Aristoteles: Leben, Philosophie und Theorien
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Aristoteles (384–322 v. Chr.)
Geboren in Stagira, Makedonien (Griechenland), in einer Familie mit medizinischer Tradition. Er studierte Rhetorik an Platons Akademie und lehrte dort später. Er musste Athen aufgrund des Aufstiegs der anti-makedonischen Partei verlassen und später erneut wegen politischer Verfolgung nach dem Tod Alexanders des Großen (dessen Lehrer Aristoteles war und der Sohn Philipps II.). Später gründete er das Lykeion (Lyceum).
Kontext
Historischer Kontext
Athen litt unter den Folgen des Peloponnesischen Krieges und erlebte einen sozialen Wandel hin zu einer kosmopolitischeren Gesellschaft. Unter der Herrschaft Alexanders des Großen verschlechterte sich die politische Situation in Griechenland weiter, während Alexander den Osten eroberte.
Athen provozierte einen Krieg zwischen Theben und Makedonien, den Makedonien leicht gewann. In dieser Situation wurde Aristoteles angefeindet und musste Athen erneut verlassen, um einer möglichen Verurteilung zu entgehen.
Soziokultureller Kontext
Die Krise der griechischen Poliswelt erreichte in diesem Jahrhundert (seit dem Peloponnesischen Krieg) ihren Höhepunkt. Eine kosmopolitische Haltung zeigte sich in allen Bereichen der Kultur und des sozialen Denkens. In der Kunst zeigte sich dies im Übergang von der klassischen Kunst zum Hellenismus mit stärkeren Bewegungen, die menschliches Leid ausdrückten. Dies beinhaltete auch neue orientalische Einflüsse durch Alexanders Eroberungen und die Entwicklung der drei architektonischen Ordnungen. Die Gesellschaft stützte ihre Wirtschaft auf Landwirtschaft und Seehandel, die wirtschaftliche Lage war jedoch oft angespannt.
Philosophischer Kontext
Seine Einflüsse umfassen die Vorsokratiker, die nach dem Urgrund (Arché) suchten und über die Natur argumentierten (wie Thales, Anaximander, Anaximenes, Pythagoras, Heraklit, die Pluralisten, die Atomisten), die Sophisten (die oft relativistisch und skeptisch waren) sowie Sokrates und Platon (sein Lehrer). Aristoteles kannte die früheren Philosophen sehr gut. Er schuf eine Synthese ihrer Gedanken, legte sie dar, kritisierte sie und versuchte, Kohärenz zu schaffen sowie die Unzulänglichkeiten ihrer Erklärungen der Wirklichkeit zu ergänzen.
Metaphysik: Substanzlehre
Die Substanz (Ousia) ist eine Verbindung aus Materie (Hyle) und Form (Morphe). Sie ist eine eigenständige, individuelle Wirklichkeit. Das eigentliche Sein ist die erste Substanz.
Materie und Form sind nicht unabhängig voneinander existent, sondern treten gemeinsam auf. Die Materie ist das, woraus eine Substanz besteht. Die Form (oder das Wesen, die zweite Substanz) ist das, was ein Ding zu dem macht, was es ist.
Physik: Die Lehre von der Bewegung
Bewegung (Kinesis) ist der Übergang von der Potenz (Dynamis), dem Vermögen, etwas zu sein, zur Aktualität (Energeia), dem wirklichen Sein. Um diesen Übergang zu vollziehen, bedarf es einer bewegenden Ursache, denn nichts bewegt sich von selbst. Die Welt ist eine Kette von Veränderungen, deren letzte Ursache die Vollkommenheit ist, die in der Form jedes Wesens angelegt ist und nach Verwirklichung strebt. Die Natur ist für Aristoteles finalistisch bzw. teleologisch ausgerichtet.
Die vier Ursachen der Bewegung
- Materialursache (causa materialis, intrinsisch): Das, woraus etwas besteht.
- Formalursache (causa formalis, intrinsisch): Das Wesen, die Form, die eine Sache zu dem macht, was sie ist.
- Wirkursache (causa efficiens, extrinsisch): Der Auslöser der Veränderung oder Bewegung.
- Zweckursache (causa finalis, extrinsisch): Der Zweck oder das Ziel der Bewegung (beim Menschen z. B. das Glück).
Arten der Veränderung (Bewegung)
- Substanzielle Veränderung: Entstehen oder Vergehen einer Substanz.
- Quantitative Veränderung (akzidentell): Zunahme oder Abnahme der Menge einer Substanz.
- Qualitative Veränderung (akzidentell): Veränderung der Eigenschaften einer Substanz.
- Örtliche Veränderung (akzidentell): Bewegung einer Substanz im Raum.
Der unbewegte Beweger
Da sich die Dinge nicht selbst bewegen können, benötigt man einen ersten Beweger, um die Bewegung im Kosmos zu erklären. Dieser erste Beweger ist Gott, gedacht als reine Form und höchste Wirklichkeit. Alles Seiende strebt nach ihm, weil er vollkommen ist; somit ist er auch die letzte Zweckursache.
Anthropologie: Seele und Körper
Gemäß der hylemorphistischen Theorie besteht der Mensch aus Körper (Materie) und Seele (Form), zwei untrennbaren Elementen. Aristoteles unterscheidet drei Seelenteile oder -funktionen:
- Vegetative Seele (Pflanzen): Zuständig für Ernährung, Wachstum und Fortpflanzung.
- Sensitive Seele (Tiere): Umfasst zusätzlich Empfindung und Bewegung.
- Vernünftige Seele (Menschen): Umfasst zusätzlich die Fähigkeit zu rationalem Denken und Wissen.
Erkenntnistheorie
Für Aristoteles ist Wissenschaft (Episteme) universelles und notwendiges Wissen. Die Philosophie (insbesondere die Metaphysik) ist das höchste Wissen, da sie die letzten Gründe der Dinge erforscht. Nur dieses Wissen ermöglicht die Erkenntnis der Wirklichkeit und erfüllt das menschliche Streben nach Glück. Aristoteles unterscheidet verschiedene Stufen der Erkenntnis:
- Sinnliche Wahrnehmung (Aisthesis): Ermöglicht die Erfassung einzelner Objekte. Die Erfahrung (Empeiria) ist die Quelle allen Wissens.
- Verstandeserkenntnis (Nous): Fähigkeit zur Abstraktion allgemeiner Begriffe aus den sinnlichen Wahrnehmungen.
Logik
Aristoteles sah die Logik als Werkzeug (Organon) der Philosophie. Er glaubte, dass viele philosophische Probleme auf einer fehlerhaften Argumentation und unklaren Begriffen beruhen. Er begründete die Syllogistik und analysierte Urteilsformen (bejahend/verneinend, allgemein/partikulär).
Ethik: Das Streben nach Glück
Alle Wesen streben nach einem ihnen gemäßen Ziel (Telos). Für den Menschen ist dieses Ziel das Glück (Eudaimonia), verstanden als ein Tätigsein der Seele gemäß der Tugend (Arete). Glück ist eine Tätigkeit, die durch die Ausübung der Tugend erreicht wird. Der rationale Seelenteil besitzt zwei Arten von Tugenden: die dianoetischen (Verstandestugenden, z. B. Weisheit, Klugheit) und die ethischen (Charaktertugenden, z. B. Tapferkeit, Gerechtigkeit), die als Mitte zwischen zwei Extremen definiert werden.
Politische Theorie: Der Mensch als Zoon Politikon
Der Mensch ist von Natur aus ein politisches Wesen (Zoon politikon) und kann sein Glück nur in der Gemeinschaft (Polis) finden. Die gerechteste Gesellschaft ist diejenige, die das Gemeinwohl ihrer Mitglieder fördert. Aristoteles analysierte verschiedene Verfassungsformen und favorisierte die Politie, eine Mischform, die Elemente der Oligarchie und Demokratie verbindet und auf einer breiten Mittelschicht basiert, um Extreme zu vermeiden.