Aristoteles: Ethik, Tugenden und Erkenntnis
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1. Einführung in Aristoteles' Ethik
Aristoteles' Ethik, Wissen und Politik sind praktische Wissenschaften, deren primärer Zweck die Praxis (Handlung) ist. Die aristotelische Ethik befasst sich mit den menschlichen Handlungen, die auf das höchste Gut, das Glück (Eudaimonia), abzielen.
Neben den vegetativen und sensiblen Funktionen der Seele unterscheidet der Mensch zwei weitere Bewegungsarten:
- Praxis (Handlung): Auf die Suche nach Glück ausgerichtet, geleitet von Phronesis (praktischer Weisheit) und Episteme (Wissenschaft).
- Poiesis (Produktion): Auf die Herstellung von etwas anderem ausgerichtet, geleitet von Techne (Kunst/Handwerk).
Das Endziel aller menschlichen Bestrebungen ist das Glück. Jedes andere Ziel ist lediglich ein Mittel, um dieses Endziel zu erreichen. Glück besteht in der Ausübung der spezifischen menschlichen Tätigkeit, insbesondere der intellektuellen Anschauung (theoretische Weisheit), die von Tugend begleitet sein muss.
Aristoteles definiert die Eigenschaften des langfristigen Glücks:
- Es ist ein Gut, das um seiner selbst willen gut und vollkommen ist.
- Es wird durch kontinuierliche Aktivität erreicht.
Eine weitere charakteristische Funktion der menschlichen Seele ist die theoretische Intelligenz. Die anderen Teile der Seele werden durch die Vernunft kontrolliert. Handlungen müssen im Einklang mit der Natur stehen; eine Synthese gegen die Natur ist unmöglich. In der kontinuierlichen Ausübung der kontemplativen Tätigkeit liegt das höchste Gut für den Menschen, das umfassendste, das uns im Alltag helfen soll.
Die Ethik des Aristoteles ist teleologisch, da alle menschlichen Handlungen ein eudaimonistisches Ziel haben: gut zu leben und Gutes zu tun ist gleichbedeutend mit glücklich sein. Sie ist auch naturalistisch, da Glück durch Handeln im Einklang mit der Natur erreicht wird.
2. Anthropologie der Tugend
Ein Mensch, der nach Tugend lebt, ist glücklich, muss aber in einer Stadt leben, die durch gute Gesetze geordnet ist. Ethik erfordert Politik, da das höchste Gut für den Einzelnen nur im Kontext einer gut funktionierenden Gemeinschaft erreicht werden kann.
Tugend ist eine Gewohnheit, die zum Glück führen soll. Sie ist freiwillig und beinhaltet Beratung und Auswahl. Tugend ist das Wissen um das rechte Maß; die Weisen wissen, wie sie die Mitte finden.
2.1. Arten von Tugenden
Aristoteles unterscheidet zwei Haupttypen von Tugenden:
- Dianoetische Tugenden (Verstandestugenden): Entstehen aus der Gewohnheit des Denkens und führen zu Erkenntnissen der Seele, die die Wahrheit erreichen.
- Sittliche Tugenden (Charaktertugenden): Setzen das reibungslose Funktionieren des begehrenden Teils der Seele voraus und werden durch Gewöhnung erworben.
3. Formen des Wissens und der Erkenntnis
3.1. Episteme (Wissenschaft)
Episteme (Wissenschaft) ist eine überlegene dianoetische Tugend. Sie ist eine Gewohnheit, durch die wir die notwendigen Aspekte der Dinge erkennen. Es ist eine offensichtliche Wahrheit, die wahre Erkenntnis exakt vermittelt. Alles Wissen ist lernfähig und wird durch Induktion und Schlussfolgerungen erworben.
Aristoteles zeigt, dass sich Episteme auf das bezieht, was notwendig ist und nicht anders sein kann (apodiktisch). Dieses Wissen gilt für Objekte, die allgemein und notwendig sind. Wissenschaft ist begrenzt, da sie nicht alles beweisen kann; sie basiert auf den Prinzipien, die der Nous (Verstand) erfasst.
3.2. Techne (Kunst/Handwerk)
Techne befasst sich mit dem, was anders sein könnte. Sie ist eine primäre Form des Wissens und der Wahrheit, die sich auf die Produktion bezieht. Es ist ein universelles Wissen für besondere Dinge. Aristoteles unterscheidet Techne von Handlungen (Praxis), da Techne etwas außerhalb des Handelnden produziert.
Techne oder Kunst ist der Wissenschaft (Episteme) untergeordnet, da sie sich mit Kontingenz befasst (dem, was anders sein kann), während die Wissenschaft sich mit dem Notwendigen befasst. Kunst ist eine produktive Fähigkeit, die mit Vernunft einhergeht und sich auf das bezieht, was anders sein kann.
3.3. Phronesis (Praktische Weisheit/Klugheit)
Phronesis ist eine Tugend, die es ermöglicht, die Wahrheit der Dinge zu erkennen und zu wissen, wie man in konkreten Situationen richtig handelt. Der Kluge berät über das, was gut und richtig ist, um ein gutes Leben zu führen. Er weiß, wie er sein ganzes Leben gestalten soll. Wer die Gewohnheit der Phronesis besitzt, hat ein richtiges Verständnis von Gut und Böse für den Menschen.
Phronesis ist eine demonstrative Überlegung, die sich auf das bezieht, was anders sein kann, und ist somit eng mit der Praxis verbunden.
3.4. Nous (Verstand)
Nous oder Verstand erfasst die ersten Prinzipien (Archai), die nicht bewiesen werden können, sondern vom Intellekt direkt erfasst werden; sie werden Axiome genannt. Nous ist ein Weg zur Wahrheit, der nicht beweist, sondern die notwendigen universellen Prinzipien liefert, aus denen die Wissenschaft ihre Beweise ableitet.
3.5. Sophia (Theoretische Weisheit)
Sophia (theoretische Weisheit) ist die höchste Form des Wissens, die Nous und Episteme vereint. Sie befasst sich mit den höchsten und allgemeinsten Wahrheiten und ist das Ziel der kontemplativen Lebensweise.