Analyse zweier Meisterwerke: Mirós Holländisches Interieur I & Braques Landschaft bei L'Estaque

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Holländisches Interieur I (Joan Miró)

Basisinformationen zum Werk

  • Künstler: Joan Miró
  • Entstehungsjahr: 1928
  • Stilrichtung: Surrealismus
  • Technik: Öl auf Leinwand
  • Maße: 92 cm x 73 cm
  • Aktueller Standort: Museum of Modern Art (MoMA), New York

Technische und formale Elemente

Das Ölgemälde auf Leinwand zeichnet sich durch eine lebendige Farbgebung aus, die primäre und sekundäre Farben sowie helle Töne umfasst und eine Atmosphäre der Freude vermittelt. Der Pinselstrich ist nicht überall erkennbar, doch Miró legt großen Wert auf die Konturen der Figuren, wobei die Linie für ihn von zentraler Bedeutung ist. Die Lichtführung ist sehr hell, fast wie in einem Comic.

Hinsichtlich des dreidimensionalen Raums erzeugt die Farbkombination (Wand, Boden, Decke usw.) das Gefühl, sich in einem Raum zu befinden. Die ausdrucksstarken und lebendigen Strichzeichnungen einer Frau vermitteln Freude und eine gewisse Unordnung, die die Vitalität der formalen und farblichen Gestaltung unterstreichen.

Komposition und Bildinhalt

Die Komposition ist eine Hommage an die holländische Barockmalerei des 17. Jahrhunderts, insbesondere an das Gemälde Die Lautenspielerin von Hendrick Martensz Sorgh. Miró übernimmt und transformiert die Elemente des Originals. Die gesamte Szene spielt in einem Raum, der zuvor einen Musiker, ein Fenster, einen Hund, einen Tisch, eine Katze und weitere Gegenstände enthielt. Die im Stuhl sitzende Frau scheint mit dem Tisch zu verschmelzen, sodass diese beiden Figuren einen weißen Fleck im Bild bilden.

Alle Tiere und Gegenstände scheinen zu tanzen. Einige Objekte sind identifizierbar, andere nicht – dies entspricht Mirós Absicht, sich inspirieren zu lassen, anstatt zu kopieren. Sowohl der Tisch als auch die Frau sind nur angedeutet.

Künstlerischer Stil und Mirós Vision

Mirós Stil bewegt sich an der Grenze zwischen Realität und Traum, zwischen Wirklichkeit und Imagination. Er verweilt an dieser Schwelle, ohne sich vollständig der einen oder anderen Seite anzuschließen. Dies ermöglichte ihm, seine ganz eigene Welt zu erschaffen, unabhängig von konventionellen Erwartungen.

Die Entwicklung von Mirós Werk

Mirós künstlerische Entwicklung lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen:

  1. Erste Phase: Eine Untersuchung seiner eigenen Bildsprache, oft vergleichbar mit einem Katalog von Objekten.
  2. Zweite Phase: Beginnend mit seinem direkten Kontakt zu den Surrealisten in Paris. Das vorliegende Gemälde Holländisches Interieur I gehört zu dieser Periode.
  3. Dritte Phase: Geprägt von Experimenten wie „Ich ermorde die Malerei“, die oft als sehr ungewöhnlich und orientierungslos beschrieben wurden.
  4. Vierte Phase: Während des Spanischen Bürgerkriegs und des Zweiten Weltkriegs. Miró zog sich zurück, da er die Republik unterstützte (Beispiel: Stillleben mit altem Schuh). Spätere Werke dieser Phase umfassen Nocturne und Sailli der Welt, in denen er beginnt, Sterne zu malen.

Die Funktion dieses Werkes ist es, Mirós eigene, unverwechselbare Bildsprache zu finden. Er war stets ein Forscher in der Malerei, der über Konventionen hinausblickte und sich nicht dem kommerziellen Markt unterwarf.

Historischer und künstlerischer Kontext

Das Werk entstand in einer Zeit des aufkommenden Totalitarismus. Viele surrealistische Künstler flohen vor totalitären Regimen nach Amerika, wo sie zusammen mit anderen Künstlern zu führenden Persönlichkeiten der Kunstszene wurden. Miró verließ Spanien aufgrund der Franco-Diktatur und floh später auch vor den Nationalsozialisten nach Frankreich.

Diese Periode war geprägt von den „Ismen“ – einer Zeit, in der alles in der Kunst in Bewegung war und Künstler wie Miró neue Wege beschritten.

Einflüsse

Miró ließ sich von der holländischen Barockmalerei des 17. Jahrhunderts inspirieren, insbesondere von Hendrick Martensz Sorghs Gemälde Die Lautenspielerin, dessen Elemente er in seinem eigenen Werk neu interpretierte.

Inhalt und Bedeutung

Im Jahr 1928 reiste Miró nach Holland und war tief beeindruckt von einigen holländischen Malern des 17. Jahrhunderts. Er malte eine Reihe von Bildern, in denen er deren Motive auf seine eigene, spielerische Weise neu interpretierte. Die Referenz zu Sorghs Lautenspielerin ist deutlich. Das Gemälde hat einen humorvollen Unterton, da Miró die Kriterien der Realität willkürlich handhabt und nicht die Wirklichkeit abbildet.

Das Werk hat keine intrinsische Bedeutung im traditionellen Sinne, sondern dient Miró dazu, seine eigene Linie zu finden – die Grenze zwischen Realität und Irrealität. Es bewegt sich an der Schwelle zum völlig Unrealistischen.

Landschaft bei L'Estaque (Georges Braque)

Basisinformationen zum Werk

  • Künstler: Georges Braque
  • Entstehungsjahr: 1908
  • Stilrichtung: Analytischer Kubismus (Vorstufe: Präkubismus)
  • Technik: Öl auf Leinwand
  • Maße: 81 cm x 65 cm
  • Aktueller Standort: Kunstmuseum Bern

Technische und formale Elemente

Dieses Ölgemälde auf Leinwand zeichnet sich durch eine begrenzte Farbpalette aus. Im unteren Bereich dominieren warme Töne und Grüntöne, während in der Mitte Grau-, Violett- und dunklere Farbtöne zu finden sind. Im Kubismus sind die Farben stark reduziert, um der Geometrie mehr Bedeutung zu verleihen.

Der Pinselstrich ist breit und kräftig, wobei Linien geometrische Formen und Prismen betonen. Die Lichtführung ist unrealistisch, da das Licht das Gesamtbild nicht einheitlich beeinflusst; stattdessen wird jedes Prisma von einer anderen Seite beleuchtet. Der dreidimensionale Raum verschmilzt mit der zweidimensionalen Ebene, wobei Schatten Tiefe andeuten, der Boden jedoch flach erscheint.

Die Komposition ist aus geometrischen Formen und Prismen aufgebaut, was an eine kristalline Struktur erinnert. Der Rhythmus, der durch den Pinselstrich erzeugt wird, vermittelt ein Gefühl von Chaos, insbesondere im mittleren und oberen Bildbereich. Es ist eine chaotische Komposition mit einer vertikalen Ausrichtung.

Künstlerischer Stil und die Entwicklung des Kubismus

Dieses Werk gehört zum Präkubismus (ca. 1907/1908 – 1910), der ersten Phase des Kubismus. In dieser Zeit sind die dargestellten Elemente noch nicht vollständig unkenntlich, aber die zugrunde liegenden geometrischen Formen werden stark betont. Dies ist auch die Phase, in der der Einfluss von Cézanne am deutlichsten wird, wie in Braques Landschaft bei L'Estaque.

Die weiteren Phasen des Kubismus sind:

  • Analytischer Kubismus (1910 – 1912): Das Objekt wird vollständig zerlegt und ist kaum noch zu erkennen. Diese Phase gilt als die intellektuellste (Beispiel: Picassos Porträt von Daniel-Henry Kahnweiler).
  • Synthetischer Kubismus (1912 – 1916): Objekte werden wieder erkennbar, da sie aus großen Farbflächen neu zusammengesetzt werden (Beispiel: Picassos Eine Flasche „Vieux Marc“).

Die Funktion dieses Werkes und des Kubismus im Allgemeinen ist die persönliche Suche nach neuen Ausdrucksformen und das Brechen etablierter Regeln. Die Malerei diente den Künstlern primär als Lebensunterhalt. Künstler verließen sich auf Galerien und Kunsthändler, die ihre Werke kauften und verkauften und somit als Manager fungierten.

Historischer Kontext

Das frühe 20. Jahrhundert und das späte 19. Jahrhundert waren geprägt vom Kolonialismus und dem Export kultureller Elemente aus anderen Zivilisationen. Im Jahr 1905 formulierte Albert Einstein seine Relativitätstheorie, die das Verständnis von Raum und Zeit revolutionierte. Diese neue Wahrnehmung des Raumes korreliert mit der kubistischen Auseinandersetzung mit Dimension und Perspektive. Die Zeit war auch vom Beginn des Ersten Weltkriegs geprägt.

Einflüsse

Braques Werk und der Kubismus wurden maßgeblich von Paul Cézanne, dem „Vater des Kubismus“, sowie von primitiver oder afrikanischer Kunst beeinflusst. Eine große Cézanne-Ausstellung im Jahr 1907, ein Jahr nach seinem Tod, diente vielen Künstlern als wichtiger Ausgangspunkt für ihre eigenen Entwicklungen.

Inhalt und Bedeutung

Der Gegenstand des Werkes ist eine kubistische Landschaft, die jedoch noch stark vom Präkubismus geprägt ist. Im traditionellen Sinne hat dieses Werk keine narrative Bedeutung. Der Autor verfolgt vielmehr eine malerische Forschung, die darauf abzielt, neue Ausdrucksformen zu finden.

Künstler verließen sich auf Ausstellungen und Kunsthändler, die ihre Werke kauften und verkauften und somit als Manager fungierten. Auch Galerien spielten eine zunehmend wichtige Rolle.

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