Analyse von Zeit, Raum und Themen in Muñoz Molinas „Luna Llena“
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Analyse von Zeit und Raum in Antonio Muñoz Molinas „Luna Llena“
Zeit und Chronologie
Historischer Rahmen und externe Zeit
Die historischen Bezüge sind vage, reichen aber von der Franco-Ära bis zu zahlreichen Hinweisen auf terroristische Aktivitäten der ETA. Es gibt eine explizite Erwähnung des Bosnienkriegs. Die externe Zeitspanne des Romans liegt somit zwischen den Jahren 1991 und 1995, nahe dem Veröffentlichungsjahr 1997.
Interne Zeit und Handlungsentwicklung
Der Autor liefert Informationen, die eine kontinuierliche, fortlaufende Entwicklung der Handlung ermöglichen. Das Verbrechen geschieht zur Zeit des zweiten, winterlichen Attentats. Es wird darauf hingewiesen, dass die Zeit zwischen dem Anschlag auf das erste Mädchen und dem Leiden des zweiten Mädchens von Anfang Oktober bis Mitte Dezember reicht. Die nachfolgenden Ereignisse entwickeln sich über einen etwas längeren Zeitraum. Am Ende des Romans wird erwähnt, dass sieben Monate seit dem Tod von Fatima vergangen sind, was nicht im Mai liegt.
Der Roman folgt einer linearen, chronologischen Reihenfolge, die von Mitte Herbst bis zum Ende des Frühlings reicht. Diese Chronologie wird durch einige Rückblenden unterbrochen, die zwei andere zeitliche Aspekte der Charaktere identifizieren:
- Der Tag ist mit Licht und Klarheit verbunden.
- Die nächtliche Dunkelheit symbolisiert Angst, Geheimnisse, Illegalität und Kriminalität.
Zweitens ist der Zeitverlauf eng mit den Phasen des Mondes verbunden.
Der Raum: Schauplatz und Atmosphäre
Die unbenannte kastilische Stadt
Die Geschichte entfaltet sich in einer unbenannten kastilischen Stadt. Kritiker identifizieren diese „graue Stadt“ jedoch als Mágina, die imaginäre Stadt von Muñoz Molina, die seiner Geburtsstadt Úbeda nachempfunden ist. Die einzige konkrete Ortsangabe erfolgt durch die Erwähnung des Plaza de Ordóñez.
Der Roman thematisiert die städtische Gewalt und die Unsicherheit auf den Straßen, die diese Stadt prägen.
Zentrale Themen des Romans „Luna Llena“
„Luna Llena“ (Vollmond) behandelt hochaktuelle Themen: sexuellen Missbrauch, Terrorismus und den Mangel an Solidarität in modernen Städten.
Gewalt in ihren vielfältigen Formen
Die Gewalt manifestiert sich im Roman auf mehrfache Weise:
- Sexuelle und physische Gewalt: Der Missbrauch, die Tötung und Entführung von Fatima sowie der versuchte Mord am zweiten Kind. Kinder symbolisieren hierbei die latente soziale Gewalt der heutigen Welt. Der Autor verstärkt diese Intensität durch die brutale Behandlung, aggressive Sprache und Verachtung des Mörders gegenüber seinen Opfern.
- ETA-Terrorismus: Diese Gewalt wird entweder direkt (Bomben, Schusswaffen) oder indirekt (Drohungen, Forderungen) ausgeübt. Die Frau des Inspektors, die die nervliche Anspannung des Lebens mit ihrem Mann im Baskenland nicht ertragen konnte, ist ein indirektes Opfer.
Ein weiteres verwandtes Problem ist die Vorstellung, dass das Böse sichtbare Spuren auf dem Gesicht desjenigen hinterlässt, der es ausübt. Deshalb sucht der Inspektor den Mörder unter den suchenden Menschen.
Mangelnde Solidarität und städtische Anonymität
Ein wiederkehrendes Thema ist der Mangel an Solidarität, ein charakteristisches Merkmal moderner städtischer Gesellschaften. In den Städten verlieren große Menschengruppen ihre Individualität, was die Einzigartigkeit des Einzelnen unterdrückt. Hinzu kommt das weit verbreitete Desinteresse am Leben anderer. So bemerkt niemand den Mörder oder das verängstigte Mädchen, das unbemerkt unter den Fußgängern spaziert.
Liebe als Kontrapunkt zu Hass und Bösem
Als Kontrapunkt zu Hass und Bösem steht die Liebe im Zentrum:
- Eheliche Liebe: Die Liebe des Inspektors zu seiner Frau ist eine verletzte, konventionelle Beziehung, der scheinbar die Leidenschaft fehlt.
- Neue Beziehung: Demgegenüber steht die Beziehung des Inspektors zur Lehrerin Susana. Im Gegensatz zu den Frauen in der Psychiatrie ist Susana eine kultivierte Frau, die mit 40 Jahren ihr Liebesleben neu gestalten möchte.
Weitere Aspekte: Glaube, Einsamkeit und Unabhängigkeit
Durch die Augen des Inspektors werden Themen wie Religion und seine Glaubenskrise beleuchtet, ebenso wie die dauerhafte Psychose, die ihn begleitet. Mit Susana Gray werden Einsamkeit und Frustration untersucht. Wie viele Frauen im heutigen Spanien kämpft sie jedoch gegen die Einsamkeit, indem sie ihre Arbeit, ihren Mut und vor allem ihre Unabhängigkeit verteidigt.