Antibiotika: Grundlagen, Wirkweisen und Anwendung in der Zahnmedizin
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Antibiotika: Grundlagen, Wirkweisen und Anwendung
Antibiotika sind Substanzen, die natürlich vorkommen, synthetisch hergestellt werden oder aus Mikroorganismen gewonnen werden. Sie sind in der Lage, das Wachstum von Bakterien, Pilzen und Protozoen zu hemmen und/oder diese abzutöten. Alexander Fleming entdeckte 1929 das Penicillin, das erste therapeutisch eingesetzte Antibiotikum. Ursprünglich waren Antibiotika rein natürlichen Ursprungs. Durch Modifikationen der ursprünglichen Moleküle wurden später halbsynthetische und synthetische Antibiotika mit verbesserten pharmakologischen Eigenschaften entwickelt.
Wirkmechanismen von Antibiotika
- Hemmung der Synthese von Enzymen (Murein), die für die Bildung der Zellwand notwendig sind.
- Veränderung der Plasmamembran-Permeabilität.
- Hemmung der Proteinsynthese (z.B. Tetracycline, Aminoglykoside, Makrolide).
- Hemmung des Nukleinsäure-Stoffwechsels.
Definitionen wichtiger Begriffe
Bakterizide Antibiotika
Als bakterizide Antibiotika bezeichnet man Substanzen, die Mikroorganismen direkt abtöten, ohne die körpereigenen Abwehrmechanismen des betroffenen Individuums zu benötigen.
Bakteriostatische Antibiotika
Bakteriostatische Antibiotika hemmen die Vermehrung von Mikroorganismen reversibel. Für die endgültige Eliminierung der Bakterien sind hierbei die körpereigenen Abwehrmechanismen erforderlich.
Voraussetzungen für eine effektive Antibiotikatherapie
- Aktivität gegen die relevanten Mikroorganismen.
- Gute Absorption im Körper.
- Ausreichende Aktivität in Geweben und Körperflüssigkeiten.
- Geringer Grad an Toxizität.
- Sollte die Entwicklung von Resistenzen nicht fördern.
Antibiotisches Spektrum
Das antibiotische Spektrum beschreibt die Gesamtheit der Erreger, die empfindlich auf die Wirkung eines bestimmten Antibiotikums reagieren.
Antibiogramm
Ein Antibiogramm ist ein Labortest, der die Empfindlichkeit eines Mikroorganismus gegenüber verschiedenen Antibiotika bestimmt.
Antibiotikaresistenz: Ursachen und Mechanismen
Mikroorganismen können eine Resistenz gegen die Wirkung von Antibiotika entwickeln.
Natürliche Resistenz
- Tritt auf, wenn der Wirkmechanismus des Antibiotikums den Erreger nicht beeinflussen kann (z.B. Bakterien ohne Zellwand sind unempfindlich gegenüber Antibiotika, die die Mureinsynthese hemmen).
Erworbene Resistenz
- Kann durch Genmutationen oder Veränderungen in der Struktur des Zielmoleküls, auf das das Antibiotikum wirkt, erworben werden.
Faktoren, die Empfindlichkeit und Resistenz beeinflussen
- 1) Identifikation des pathogenen Bakteriums.
- 2) Bestimmung der bakteriellen Empfindlichkeit.
- 3) Konzentration des Antibiotikums am Infektionsherd.
Klassifikation nach chemischer Struktur
1) Beta-Laktam-Antibiotika
Es gibt verschiedene Typen von Beta-Laktam-Antibiotika: Penicilline (G und V), Amoxicillin, Cephalosporine, Monobactame, Carbapeneme, Beta-Laktamase-Inhibitoren (Clavulansäure, Sulbactam).
Wirkungsweise: Die Hemmung der Mureinsynthese führt zur Lyse (Zelltod) der Bakterien, da die bakterielle Zellwand durchbrochen wird. Die wichtigsten Abwehrmechanismen der Organismen sind Beta-Laktamasen, die den Laktam-Ring der Penicilline hydrolysieren und deren Aktivität zerstören.
Resistenz: Die Resistenz gegen Beta-Laktam-Antibiotika kann in drei Typen unterteilt werden:
- Natürlich: Organismen, die keine Zellwand besitzen.
- Phänotypisch: Bakterien mit fehlerhafter Zellwand.
- Genotypisch: Durch Veränderungen der Permeabilität, enzymatische Hydrolyse oder Veränderungen der Zielenzyme.
2) Aminoglykoside (Streptomycin, Gentamicin)
Sind bakterizide Antibiotika.
3) Tetracycline
Sind bakteriostatisch.
4) Phenicole (Chloramphenicol)
Sind bakteriostatisch.
5) Makrolide (Erythromycin, Azithromycin, Spiramycin)
Sind bakteriostatisch.
6) Lincosamide (Clindamycin, Lincomycin)
Sind bakteriostatisch.
7) Chinolone (Norfloxacin)
Sind bakteriostatisch.
8) Sulfonamide
Sind bakteriostatisch.
9) Imidazole (Metronidazol)
Sind bakteriostatisch.
Anwendung von Antibiotika in der Zahnmedizin
Die Anwendung von Antibiotika muss individuell an den Patienten angepasst werden, wobei die Schwere der Infektion, die betroffenen Strukturen und die ätiologischen Erreger zu beurteilen sind.
Antibiotika können eingesetzt werden als:
- Prophylaxe: Zur Vorbeugung von Infektionen.
- Empirisch: Bei Verdacht auf den verursachenden Organismus, bevor dieser identifiziert wurde.
- Gezielt: Wenn der verantwortliche Organismus identifiziert wurde (nach Antibiogramm).
Es ist ratsam, ein Antibiogramm zu erstellen, um die Empfindlichkeit der Mikroorganismen zu bestimmen. Die Wahl des Antibiotikums sollte eine hohe Verteilung im Gewebe aufweisen und hohe Konzentrationen im Gewebe der Mundhöhle erreichen. Die bevorzugte Verabreichungsart ist oral. Bei Patienten mit gastrointestinalen Erkrankungen sollte eine Verschreibung mit Magenschutzmitteln in Betracht gezogen werden.
Besondere Patientengruppen
- Kinder: Die Dosis muss an das Körpergewicht angepasst werden (Tetracycline sollten bei Kindern unter 8 Jahren nicht angewendet werden).
- Ältere Patienten: Bei parenteraler Anwendung ist oft eine niedrigere Dosis erforderlich.
- Schwangerschaft: Sulfonamide (können Neugeborenen-Gelbsucht verursachen) oder Chloramphenicol sollten bei Schwangeren nicht angewendet werden. Bevorzugt werden Beta-Laktame oder Makrolide.
Antibiotika der ersten Wahl in der Zahnmedizin
Diese werden in der ambulanten Behandlung von leichten bis mittelschweren odontogenen Infektionen eingesetzt.
A) Natürliche Penicilline
Sind Beta-Laktam-Antibiotika (bakterizide Wirkung, sehr gute Verteilung im ganzen Körper, geringe Toxizität, geringe Kosten).
- Penicillin G (Natrium und Kalium): Schneller Wirkungseintritt. Dosis: 1,2 bis 2,4 Millionen Einheiten/Tag. Wirksam gegen: Streptokokken, anaerobe Spirochäten.
- Penicillin G Procain: Das Procain verzögert die Absorption, was eine intramuskuläre Verabreichung ermöglicht. Procain erhöht das Risiko von Nebenwirkungen (insbesondere Allergien).
- Penicillin G Benzathin.
- Penicillin V.
B) Aminopenicilline
Sind halbsynthetische Substanzen, deren weit verbreiteter Einsatz zu einem Anstieg der Resistenzen geführt hat.
- Ampicillin: (Oral) Kontraindikation: Langsame intestinale Resorption; der Einsatz ist auf leichte Infektionen beschränkt. (Intravenös) für schwere Infektionen.
- Amoxicillin: Zeigt die beste Absorption und wird aufgrund seiner guten Resorption und gastrointestinalen Verträglichkeit zur Prophylaxe eingesetzt (3 Gramm vor der Operation und 1,5 g sechs Stunden nach der Operation).
C) Makrolide
Werden in der Regel oral angewendet:
- Erythromycin: Gute intestinale Resorption, kann aber gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen) verursachen. Wird bei leichten bis mittelschweren Infektionen eingesetzt, wenn Penicillin nicht verwendet werden kann.
- Spiramycin: Kreuzt die Plazentamembran und geht in die Muttermilch über. Wird oft in Kombination mit Metronidazol verwendet. Clindamycin ist ein Antagonist.
Antibiotika der zweiten Wahl in der Zahnmedizin
Metronidazol
Dies ist das einzige antimikrobielle Mittel mit Aktivität gegen Bakterien und Parasiten (Protozoen). Es wird oral gut resorbiert, obwohl die Resorption durch Nahrungsaufnahme verlangsamt werden kann. Es verteilt sich sehr gut in den Geweben der Mundhöhle, kann aber gastrointestinale Störungen verursachen. Es ist wirksam gegen GUNA (Akute Ulzeröse Nekrotisierende Gingivitis) und wird oft in Kombination mit Spiramycin verwendet.