Arbeitsrecht: Grundlagen, Pflichten und Kündigungsschutz
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Arbeitsrecht: Grundlagen und Praxis
1. Der Arbeitnehmerbegriff
Definition Arbeitnehmer
- Person, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags für einen anderen gegen Entgelt weisungsgebunden und fremdbestimmt Dienste leistet (§ 611a BGB).
Abgrenzung zu anderen Vertragsarten
- Abgrenzung zu Dienst- und Werkverträgen (§§ 631, 662 BGB).
Formen von Arbeitnehmern
- Arbeiter, Angestellte.
Leitende Angestellte
- Abgrenzung: Gesamtbild, Parteiwille, Verkehrsauffassung.
- Sonderregeln: § 5 Abs. 3 BetrVG, § 14 Abs. 2 KSchG.
Definition Arbeitgeber
- Wer Dienstleistungen aufgrund eines Arbeitsvertrags fordern kann.
2. Rechtsquellen des Arbeitsrechts
Rangfolge der Rechtsquellen
- Europarecht
- Grundgesetz
- Nicht dispositives einfaches Recht (z.B. Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag)
- Dispositives einfaches Recht
Konkurrenzprinzipien
- Rangprinzip
- Spezialitäts- und Ordnungsprinzip
- Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG)
3. Pflichten im Arbeitsverhältnis
Pflichten des Arbeitnehmers
- Arbeitspflicht: Gemäß §§ 611a Abs. 1 S. 1 BGB, höchstpersönlich (§ 613 S. 1 BGB). Konkretisierung durch Weisungsrecht (§ 611a Abs. 1 S. 2 BGB / § 106 GewO).
- Treuepflicht: Umfasst Verschwiegenheit (§ 17 UWG) und Wettbewerbsverbot (§§ 60, 61 HGB).
Pflichten des Arbeitgebers
- Vergütung: Fälligkeit gemäß § 614 S. 1 BGB.
- Beschäftigung: Ableitung aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG / § 242 BGB.
- Fürsorge- und Schutzpflichten: Gemäß § 618 BGB, §§ 81-83 BetrVG.
- Erholungsurlaub: Gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG.
- Gleichbehandlung: Gemäß § 612a BGB, § 7 AGG.
- Zeugniserteilung: Gemäß § 630 BGB.
4. Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis
Prüfungsschema
- A. Herleitung: Rückgewähr über §§ 812 ff. BGB ist unbillig, da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt.
- B. Voraussetzungen:
- I. Natürliche Willenseinigung: Einigkeit in der Sache über den Arbeitsvertrag.
- II. Fehlerhaftigkeit der Willenseinigung: Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes (z.B. §§ 106 ff. BGB).
- III. In-Vollzug-Setzen des Arbeitsvertrags: Tatsächliche Arbeitsaufnahme.
- IV. Keine schutzwürdigeren Interessen: Zum Beispiel kein Minderjährigenschutz.
- C. Rechtsfolge: Behandlung wie ein wirksamer Arbeitsvertrag, jedoch ist die Unwirksamkeit mittels Lossagung (z.B. §§ 142, 119 BGB) ex nunc möglich. Beachte: Ansprüche aus §§ 812 ff. BGB sind ausgeschlossen, da der fehlerhafte Arbeitsvertrag als Rechtsgrund gilt.
5. Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn"
Definition
- Erlöschen des Lohnanspruchs (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB), wenn die Leistung aufgrund des Fixgeschäftscharakters unmöglich wird (§ 275 Abs. 1 BGB).
Prüfungsschema
- 1. Gegenseitiger Vertrag: Immer ein Arbeitsvertrag.
- 2. Unmöglichkeit: Gemäß § 275 Abs. 1 BGB. Die Erbringung der Arbeitsleistung ist aufgrund ihres Fixgeschäftscharakters unmöglich, wenn sie nicht mehr erbringbar ist.
- 3. Keine Ausnahme:
- Arbeitgeber hat die Unmöglichkeit zu vertreten (§ 326 Abs. 2 S. 1 1. Fall BGB).
- Annahmeverzug des Arbeitgebers (§ 615 S. 1 BGB).
- Lehre vom Betriebsrisiko (§ 615 S. 3 BGB).
- Vorübergehende Verhinderung des Arbeitnehmers (§ 616 BGB).
- Entgeltfortzahlungsanspruch (z.B. §§ 3 ff. Entgeltfortzahlungsgesetz).
- Erholungsurlaub (BUrlG).
- Mutterschutz (§ 18 MuSchG).
- Tätigkeit als Betriebsrat (§ 37 Abs. 2 BetrVG).
6. Das Betriebsrisiko (§ 615 S. 3 BGB)
Sinn und Zweck
- Sicherung des Lohnanspruchs (§ 611a Abs. 2 BGB), wenn die Ursache der Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) in der Sphäre des Arbeitgebers liegt.
Prüfungsschema
- I. Herleitung: Der Arbeitgeber, der Vorteile aus der Beschäftigung zieht, hat auch für die daraus entstehenden Risiken zu haften.
- II. Voraussetzungen:
- 1. Arbeitsverhältnis
- 2. Betriebsstörung: Technische Störung (z.B. Computerausfall) oder wirtschaftliche Störung (z.B. Annahmeverzug durch fehlende Nachfrage, § 615 S. 1 BGB).
- 3. Von keiner Seite zu vertreten
- 4. Keine abweichende Vereinbarung: Zum Beispiel Schlechtwettergeld.
- III. Rechtsfolgen:
- 1. Grundsatz: "Lohn ohne Arbeit" (Ausnahme zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB).
- 2. Ausnahme: Kein Lohn ohne Arbeit bei Streik oder Existenzgefährdung des Betriebs.
7. Innerbetrieblicher Schadensausgleich
Definition
- Bezeichnet die Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer bzw. umgekehrt.
Formen des Schadensausgleichs
- Schlechtleistung des Arbeitnehmers
- Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit
- Personenschäden des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfällen
- Vermögensschäden des Arbeitnehmers
Prüfungsschema bei Schlechtleistung und betrieblich veranlasster Tätigkeit
- I. Schuldverhältnis: Arbeitsvertrag (§ 611a BGB).
- II. Pflichtverletzung: Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag.
- III. Vertretenmüssen: Gemäß § 276 BGB. Grundsätzlich vermutet, aber Beweislastumkehr nach § 619a BGB.
- IV. Schaden:
- 1. Innerbetrieblicher Schadensausgleich:
- a. Herleitung: § 254 BGB analog, da eine gerechte Aufteilung vom Verschuldensgrad abhängt.
- b. Voraussetzungen:
- aa. Persönlicher Schutzbereich: Arbeitnehmer, Auszubildende, Praktikanten etc.
- bb. Betrieblich veranlasste Tätigkeit: Übertragung auf den Arbeitnehmer durch Arbeitsvertrag oder Ausführung im Interesse des Betriebs (nicht: allgemeines Lebensrisiko).
- c. Rechtsfolge: Schadensersatz abhängig vom Verschuldensgrad:
- Leichte Fahrlässigkeit: Keine Haftung.
- Mittlere Fahrlässigkeit: Schadensteilung.
- Vorsatz/Grobe Fahrlässigkeit: Volle Haftung.
- 1. Innerbetrieblicher Schadensausgleich:
- V. Kein Ausschluss
Personenschäden des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfällen
- Verursachung durch Arbeitgeber: Haftungsausschluss gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII.
- Verursachung durch Arbeitskollegen: Haftungsausschluss gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII.
- Haftungsausschluss gilt auch für Schmerzensgeld (Argument: Sinn und Zweck ist der Betriebsfrieden).
- Bei Haftung Dritter (kein Ausschluss) gelten die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld.
Haftung des Arbeitgebers für Vermögensschäden des Arbeitnehmers
- Verschulden des Arbeitgebers: Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 ff. BGB.
- Ohne Verschulden des Arbeitgebers: Haftung gemäß § 670 BGB analog.
Wichtiger Hinweis
- Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung bei Inanspruchnahme durch Dritte (Rechtsgedanke des § 257 BGB).
8. Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Formen der Beendigung
- Aufhebungsvertrag
- Einseitige Erklärung (z.B. Kündigung, Anfechtung)
- Ohne Erklärung (z.B. Fristablauf, Tod des Arbeitnehmers)
Aufhebungsvertrag
- Einigung über die Beendigung des Vertrags (§§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB).
Einseitige Erklärung
- Ordentliche Kündigung: § 622 BGB.
- Außerordentliche Kündigung: § 626 BGB.
- Anfechtung: §§ 142, 119 ff. BGB ex nunc (Lehre vom fehlerhaften Arbeitsvertrag).
Beendigung ohne Erklärung
- Fristablauf (§ 620 Abs. 1 BGB).
- Eintritt einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB).
- Tod des Arbeitnehmers.
- Lösende Aussperrung durch den Arbeitgeber.
Keine Beendigungsgründe
- Tod oder Insolvenz des Arbeitgebers.
- Betriebsveräußerung (§ 613a BGB).
9. Die ordentliche Kündigung (§§ 622 ff. BGB)
Voraussetzungen
- I. Ordnungsgemäße Kündigungserklärung: Willenserklärung nach den allgemeinen Regeln des BGB (z.B. Zugang). Schriftformerfordernis gemäß § 623 BGB, sonst Nichtigkeit (§ 125 S. 1 BGB).
- II. Anhörung des Betriebsrats: Gemäß § 102 BetrVG. Der Betriebsrat muss, sofern vorhanden, angehört werden, wobei seine Zustimmung nicht erforderlich ist.
- III. Kein besonderer Kündigungsschutz: Für einige Personengruppen gelten besondere Kündigungsschutzgründe (z.B. Mütter, § 9 MuSchG; Betriebsräte, § 15 KSchG).
- IV. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes: Gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 S. 2 KSchG. Anwendbar, wenn der Arbeitnehmer länger als sechs Monate betriebszugehörig ist und der Betrieb in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt.
- V. Soziale Rechtfertigung: Gemäß § 1 Abs. 1, 2 KSchG. Die Kündigung ist gerechtfertigt, wenn personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe vorliegen:
- a) Personenbedingte Gründe: Der Arbeitnehmer ist persönlich nicht (mehr) geeignet. Beachte: Vorrangig sind Umschulung oder Versetzung in Betracht zu ziehen.
- b) Verhaltensbedingte Gründe: Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflichten (z.B. Beleidigung, Arbeitsverweigerung). Beachte: Vorrangig ist eine Abmahnung auszusprechen.
- c) Betriebsbedingte Gründe: Arbeitsplätze müssen aus betrieblichen Gründen gestrichen werden. Beachte: Vorrangig ist eine Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) nach Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Alter etc.
- d) Keine absolute Sozialwidrigkeit: Es dürfen keine Gründe vorliegen, die die Kündigung absolut sozialwidrig machen (§§ 1 Abs. 2, 2 und 3 KSchG).
- VI. Keine Heilung: Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen erhoben werden (§§ 4, 7 KSchG). Andernfalls kann man sich nicht mehr auf die Sozialwidrigkeit berufen, da Heilung eingetreten ist.
- VII. Einhaltung der Kündigungsfrist: Gemäß § 622 BGB. Beachte: Eine zu kurz bemessene Frist kann zum nächstmöglichen Termin umgedeutet werden (§ 140 BGB).
10. Die außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB)
Voraussetzungen
- I. Ordnungsgemäße Kündigungserklärung: Willenserklärung nach den allgemeinen Regeln des BGB (z.B. Zugang). Schriftformerfordernis gemäß § 623 BGB, sonst Nichtigkeit (§ 125 S. 1 BGB). Einhaltung der Erklärungsfrist von zwei Wochen ab Kenntnis des wichtigen Grundes.
- II. Anhörung des Betriebsrats: Gemäß § 102 BetrVG. Der Betriebsrat muss, sofern vorhanden, angehört werden, wobei seine Zustimmung nicht erforderlich ist.
- III. Kein besonderer Kündigungsschutz: Für einige Personengruppen gelten besondere Kündigungsschutzgründe (z.B. Mütter, § 9 MuSchG; Betriebsräte, § 15 KSchG).
- IV. Wichtiger Grund: Gemäß § 626 Abs. 1 BGB.
- 1. Umstände, die an sich geeignet sind: Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Einzelfallabhängig von Verdacht, Schwere der Tat und den Umständen des Einzelfalls.
- 2. Interessenabwägung im Einzelfall: Beispiel: Diebstahl von Franzbrötchen bei langer Zugehörigkeit und Treue. Strenge Auslegung, da sonst schlechtes Verhalten toleriert werden müsste.
- V. Keine Heilung: Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen erhoben werden (§ 13 i.V.m. §§ 4, 7 KSchG). Andernfalls kann man sich nicht mehr auf die Sozialwidrigkeit berufen, da Heilung eingetreten ist.
Wichtiger Hinweis
- Möglicherweise Umdeutung in ordentliche Kündigung, wenn die Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung nicht vorliegen (§ 140 BGB).
11. Die Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG)
Sinn und Zweck
- Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich vor Gericht gegen die Kündigung zu wehren.
Prüfungsschema
- A. Zulässigkeit:
- I. Zuständigkeit:
- 1. Örtliche Zuständigkeit: Wohnsitz des Beklagten (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12 ff. ZPO).
- 2. Sachliche Zuständigkeit: Ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts (§ 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG).
- II. Statthaftigkeit: Die besondere Feststellungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet wurde. Abgrenzung: Allgemeine Feststellungsklage (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 256 ZPO), wenn auch andere Beendigungsgründe als die Kündigung geprüft werden. Bei Kollision bzw. mehreren Kündigungsgründen ist eine kombinierte Klage zulässig.
- III. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen: Der Kläger muss ein Rechtsschutzbedürfnis, also ein Feststellungsinteresse, haben. Dies folgt daraus, dass er ohne Kündigungsschutzklage materiell-rechtlich ausgeschlossen wäre, da dann § 7 KSchG greifen würde.
- I. Zuständigkeit:
- B. Begründetheit: Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung.
Wichtiger Hinweis
- Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers: Für die Dauer des Verfahrens (§ 102 Abs. 5 BetrVG). Ein allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch besteht, wenn dies dem Arbeitgeber zumutbar ist und die Kündigung offensichtlich unwirksam ist.
- Durchsetzung bei Weigerung des Arbeitgebers: Mittels einstweiliger Verfügung (§§ 62 Abs. 2 ArbGG, 935 ZPO).