Die Anfänge der Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert
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Ursprünge der Arbeiterbewegung
Luddismus und Gewerkschaften
Die ersten Manifestationen der Arbeiterbewegung zeigten sich in Form von heftigem Widerstand gegen die Einführung von Maschinen. Diese als Luddismus bezeichnete Reaktion, benannt nach dem Arbeiter Ned Ludd, der 1779 einen mechanischen Webstuhl zerstörte, trat in der Frühphase der Industrialisierung in allen Ländern auf. Die Gewerkschaftsbewegung entstand als Widerstandsbewegung gegen das Kapital. 1834 wurde die Grand National Consolidated Trades Union gegründet, die bald rund 500.000 Mitglieder zählte.
Die britische Gewerkschaftsbewegung war bis in die 1880er Jahre durch zwei Merkmale gekennzeichnet: Erstens waren die Verbände nach Berufen organisiert, was in einigen Fällen zu Rivalitäten führte. Zweitens waren die Mitgliedsbeiträge sehr hoch, sodass nur qualifizierte Arbeiter den Gewerkschaften beitreten konnten. Die Arbeiterbewegung äußerte sich in den meisten industrialisierten Ländern auch durch andere Organisationen wie Produktions- und Konsumgenossenschaften, Kulturvereine und Schulen.
Chartismus und demokratischer Republikanismus
In den Jahren 1838 bis 1848 nahm die britische Arbeiterbewegung mit dem Chartismus eine klare politische Form an. Der Name leitet sich von der „People's Charter“ ab, die im Mai 1838 ein demokratisches Programm mit dem allgemeinen Wahlrecht für Männer forderte. Auf dem europäischen Kontinent hatte die Arbeiterbewegung ebenfalls einen deutlichen politischen Ausdruck, insbesondere in Frankreich. Dort schlossen sich viele Arbeiter linken republikanischen Organisationen an, die das allgemeine Männerwahlrecht befürworteten. Es handelte sich jedoch um klassenübergreifende Organisationen, die Handwerker, städtische Mittelschichten und Freiberufler vereinten und in denen die Arbeiter in der Minderheit waren. Nach der Revolution von 1848 begannen sich sozialistische Lehren in der Arbeiterklasse zu verbreiten und mit ihnen der Wunsch, reine Klassenparteien zu gründen, die ausschließlich die Arbeiterklasse vertreten sollten.
Der utopische Sozialismus
Die ersten zeitgenössischen sozialistischen Strömungen versuchten, ein perfektes Gesellschaftsmodell zu definieren, das von Gleichheit und Harmonie geprägt war. Ihre Vertreter glaubten, dass diese als Utopien konzipierten Gesellschaften durch Propaganda und Vorbild erreicht werden könnten. Zu den wichtigsten Denkern zählen der Graf von Saint-Simon, Charles Fourier und Étienne Cabet. Fourier schlug mit dem Phalanstère ein kühnes neues Modell der sozialen Organisation vor: eine Lebens- und Produktionsgemeinschaft von 1.600 Mitgliedern mit Kollektiveigentum und rotierenden Aufgaben. Cabet entwarf ein ideales Land namens Ikarien, das von einem kommunistischen Gesellschaftsmodell geprägt war. Die Bemühungen seiner Anhänger, ein reales Ikarien in den USA zu gründen, waren jedoch nicht erfolgreich. Die beiden utopischen Sozialisten mit dem größten Prestige und Einfluss auf die Arbeiterklasse waren Robert Owen in England und Pierre-Joseph Proudhon in Frankreich. Owen befürwortete ein Sozialsystem auf der Grundlage von Genossenschaften, das er in der Industriekolonie New Lanark erfolgreich umsetzte. Proudhon trat für eine Gesellschaft ein, die auf individueller Freiheit, Gegenseitigkeit und Föderalismus basierte. Nach seinem Tod wandten sich viele seiner Anhänger dem Anarchismus zu.
Anarchismus und Marxismus
Karl Marx und Friedrich Engels hatten den Anspruch, einen wissenschaftlichen Sozialismus zu formulieren. Dafür entwickelten sie eine Methode zur Analyse der Wirklichkeit, den sogenannten historischen Materialismus, dessen Grundlagen die Dialektik und der Materialismus waren.
- Vergangenheit: Die Geschichte der Menschheit war seit jeher ein Klassenkampf – ein Konflikt zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten.
- Gegenwart: Der Kapitalismus war ein ungerechtes Gesellschaftssystem, da er auf der Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterklasse beruhte. Diese Ausbeutung basierte auf der Aneignung des von den Arbeitern geschaffenen Mehrwerts durch die Kapitalisten.
- Zukunft: Als politisches Projekt sollte die Arbeiterklasse die Revolution anführen und eine autoritäre Arbeiterregierung errichten – die Diktatur des Proletariats – als ersten Schritt hin zur klassenlosen Gesellschaft, dem Kommunismus.
Der Anarchismus ist eine Denkrichtung, die von mehreren Autoren formuliert wurde, wobei Michail Bakunin als einer der ersten Hauptvertreter gilt. Anarchisten verteidigten die individuelle Freiheit und das Kollektiveigentum. Als Strategie befürworteten sie direkte Aktionen und definierten sich als Atheisten.
Die Erste Internationale
Die ersten Schritte (1864–1870)
Die internationalistische Lehre war unter den demokratischen Exilanten der verschiedenen Revolutionen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere nach 1848, entstanden. Die Intensivierung der Kontakte zwischen französischen und britischen Arbeitern sowie die Rolle führender Exilantengruppen führten zur Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA), auch bekannt als Erste Internationale.
Ab 1868, im Kontext einer Wirtschaftskrise und zahlreicher Arbeiterstreiks, wuchs die IAA dramatisch. Sie fasste Fuß in Belgien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien, Österreich-Ungarn, Holland und Dänemark und knüpfte Beziehungen zur Arbeiterbewegung in den USA.
Krise und Niedergang (1870–1877)
Die IAA geriet ab 1870 durch die Kombination zweier Faktoren in eine Krise: die politische Unterdrückung der Arbeiterbewegung und die interne Spaltung zwischen Marxisten und Anarchisten. Die Niederlage Napoleons III. gegen Preußen (1870) führte zur Bildung einer revolutionären Regierung in Paris, der Pariser Kommune (März 1871). Deren Niederschlagung führte zu einer starken Repression gegen die Arbeiterbewegung in fast ganz Europa.
Gleichzeitig erlebte die IAA ab 1871 einen erbitterten internen Konflikt zwischen Marxismus und Anarchismus. Seit dem Beitritt von Bakunins „Internationaler Allianz der sozialistischen Demokratie“ zur IAA 1869 gab es eine heftige Auseinandersetzung mit Karl Marx und seinen Anhängern, die ihre gegensätzlichen ideologischen und strategischen Auffassungen verdeutlichte. Die Anarchisten lehnten politisches Handeln und die Bildung eines Arbeiterstaates ab und verteidigten die Autonomie der einzelnen Sektionen der IAA gegen den Generalrat. Die Marxisten hingegen verurteilten den Anarchismus und betonten die Bedeutung des politischen Handelns und die Autorität des Generalrats.
Auf dem Kongress von Den Haag (1872) wurden die meisten Anarchisten ausgeschlossen. Die Marxisten beschlossen, den Generalrat nach New York zu verlegen, wo sich die IAA schließlich 1876 auf der Konferenz von Philadelphia selbst auflöste. Die anarchistischen Sektionen gründeten eine eigene Internationale, die bis 1877 (Kongress von Verviers) bestand.