Analyse: Realismus, Historie und Chronik in Tirant lo Blanc
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Analyse des Romans Tirant lo Blanc
Der Roman Tirant lo Blanc zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
- Realistisch
- Historisch
- Militärisch
- Erotisch
- Psychologisch
Realismus und fantastische Elemente
Der Roman wurde von Mario Vargas Llosa als wegweisend und vollständig bezeichnet (in Bezug auf Tirant lo Blanc).
Der realistische Roman und seine Abgrenzung
Der Realismus und die Glaubwürdigkeit (versemblança) dieser offenen Darstellung der Ritterschaft differenzieren ihn von mittelalterlichen Ritterromanen. Dennoch ist er nicht zu 100 % realistisch, sondern enthält fantastische Elemente:
- Ein desillusionierter Ritter.
- Die Jungfrau Espèrcius, die ein Drache war.
- Der Traum des Königs von England (d'Anglaterra), in dem ihm die Jungfrau Maria erschien.
- Tirant eroberte in viereinhalb Jahren 372 Dörfer, Schlösser und Städte.
Einige Kritiker vermuten, dass die fantastischen Elemente von Martí Joan de Galba, einem anderen Schriftsteller, hinzugefügt wurden, um das Werk zu vollenden.
Historischer Roman und utopische Elemente
Viele militärische Ereignisse wurden in den Roman integriert, wobei die Ergebnisse oft von der historischen Realität abweichen:
- Die Belagerung von Rhodos: In der Realität eroberten die Türken die Insel, im Roman bleibt sie jedoch für die Christen offen.
- Die Türkische Invasion von Konstantinopel (1453): Im Roman gewinnen die Christen, während sie in der Realität verloren.
Dies führte zu folgender kritischer Einschätzung:
Der Roman verfolgt ein utopisches Projekt, da er eine Welt des Ausgleichs und der dramatischen Bedingungen darstellt. Die Utopie verläuft parallel zur Enttäuschung.
Einflüsse und die Chronik-Debatte
Es scheint, dass der Autor die Ideale der Renaissance und Machiavellis Der Fürst aufgreifen wollte.
Der Roman wird oft als „Chronik-Roman“ bezeichnet, da er auf der Chronik von Ramon Muntaner basiert.
Merkmale einer Chronik
Eine Chronik ist eine Erzählung historischer Ereignisse der Vergangenheit. Chroniken wurden oft im Auftrag der Monarchie verfasst, um politische Ziele zu verfolgen. Die Chronik von Ramon Muntaner beispielsweise verherrlicht die Biografie von Roger de Flor und dessen diplomatische und militärische Tugenden.
Elemente der Glaubwürdigkeit (Verisimilitude)
- Die Geografie: Orte existieren in der Realität, obwohl einige Namen erfunden sind.
- Die Charaktere: Einige Namen der Figuren existierten tatsächlich zu dieser Zeit.
- Die Genauigkeit der Darstellung: Der Autor verwendet präzise Beschreibungen, insbesondere bei militärischen Themen.
- Der umfangreiche Dialog: Der Einsatz von Dialogen verleiht dem Geschehen Wahrhaftigkeit. Der Erzähler transkribiert die Aussagen der Charaktere mit scheinbarer Loyalität, was den Eindruck erweckt, dass die Ereignisse tatsächlich so stattgefunden haben.
- Viele kollektive und Nebenfiguren: Dies trägt zur Lebendigkeit der Darstellung bei.
- Der Autor erfand für Tirant lo Blanc historische Figuren neu oder basierte sie auf realen Vorbildern.
Historische Prototypen im Roman
- Roger de Flor: Er war der Kaiser, der Byzanz im Kampf gegen die Türken unterstützte. Er wurde zum Caesar des Reiches gekrönt. Tirant stirbt an derselben Stelle wie Roger de Flor (in Adrianopel/Andrinòpolis).
- Johann Hunyadi: Ein ungarischer Ritter, der im Roman als „leerer Geist“ bezeichnet wird.