Chemische Prozesse: Enthalpie, Reaktionskinetik und Erdölraffination

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Enthalpie einer Reaktion (ΔH)

Wenn ein Prozess bei konstantem Druck stattfindet, wird die Reaktionswärme als **Enthalpieänderung (ΔH)** bezeichnet. Unter Standardbedingungen (1 atm Druck und 25 °C) wird dies als ΔH⁰ geschrieben. Die Enthalpie ist eine relative Größe, die den Energieunterschied zwischen dem Anfangs- und Endzustand des Systems beschreibt. Daher wird die Enthalpieänderung gemessen.

Standard-Bildungsenthalpie (ΔH⁰f)

Die **Standard-Bildungsenthalpie (ΔH⁰f)** ist die Wärme, die absorbiert oder freigesetzt wird, wenn ein Mol einer Verbindung aus ihren Elementen unter Standardbedingungen (1 atm Druck und 25 °C) gebildet wird.

Berechnung der Reaktionsenthalpie

Die **Reaktionsenthalpie** wird berechnet, indem die Summe der Bildungsenthalpien der Reaktanden (multipliziert mit ihren stöchiometrischen Koeffizienten) von der Summe der Bildungsenthalpien der Produkte subtrahiert wird.

Wie chemische Reaktionen ablaufen: Die Kollisionstheorie

Chemische Reaktionen werden durch die Kollision von Molekülen initiiert. Damit beispielsweise A und B zu AB reagieren, müssen sie kollidieren. Nur **effektive Kollisionen** führen zu einer Reaktion. Effektive Kollisionen erfordern, dass die Teilchen:

  1. Mit ausreichender kinetischer Energie aufeinandertreffen.
  2. In der richtigen geometrischen Ausrichtung kollidieren.

Mindestkinetische Energie für effektive Kollisionen

Die minimale kinetische Energie, die für eine wirksame Kollision erforderlich ist, muss erreicht werden. Kollisionen zwischen Teilchen mit einer kinetischen Energie, die größer ist als dieser kritische Wert, sind effektiver.

Die Energiebarriere und Aktivierung

Eine thermodynamisch günstige Reaktion findet nicht notwendigerweise sofort oder abrupt statt, oft erst bei erhöhten Temperaturen. Dies liegt an der Existenz einer **Energiebarriere**, die überwunden werden muss, damit Reaktanden in Produkte umgewandelt werden können. Die Reaktion kann durch eine Erhöhung der Temperatur aktiviert werden.

Aktivierungsenergie (Ea) und Aktivierter Komplex

Die **Aktivierungsenergie (Ea)** ist die Energiedifferenz zwischen dem höchsten Punkt der Energiebarriere und dem Energieniveau der Reaktanden. Diese Energie ist notwendig, um die Bindungen in den Reaktanden zu schwächen. Der Zustand maximaler Energie wird als **aktivierter Komplex** bezeichnet.

Anforderungen für eine erfolgreiche Reaktion:

  • Eine günstige geometrische Anordnung der kollidierenden Teilchen.
  • Eine Kollision mit ausreichender kinetischer Energie, um die Aktivierungsenergie (Ea) zu überwinden.

Reaktionsgeschwindigkeit

Die **Reaktionsgeschwindigkeit** ist definiert als die Änderung der Konzentration der Reaktanden oder Produkte pro Zeiteinheit. Die Standardeinheit ist Mol pro Liter pro Sekunde (mol/(L·s)).

Faktoren, die die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen

1. Art der Reaktanden (Reaktionspartner)

Es gibt keine allgemeinen Regeln hierfür. Reaktionen in ionischen Lösungen sind oft sehr schnell, da Bindungen bereits gebrochen sind und nur eine Neuanordnung stattfindet. Auch schnelle Elektronenaustauschreaktionen zwischen Ionen sind üblich. Exotherme Reaktionen zwischen Gasen laufen ebenfalls typischerweise mit hoher Geschwindigkeit ab.

2. Konzentration der Reaktanden

Die Anzahl der Kollisionen zwischen reaktiven Molekülen ist proportional zur Konzentration der Reaktanden. Wenn die Konzentration erhöht wird, steigt die Reaktionsgeschwindigkeit.

3. Oberfläche (Kontaktbereich)

Bei heterogenen Reaktionen (die in verschiedenen Phasen stattfinden) läuft die Reaktion nur an der Oberfläche ab. Die Geschwindigkeit hängt direkt von der Größe der Oberfläche ab. Daher werden feste Reaktanden oft zerkleinert, um die Oberfläche zu vergrößern. Reaktionen zwischen Gasen laufen sehr schnell ab, da die Kontaktfläche maximal ist.

4. Temperatur

Die Reaktionsgeschwindigkeit wird stark durch die Temperatur beeinflusst. Viele Reaktionen, die bei niedriger Temperatur langsam ablaufen, beschleunigen sich stark, wenn die Temperatur erhöht wird. Mit steigender Temperatur erhöht sich die mittlere kinetische Energie der Moleküle und damit die Anzahl der Moleküle, die die Aktivierungsenergie erreichen.

Katalysatoren und Katalyse

Ein **Katalysator** beeinflusst ausschließlich die Geschwindigkeit einer Reaktion. Seine Wirkung wird als **Katalyse** bezeichnet. Der Katalysator verändert den Reaktionsweg und schafft einen neuen Mechanismus, der eine geringere Aktivierungsenergie erfordert.

  • **Positive Katalysatoren** (Beschleuniger) senken die Aktivierungsenergie.
  • **Negative Katalysatoren** (Inhibitoren) verlangsamen die Reaktion.

Charakteristisch ist, dass bereits eine sehr kleine Menge des Katalysators die Reaktionsgeschwindigkeit signifikant verändert. Eine wichtige Klasse von Biokatalysatoren sind die **Enzyme**, die biologische Prozesse in Organismen regulieren.

Kohlenwasserstoffe: Alkane, Alkene und Alkine

Alkane (gesättigte Kohlenwasserstoffe)

  • Die ersten vier Alkane sind Gase bei Raumtemperatur.
  • C5 bis C17 sind Flüssigkeiten; ab C18 sind sie Feststoffe.
  • Mit steigendem Molekulargewicht steigen Schmelz- und Siedepunkte.
  • Je verzweigter die Kette, desto niedriger der Siedepunkt.
  • Als unpolare Verbindungen sind sie in unpolaren Lösungsmitteln löslich.
  • Die Dichte der Alkane steigt mit der C-Zahl und nähert sich 0,8 g/cm³.

Eigenschaften und Verwendung von Alkanen

Die Hauptquellen sind Erdöl und Erdgas. Alkane reagieren weder mit Säuren noch mit Basen. Sie werden hauptsächlich als Kraftstoffe verwendet.

Alkene (ungesättigte Kohlenwasserstoffe)

Alkene (mit weniger als vier Kohlenstoffatomen) werden in der Erdölindustrie gewonnen. Sie werden durch die Entfernung von Atomen (Eliminierungsreaktionen) hergestellt.

Reaktivität der Alkene

Alkene sind reaktiver als Alkane. Sie sind durch **Additionsreaktionen** an der Doppelbindung gekennzeichnet.

Alkine (dreifach ungesättigte Kohlenwasserstoffe)

Alkine sind in Wasser unlöslich, aber in organischen Lösungsmitteln löslich. Sie haben eine geringere Dichte als Wasser. Die Siedepunkte steigen mit der Kettenlänge. Alkine sind sehr reaktiv und verbrennen besser als Alkene. Sie gehen ebenfalls **Additionsreaktionen** ein.

Erdöl: Gewinnung und Raffination

Erdöl entsteht durch die anaerobe Zersetzung von organischem Material (wie Fetten), das in Fettsäuren umgewandelt wird. Es wird meist in Lagerstätten gefunden.

**Rohöl** ist ein dunkles, zähflüssiges Produkt, dessen Zusammensetzung je nach Herkunft variiert, aber immer eine Mischung aus gasförmigen, flüssigen und festen Kohlenwasserstoffen sowie Verunreinigungen enthält (typischerweise 90 % Kohlenwasserstoffe).

Verarbeitung von Rohöl

  1. Vorbehandlung: In einer ersten Phase werden Verunreinigungen durch Dekantieren entfernt.
  2. Fraktionierte Destillation: Das Öl wird auf etwa 400 °C erhitzt und durchläuft Destillationstürme. In jeder Stufe scheidet sich die Komponente mit dem jeweils höheren Siedepunkt ab.
  3. Nachbehandlung: Jede Fraktion wird anschließend verschiedenen weiteren Behandlungen unterzogen.

Benzin und Cracken

**Benzin** ist die Fraktion von größtem wirtschaftlichem Interesse. Da bei der Destillation nur etwa 12 % Benzin anfallen, werden längere Kohlenwasserstoffketten (über 12 C-Atome) in kürzere Ketten gespalten. Dieser Prozess wird als **Cracken** bezeichnet.

Phasen des Crackens

Das Öl wird unter Druck (z. B. 500 °C und 12 atm) erhitzt und anschließend destilliert, um die verschiedenen Fraktionen zu gewinnen.

Anforderungen an Benzin

Benzin muss bestimmte Anforderungen erfüllen:

  • Es darf nicht korrosiv sein (dies wird durch einen Prozess namens „Süßen“ verhindert).
  • Es muss eine gute Gemischbildung gewährleisten.
  • Es sollte keine Doppelbindungen enthalten (zur Vermeidung von Polymerisation).
  • Es darf nicht explosiv sein (Antiklopfmittel wie bleifreie Zusätze werden verwendet).

Petrochemie und Veredelungsprozesse

Die **Petrochemie** ist der Zweig der Chemie, der sich mit der Entwicklung von Produkten aus den späteren Phasen der Raffination befasst.

  • Pyrolyse (Thermische Spaltung): Hochtemperatur-Cracken zur Gewinnung von Olefinen (Alkenen), die die Grundlage für die Herstellung von Kunststoffen bilden.
  • Reformierung: Ziel ist die Umwandlung von paraffinischen Kohlenwasserstoffen in aromatische Verbindungen (zur Erhöhung der Oktanzahl).

Nachhaltige Kraftstoffe (Biokraftstoffe)

Bioethanol

Bioethanol ist Alkohol, der durch die Fermentation von Zucker (gewonnen aus Gerste, Weizen oder anderen Pflanzen) hergestellt und Benzin beigemischt wird. Es ist ein energiereicher Kraftstoff und reduziert den Ausstoß von Schadstoffen.

Biodiesel

Biodiesel besteht aus Estern, die durch die Umesterung von Pflanzenölen gewonnen werden. Biodiesel kann Diesel beigemischt werden, erzeugt weniger Umweltverschmutzung und kann in herkömmlichen Motoren verwendet werden.

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