Bedeutungswandel von Wörtern: Semantik, Arten und Ursachen

Eingeordnet in Lehre und Ausbildung

Geschrieben am in Deutsch mit einer Größe von 10,58 KB

Bedeutungswandel von Wörtern

4.1. Die Bedeutung von Wörtern

Lange Zeit hat sich die Sprachforschung mehr mit Laut und Form als mit der Bedeutung beschäftigt. Die Bedeutung eines Wortes besteht aus mehreren Komponenten. In der linguistischen und philosophischen Semantik unterscheidet man Inhalt und Umfang eines Wortes.

  • Der Bedeutungsinhalt bezeichnet die Summe aller Eigenschaften und Merkmale, die den Begriff kennzeichnen.
  • Der Bedeutungsumfang (Extension) umfasst alle einzelnen Individuen (Referenten), für die das Wort verwendet werden kann. Beispiel: Tier umfasst Vogel, Fisch, Wurm etc.

Neben dieser sogenannten lexikalischen Bedeutung spricht man auch vom Nebensinn eines Wortes. Bei einigen Wörtern ist der Nebensinn emotiv (die Begleitvorstellung). Zum Beispiel:

  • Sterben: neutral
  • Heimgehen: positiv konnotiert
  • Verrecken: negativ konnotiert

Die Lehre von der Bedeutung der Wörter und ihren Wandlungen nennt man Semantik und Semasiologie. Etymologie ist die Lehre von der Herkunft und Grundbedeutung der Wörter. Wenn Übertreibungen ihre Wirkung verlieren, greift man manchmal zum Gegenteil.

4.2. Arten des Bedeutungswandels

Da der Bedeutungswandel im Bewusstsein des Menschen stattfindet und von vielen psychologischen und gesellschaftlichen Faktoren abhängig ist, lässt er sich schwer abgrenzen und beschreiben. Wir können die folgenden Arten unterscheiden:

  • Bedeutungsverengung: Der Bedeutungsumfang ist kleiner geworden, da weitere, spezialisierende Merkmale zum ursprünglichen Inhalt hinzugekommen sind.
    • Beispiele: gerben (ursprünglich 'gerwen', allgemein 'zubereiten') → 'Häute bearbeiten'; Mut (ursprünglich 'Sinn, Gemüt') → 'Tapferkeit'; Hochzeit (ursprünglich 'Hochgezit', 'Fest') → 'Eheschließungsfest'.
  • Bedeutungserweiterung: Der Umfang hat sich vergrößert.
    • Beispiel: Sache bedeutete ursprünglich 'Rechtssache'. Heutzutage hat es eine allgemeinere Bedeutung.
  • Bedeutungsverschiebung: Wenn ein sprachliches Bild ganz verblasst ist, sodass die ursprüngliche konkrete Bedeutung nur noch abstrakt ist.
    • Beispiele: elend (ursprünglich 'elenti', 'im Ausland befindlich') → 'unglücklich, armselig'; Frauenzimmer (ursprünglich 'Frauengemach') → 'Frau' (oft abwertend).
  • Bedeutungsverschlechterung (Pejorisierung): Die Bedeutung eines Wortes ist vom moralischen, sozialen oder stilistischen Gesichtspunkt aus schlechter geworden. Dies ist oft mit einer Bedeutungsverengung verknüpft.
    • Beispiele: albern (ursprünglich 'ernst, weise') → 'kindisch, töricht'; Spießbürger (ursprünglich 'Bürger mit Spieß') → 'engstirniger Mensch'; Dirne (ursprünglich 'Mädchen', wie in 'Dirndl') → 'Prostituierte'.
  • Bedeutungsverbesserung (Meliorisierung): Kommt seltener vor.
    • Beispiele: Marschall (ursprünglich 'Pferdeknecht') → 'höchster militärischer Rang'; Minister (ursprünglich 'Diener') → 'Diener des Staates, oberster Verwaltungsbeamter'; Gesellschaftlich (ursprünglich 'Arbeiter') → 'die Gesellschaft betreffend'.

4.3. Ursachen des Bedeutungswandels

Oft tragen mehrere Faktoren zu einer Bedeutungsveränderung bei: geschichtliche, soziale und psychologische. Einige der wichtigsten Ursachen sind die Abnutzung (Bedeutungsentleerung), besonders von verstärkenden und affektbetonenden Wörtern, sowie die Tendenz, sich bildhaft oder beschönigend auszudrücken.

4.3.1. Veränderung der Sache

Vor der Entwicklung der Zivilisation zeugen mehrere Wörter davon, deren Bedeutung sich an neue technische, kulturelle und gesellschaftliche Verhältnisse angepasst hat, während die ursprüngliche Bezeichnung beibehalten wurde:

  • Hammer bedeutete eigentlich „Felsen, Stein“ und zeigt, dass die ältesten Werkzeuge aus Stein gemacht waren.
  • Schlüsselbein verrät durch die Form dieses Knochens, dass die ersten primitiven Schlüssel aus einem leicht gebogenen Knochen bestanden haben müssen.
  • Kappe war in mittelhochdeutscher Zeit ein Mantel mit Kapuze.

4.3.2. Tendenz zum bildhaften Ausdruck (Metapher und Metonymie)

Sehr alt ist die Tendenz, sich in Bildern und Vergleichen auszudrücken. Besonders für die volkstümliche Sprache ist die bildhafte Rede charakteristisch, wie zum Beispiel in der Mundart oder der Sportsprache.

In der Metapher wird ein Ausdruck in übertragenem Sinn gebraucht. Viele der Wörter für geistige Vorgänge sind ursprünglich konkrete Bilder, die wir heute nicht mehr als solche erkennen:

  • erfahren
  • einfallen
  • Einfluss
  • Vortrag

Die Metapher baut auf Ähnlichkeit in Gestalt, Eigenschaften oder Funktion auf. Oft stammen die Metaphern aus der Tierwelt:

  • Der Wasserhahn erinnert an einen Hahn.
  • Der Kran an den Vogel Kranich mit seinem langen Hals.
  • Der Fleischwolf zerkleinert das Fleisch wie ein hungriger Wolf.

Die Metonymie ist eine andere Art des bildlichen Ausdrucks, die auf einem räumlichen, zeitlichen oder ursächlichen Zusammenhang beruht. Beispiele hierfür sind:

  • Frauenzimmer (für die Frauen im Zimmer)
  • Handelskammer (für die Institution)

Hierher gehören auch solche Wörter, die auf Personen- und Ortsnamen zurückgehen und ursprünglich den Erfinder, die Herkunft u. Ä. bezeichnen:

  • Kaiser (nach Julius Caesar)
  • Dahlie (nach dem Botaniker Dahl)
  • Damast (Gewebe aus Damaskus)

Manchmal kann ein Teil für das Ganze verwendet werden (Synekdoche, eine Unterart der Metonymie):

  • Lockenkopf (für die ganze Person)
  • Bleichgesicht
  • Blaujacke (Matrose)

Die Sprache kennt auch eine große Zahl phraseologischer Verbindungen, die oft einen abstrakten Gedanken versinnbildlichen:

  • auf falscher Fährte sein (Jägersprache)
  • etwas mit in Kauf nehmen (Kaufmannssprache)
  • die erste Geige spielen (Musikersprache)

4.3.3. Beschönigende Umschreibung: Euphemismus und Aufwertung

Durch Euphemismen werden unangenehme oder furchterregende Tatsachen verhüllt und beschönigend umschrieben. Manche Euphemismen gehen auf primitive Tabuvorstellungen zurück, nämlich dass man nicht von etwas reden soll, was man in Wahrheit weit wegwünscht, weil es dann vielleicht gerade eintritt. Man glaubt, das Böse zu überlisten, indem man ein unbekanntes Deckwort verwendet:

  • verflixt (statt verflucht)
  • zum Kuckuck (statt zum Teufel)

Durch solche und andere Euphemismen will der Redende den Zuhörer schonen, indem er für Unangenehmes wie Krankheit, besonders Tod, Kriminalität, Erotik oder eventuell ein Fremdwort wählt:

  • unpässlich (statt leicht krank)
  • entschlafen (statt sterben)
  • vollschlank (statt dick)

Euphemismen können auch in bewusster Sprachlenkung für propagandistische Zwecke verwendet werden:

  • Endlösung (Tötung der Juden)
  • Frontbegradigung (Rückzug der deutschen Truppen)

Politische Euphemismen von heute sind:

  • Umsiedler (statt Flüchtlinge)
  • freigestellte Arbeitnehmer (statt Arbeitslose)

Soziale Aufwertung ist eine für unsere Zeit charakteristische Erscheinung. Früher wurde der Mensch mit niedrigem Stand und in abhängigen Verhältnissen sprachlich noch niedriger gestellt. Heute werden unattraktive Berufe sprachlich aufgewertet, oft durch Fremdwörter oder Umschreibungen:

  • Assistent (statt Hausdiener)
  • Servicekraft (statt Dienstmädchen, Putzfrau)

Soziale Abhängigkeit wird nicht mehr gern direkt ausgedrückt:

  • Sonderschule (statt Hilfsschule)
  • sozial benachteiligt (statt arm)

Ebenso vermeidet man Ausdrücke, die für Angehörige anderer Ethnien oder Völker als verletzend aufgefasst werden könnten:

  • Afroamerikaner
  • Afrikaner
  • Farbiger (wird heute oft als veraltet oder beleidigend empfunden)

Auch hier könnte man von einer gewissen Sprachlenkung sprechen, indem die aufwertenden Wörter sozial- und wirtschaftspolitisch eine Funktion haben. Während der Euphemismus neben dem umschriebenen Ausdruck existiert, ersetzt und verdrängt das sozial aufwertende Wort gewöhnlich das alte. Durch Bedeutungsentleerung verlieren diese Wörter jedoch oft ihren aufwertenden Charakter und müssen durch neue ersetzt werden:

  • unterentwickelte Länderentwicklungsbedürftige LänderEntwicklungsländer

4.3.4. Bedarf an stärkeren Ausdrücken (Hyperbel und Litotes)

Die Tatsache, dass manche Wörter durch häufigen Gebrauch abgenutzt wirken, führt zu einem Bedarf an neuen, stärkeren Ausdrücken, besonders in affektgebundenen Situationen. Verstärkende Adverbien machen oft eine solche Abschwächung mit: Das heute farblose sehr bedeutete ursprünglich „schmerzlich“. Es sind vor allem Wörter mit der Bedeutung „gut“, „schlecht“, „groß“ oder einfach verstärkende Adverbien wie „sehr“, die dieser Abnutzungstendenz ausgesetzt sind.

Folglich greift der Sprecher oft zur Übersteigerung (Hyperbel). Wörter wie kolossal, erstklassig, ungeheuer bedeuten oft nicht mehr als „gut“ oder „sehr“. Hier spielt die Umgangssprache eine große Rolle, und noch deutlicher lässt sich diese Tendenz in der Werbesprache verfolgen, wo ständig neue Übersteigerungen nötig sind:

  • Mist- (wie in Mistkerl)
  • blitz- (wie in blitzsauber)
  • super- (wie in superfein)

Auch wenn es um politische Propaganda geht, wird oft ein Superlativstil verwendet.

Verwandte Einträge: