Biomechanik und Neuronale Kontrolle der Fortbewegung

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Grundlagen der Fortbewegung

Gehen ist eine Bewegung, bei der sich der gesamte Körper fortbewegt, mit wechselnden Bewegungen der gegenüberliegenden Körperseiten.

Phasen der Gehbewegung

Die Gehbewegung besteht aus zwei wichtigen Phasen:

  • Standphase: Beide Beine haben Kontakt zum Boden.
  • Schwungphase: Nur ein Bein hat Kontakt zum Boden.

Übergang vom Gehen zum Laufen

Der Übergang vom Gehen zum Laufen erfolgt oft unwillkürlich. Die Gehgeschwindigkeit ist dabei, abhängig von der Länge des Unterschenkels, bei etwa 2,5 m/s nahezu konstant. Es gibt einen Punkt, an dem Gehen mehr Energie erfordert als Laufen. An diesem Punkt stoppt man das Gehen, um mit dem Laufen zu beginnen.

Unterschiede zwischen Gehen und Laufen

Obwohl beide Gangmuster kontrollierte Stürze sind, gibt es wesentliche Unterschiede:

  • Gehen: Ein kontrollierter Fall, bei dem wir uns aufrichten und wieder absinken.
  • Laufen: Ein kontrollierter Fall, bei dem wir einen stärkeren Rebound nutzen. Wir springen und bewegen uns springend fort, da Trägheit und Muskeln wie Federn wirken (kontrahieren und entspannen, klassische Energie).

Die Balance ändert sich sowohl beim Gehen als auch beim Laufen sehr wenig und ist nahezu konstant. Beim Gehen gibt es keine ballistische Phase, während beim Laufen eine ballistische Phase auftritt.

Ballistische und Nicht-Ballistische Bewegungen

Eine ballistische Bewegung wird vorab programmiert und kann während der Ausführung nicht mehr wesentlich korrigiert werden. Sie erfolgt im offenen Regelkreis. Beispiele hierfür sind das Werfen oder bestimmte schnelle, einmalige Bewegungen.

Nicht-ballistische Bewegungen hingegen können während der Ausführung angepasst und korrigiert werden. Sie erfolgen im geschlossenen Regelkreis.

Die Balance, sowohl beim Gehen als auch beim Laufen, ist eine nicht-ballistische Bewegung, die im geschlossenen Regelkreis erfolgt und ständige Anpassungen ermöglicht. Das Halten des Stillstands ist ebenfalls eine nicht-ballistische Bewegung, die im geschlossenen Regelkreis ausgeführt wird.

Vorteile ballistischer Bewegungen

Ballistische Bewegungen sind schneller und komfortabler, da sie keine ständige bewusste Kontrolle oder Planung erfordern. Sie treten oft mit größerer Kraft auf. Ein Beispiel ist der Wechsel eines Coxe-Marx-Rades.

Vorteile nicht-ballistischer Bewegungen

Nicht-ballistische Bewegungen können 'on the fly' gesteuert und Fehler während der Ausführung korrigiert werden.

Synergien beim Gehen

Das Gehen weist eine Reihe von Synergien auf: Es gibt mehrere Bewegungen, die gemeinsam auftreten, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht miteinander in Beziehung zu stehen scheinen, z.B. das Schließen der Augen beim Niesen. Auch die Armbewegungen beim Gehen sind synergistisch. Zudem sind der Knie- und der Kopfwinkel korreliert. Die Balance des Fußes, die Winkel-Winkel-Beziehungen, Extension, Flexion und die Bewegungsketten (vorwärts/rückwärts) tragen dazu bei, dass Gehen eine normale und flüssige Bewegung ist, die durch diese Synergien ermöglicht wird.

Neuronale Kontrolle der Fortbewegung

Es ist bekannt, dass das zentrale Nervensystem (ZNS) die Gehbewegungen auf physiologischer Ebene reguliert.

Rhythmische Bewegungen (Kontraktionen und Beugungen) entstehen im Rückenmark, da sie mit einfachen Reflexen verbunden sind. Ohne das Gehirn könnten rhythmische Bewegungen erzeugt werden, jedoch wären für das Gleichgewicht und die Koordination beim Gehen das Kleinhirn und visuelle Informationen erforderlich.

Hypothese der Reflexkette bei der Fortbewegung

Der Rhythmus der Gehbewegung wird durch eine Reihe miteinander verketteter Reflexe erzeugt (E1 → R1 → E2 → R2 → E3 → R3...). Man ging davon aus, dass die Bewegung durch eine Kette von Reflexen erzeugt wird. Die Reize, die den Rhythmus des Gehens steuern, sind sensorische und propriozeptive Informationen von Muskeln und Sehnen.

Sensorische Informationen gelangen über die dorsalen Wurzeln ins Rückenmark, und motorische Befehle kommen aus dem ventralen Teil. Ein Reiz, der Informationen über unsere aktuelle Position liefert, löst eine Antwort aus, die zu Veränderungen der Körperlage führt und wiederum den Reiz verändert.

Fiktives Experiment zur Fortbewegung

Es wurde ein Experiment durchgeführt, um die Richtigkeit der Hypothese zu überprüfen. Dabei wurde dem Organismus die Stimulation entzogen, die er normalerweise erhält. Dies wurde auf drei Arten erreicht:

  • Trennung des Rückenmarks vom Gehirn, wodurch visuelle Informationen, Gleichgewichtsinformationen, Hören usw. nicht mehr empfangen werden.
  • Durchtrennung der dorsalen Wurzeln, um propriozeptive Informationen zu eliminieren.
  • Lähmung der Muskeln, die sensorische Informationen senden, z.B. durch Substanzen wie Curare.

Rolle des Gehirns bei der Fortbewegung

Obwohl rhythmische Bewegungen auch ohne Gehirn erzeugt werden können, sind für Gleichgewicht, Koordination und die Verarbeitung visueller Informationen beim Gehen das Kleinhirn und andere Gehirnregionen unerlässlich.

Entwicklung der Gehbewegung

Reifung motorischer Zentren und Neugeborenenreflexe

Die Reifung motorischer Zentren ermöglicht es, Neugeborenenreflexe zu hemmen oder zu modifizieren. Innerhalb der Neugeborenenreflexe unterscheidet man zwischen temporären und permanenten Reflexen.

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