Die Arbeiterbewegung: Geschichte, Ideologien und Organisation

Eingeordnet in Sozialwissenschaften

Geschrieben am in Deutsch mit einer Größe von 7,69 KB

Die Arbeiterbewegung: Urbanisierung und Industrielle Wirtschaft

Die Städte entwickelten sich zu zentralen Orten der Arbeiterbewegung. Die Bevölkerung in den Städten nahm rasant zu, und die industrielle Aktivität dominierte zunehmend die Wirtschaft. Die industrialisierte Welt konzentrierte sich in den Städten. Ein frühes Beispiel für diese Veränderung war Großbritannien, insbesondere London, das zur am dichtesten besiedelten Stadt der Welt wurde. Dieses Wachstum war geprägt von Landflucht und hohen Geburtenraten, was wiederum zu wachsender städtischer Armut führte.

Die Industrielle Gesellschaft im 19. Jahrhundert

Der Modernisierungsprozess im 19. Jahrhundert war eng mit der Industrialisierung verbunden. In Europa entwickelten sich drei Hauptgesellschaftsformen:

  • Traditionelle ländliche Gesellschaft: Diese war der Landwirtschaft gewidmet. Landarbeiter konnten entweder Landbesitzer oder Tagelöhner werden (ein Modell, das beispielsweise in Spanien und Italien verbreitet war).
  • Entwickelte ländliche Gesellschaft: Hier entstand ein Agrarmarkt. Land gehörte Adligen, Bürgern und reichen Bauern (wie in England).
  • Urbane Gesellschaft: Gekennzeichnet durch Landflucht. Hier bildeten sich drei Hauptklassen heraus: die industrielle Bourgeoisie, die Mittelschicht und das Proletariat (besonders ausgeprägt in Großbritannien und Frankreich).

Die bürgerliche Gesellschaft und ihre Schichten

Die bürgerliche Lebensweise prägte die neue Gesellschaftsordnung. Die Mittelschicht entwickelte sich zur mächtigsten sozialen Gruppe, deren Einfluss auf Eigentum und Reichtum (Plutokratie) basierte. Nur die Reichsten hatten Zugang zu den höchsten Positionen.

Die Schichten der Bourgeoisie

  • Hochbourgeoisie: Diese Schicht führte ihre Geschäfte und engagierte sich stark für den wirtschaftlichen Fortschritt.
  • Mittlere Bourgeoisie: Sie umfasste Berufsleute und Kaufleute, die sich von Landarbeitern und Industriearbeitern abgrenzten. Diese Schicht befürwortete eine starke Ordnung und war der Arbeit sehr ergeben.
  • Kleinbürgertum: Diese untere Mittelschicht besaß geringe wirtschaftliche Macht und war stets auf Arbeit angewiesen.

Soziale Probleme und Arbeitsbedingungen

Die Industrialisierung führte zu tiefgreifenden sozialen Veränderungen und schwierigen Lebensbedingungen. Die Arbeiter bildeten die neue soziale Gruppe, die sich aus verschiedenen Schichten zusammensetzte:

  • Bauern: Viele verloren ihre Existenzgrundlage durch die Mechanisierung der Landwirtschaft.
  • Heimarbeiter: Sie mussten sich an neue Anforderungen anpassen, da das Heimarbeitssystem zunehmend unter Druck geriet.
  • Handwerker: Sie sahen sich mit dem Niedergang der Zünfte und der Konkurrenz durch Fabriken konfrontiert.

Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal: lange Arbeitstage, körperliche Züchtigung, keine Ruhetage, willkürliche Entlassungen und fehlende Rechte. Gewerkschaften entstanden als Reaktion darauf, um bessere Bedingungen für die Arbeiter zu erkämpfen.

Debatte über den Lebensstandard der Arbeiter

Friedrich Engels untersuchte in seiner Studie über die Lage der arbeitenden Klasse in England die Lebensbedingungen und kam zu dem Schluss, dass der Lebensstandard der Arbeiter sank.

Ideologische Grundlagen der Arbeiterbewegung

Denker prangerten die Ungerechtigkeiten der Arbeiterklasse an und legten die ideologischen Grundlagen für die Arbeiterbewegung.

1. Utopischer Sozialismus

Der utopische Sozialismus strebte eine perfekte Gesellschaft an, die den Kampf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern überwinden sollte.

Wichtige Vertreter des utopischen Sozialismus:

  • Henri de Saint-Simon: Er schlug eine industriell basierte Gesellschaft vor, die von einer Technokratie geführt werden sollte, um das Wohlergehen der Armen zu gewährleisten.
  • Charles Fourier: Er verabscheute kapitalistische Unternehmen und schlug die Bildung von Phalanstères (landwirtschaftliche Gemeinschaften) vor, in denen Männer und Frauen gleichberechtigt zusammenleben sollten.
  • Robert Owen: Als Textilunternehmer führte er Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen seiner Arbeiter ein und gründete die ideale Gemeinschaft New Harmony, die jedoch scheiterte.
  • Pierre-Joseph Proudhon: Er vertrat die Ansicht, dass Eigentum Diebstahl sei, kritisierte die bürgerliche Demokratie und staatliche Organisationen. Er schlug Gegenseitigkeit und die Verteidigung der individuellen Freiheit vor.

2. Marxistischer Sozialismus

Der marxistische Sozialismus versuchte, die Widersprüche des Kapitalismus zu analysieren und zu überwinden. Er strebte den gewaltsamen Sturz des kapitalistischen Systems an, um eine klassenlose Gesellschaft ohne Privateigentum zu schaffen.

3. Anarchismus

Michail Bakunin verteidigte die Rebellion gegen die kapitalistische Gesellschaft. Er wollte den Staat und die bürgerliche Ordnung zerstören.

Entwicklung und Organisation der Arbeiterbewegung

Organisierte Arbeiter kämpften gegen Missstände und Ausbeutung.

1. Frühe Formen und Luddismus

Vorläufer der Arbeiterorganisationen waren Friendly Societies (Hilfsvereine) und geheime Vereinigungen. Der Luddismus war eine Bewegung, die sich gegen die zunehmende Mechanisierung der Textilindustrie und die damit verbundene Arbeitsplatzvernichtung richtete. Gewerkschaften und Vereine verbreiteten sich im gesamten Vereinigten Königreich.

2. Gewerkschaftsbewegung im Vereinigten Königreich

  • Peterloo-Massaker: Eine Rebellion gegen das Getreidegesetz (Corn Laws).
  • Grand National Consolidated Trades Union: Eine frühe Organisation von Arbeitern.
  • Chartistenbewegung: Forderte die Beteiligung der Arbeiter an der Politik und das allgemeine Wahlrecht.
  • Gewerkschaftsgesetz: Legalisierte die Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer.

3. Gewerkschaftsbewegung in Europa

  • Frankreich: Es entstanden Arbeitervereinigungen.
  • Deutschland: Verbände und Gewerkschaften wurden legalisiert.
  • Italien: Der Kampf der Arbeiter nahm an Fahrt auf.
  • Spanien: Das Gesetz zur Anerkennung von Vereinigungen wurde erlassen.

Die Erste Internationale (IAA)

Britische und französische Gewerkschafter trafen sich und gründeten die Internationale Arbeiterassoziation (IAA), inspiriert von den ideologischen Grundlagen des Marxismus und Anarchismus. Im Jahr 1872 kam es jedoch zu einer Spaltung der Organisation, die zu ihrem Niedergang führte.

Die Zweite Internationale

Nach dem Scheitern der Ersten Internationale schlug Marx die Entwicklung von Arbeiterparteien vor. Die Zweite Internationale verbot die Beteiligung von Delegierten, die die Notwendigkeit der Arbeitsorganisation und der politischen Aktion nicht anerkannten, und schloss anarchistische Gewerkschafter aus. Sie entwickelte sich zu einer internationalen Organisation sozialistischen Charakters, die die Zusammenarbeit mit bürgerlichen politischen Parteien ablehnte und sich gegen den Kolonialismus aussprach.

Die Dritte Internationale (Komintern)

Unter der Führung Lenins entstand die Dritte Internationale (Komintern), die den Kampf um die Macht und die Gründung kommunistischer Parteien sowie die weltweite sozialistische Bewegung vorantrieb.

Verwandte Einträge: