“), und seine Person, nicht die Gefühle der Bürger der Polis, stand im Mittelpunkt.
- Der König wurde als außergewöhnlicher Mensch, charismatische Persönlichkeit und in extremen Fällen als göttliches Wesen konzipiert. Dies stellte einen Bruch mit den Grundlagen der Polis (Beteiligung der Bürger am politischen Leben) dar.
- Der einstige Bürger, der Politiker, wurde nun zum Untertanen und Steuerzahler einer fernen Macht. Dies widersprach der Grundidee des klassischen Griechenlands, die auf Rechtsstaatlichkeit und nicht auf der Willkür eines Einzelnen (Tyrannei) basierte.
Philosophische Antworten auf die Krise: Hellenistische Schulen
Die Krise der Polis spiegelte sich auch in der philosophischen Welt wider. Ein Schlüsselphänomen war die Entstehung der sogenannten hellenistischen Denkschulen, die das Individuum über die Gemeinschaft stellten und vor allem moralische Lösungen für die Entwurzelung des ehemaligen Bürgers suchten, der nun zum Untertanen geworden war. Diese Schulen zeichneten sich dadurch aus, dass sie sich von der reinen philosophischen und politischen Theorie abwandten und sich auf moralische Aspekte konzentrierten, um die Krise der Zeit zu bewältigen.
Die wesentliche gemeinsame Idee aller Schulen war, dass die einstigen Merkmale der Autonomie und Autarkie der Polis nun auf das Individuum übertragen wurden. Das Individuum sollte nun seine eigenen Regeln (Selbstgesetzgebung) aufstellen, die seinen Bedürfnissen entsprechen und die Autarkie des Individuums fördern.
Die wichtigsten dieser Schulen waren die Kyniker, Epikureer und Stoiker:
Die Kyniker: Rückkehr zur Natur
- Der Name leitet sich vom griechischen Wort für „Hund“ ab.
- Sie bestand aus einer lose organisierten Gruppe von Denkern, die oft keine schriftlichen Werke hinterließen. Obwohl sie in Athen eine Randgruppe bildeten, waren sie bekannt und übten großen Einfluss aus.
- Der berühmteste Vertreter war Diogenes von Sinope.
- Sie hatten eine negative Sicht auf die Krise, lehnten die Polis, das gesellschaftliche Leben und seine Konventionen ab. Sie argumentierten, dass eine Rückkehr zur Natur unerlässlich sei, indem man gesellschaftliche Konventionen aufgibt und dem Individuum erlaubt, frei zu handeln.
- Sie lehnten auch die Legitimität der Macht ab und vertraten die Ansicht, dass der weise Mensch sich von der Politik fernhalten und jedem Glauben skeptisch gegenüberstehen sollte.
Die Epikureer: Streben nach Lust und Ataraxie
- Epikur von Samos und seine Anhänger legten eine utilitaristische Grundlage für das individuelle und gesellschaftliche Leben.
- Der weise Mensch sollte sich von der Politik fernhalten und nach Lust streben, während er Schmerz oder Bestrafung vermeidet.
- Das Vergnügen ist nicht unbedingt materieller Natur, sondern betont oft Werte wie Freundschaft, Bildung und geistige Ruhe (Ataraxie).
- Besonders interessant ist die Idee der geistigen Selbstständigkeit, kombiniert mit einer gewissen Strenge.
- Sie vertraten die Ansicht, dass man die eigenen Wünsche mäßigen sollte, um Leid zu vermeiden, das durch unerfüllte Erwartungen entsteht. Ein strenges Leben ohne große moralische oder materielle Ambitionen ermöglicht es, Schmerz zu entgehen.
Die Stoiker: Kosmopolis und Naturrecht
- Ihren Namen erhielten sie von der „Stoa Poikile“ (bemalte Säulenhalle) in Athen, wo sie sich trafen.
- Die Stoa entwickelte sich sowohl in der griechischen als auch in der römischen Welt. Man unterscheidet die Ältere Stoa (griechisch), die Mittlere Stoa (griechisch-römisch) und die Jüngere Stoa (römisch).
- Die wichtigsten Vertreter der Älteren Stoa sind Zenon von Kition und Chrysipp von Soloi.
- Sie boten einen positiven Ansatz zur Bewältigung der Krise.
- Sie erkannten den Niedergang der Polis an, entwickelten aber ein neues Konzept: die Kosmopolis.
- Der weise Mensch ist nicht nur Bürger einer Polis, sondern Bürger einer universellen Polis, der Kosmopolis. Es entsteht somit eine Art universelle Gemeinschaft von Weisen, die die Schranken von Raum und Zeit überwinden.
- Ihr wichtigster Beitrag ist die Idee, dass alle Menschen von Natur aus gleich sind und dass es ein universelles Recht gibt, das auf der menschlichen Natur basiert.
- Dies durchbricht die Unterscheidung zwischen Griechen und Barbaren, ja sogar zwischen Freien und Sklaven, die noch die Grundlage der Polis-Theorie bildete.
- Daraus entstand die Idee eines universellen Gesetzes, gültig für alle Menschen, das über dem positiven Recht der jeweiligen Polis steht – das sogenannte „ius gentium“ (Völkerrecht) in Rom. Dies ist die Grundlage des Naturrechts.