Das chilenische Zivilgesetzbuch: Geschichte, Prinzipien und Struktur

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Das Zivilgesetzbuch: Eine Einführung

Das Zivilgesetzbuch ist eine systematische Sammlung von Vorschriften des Privatrechts, die die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen Personen regelt. Seit dem 19. Jahrhundert haben viele Länder in Europa, Lateinamerika sowie in Teilen Afrikas, Asiens und Ozeaniens Zivilgesetzbücher erlassen.

Die Entstehung des chilenischen Zivilgesetzbuches

Nach der Unabhängigkeit von Spanien behielten die amerikanischen Völker zunächst das alte koloniale Rechtssystem bei. Die jungen Republiken schufen zwar neue Verfassungen und Gesetze, doch die alten zivilrechtlichen Bestimmungen blieben in Kraft, da es an Zeit und Ruhe mangelte, diese zu ersetzen.

Chile erkannte die Notwendigkeit eines eigenen Zivilgesetzbuches und suchte nach einer kompetenten Person für diese Aufgabe. Diese fand man in dem Venezolaner Andrés Bello, der sich kurz nach seiner Ankunft in Chile im Jahr 1831 dieser Aufgabe widmete.

Bello spielte eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Institutionen des neuen chilenischen Staates, insbesondere im Bereich Bildung und Kultur. Er lehrte am Nationalinstitut, war Herausgeber der Zeitschrift „El Araucano“ und von 1843 bis zu seinem Tod Präsident der neu gegründeten Universität von Chile.

Wie bereits erwähnt, war Bello der Hauptverfasser des Zivilgesetzbuches, das 1855 veröffentlicht wurde und bis heute in Kraft ist.

Nach jahrelanger Arbeit legte Bello den Entwurf im Jahr 1855 vor. Präsident Manuel Montt präsentierte ihn dem Kongress zusammen mit einer Botschaft von Andrés Bello vom 22. November 1855. Das Gesetz wurde am 14. Dezember 1855 angenommen und trat am 1. Januar 1857 in Kraft.

Traditionell wurde angenommen, dass die wichtigste Inspirationsquelle für das chilenische Zivilgesetzbuch der Code Civil Napoléon war. Dies trifft zwar auf die Bereiche Verpflichtungen und Verträge zu, jedoch nicht auf andere Bereiche. Die wichtigste Quelle war das Siete Partidas von Alfons X., ein Text des Gewohnheitsrechts.

Grundlegende Prinzipien des Zivilgesetzbuches

Die grundlegenden Prinzipien dieses Kodex sind:

  • Autonomie des Willens (Privatautonomie)
  • Schutz von Treu und Glauben
  • Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung
  • Verantwortung

Struktur des chilenischen Zivilgesetzbuches

Das chilenische Zivilgesetzbuch ist in einen vorläufigen Titel, vier Bücher und einen Schlusstitel unterteilt.

Auslegung der Gesetze

Art. 19

Wenn der Sinn des Gesetzes klar ist, darf man sich nicht über den Wortlaut hinwegsetzen, unter dem Vorwand, seinen Geist zu berücksichtigen. Bei einer dunklen Formulierung kann man jedoch auf den Geist oder die Absicht des Gesetzes zurückgreifen, um es zu interpretieren.

Art. 20

Der Begriff „Gesetz“ ist in seiner natürlichen und offensichtlichen Bedeutung zu verstehen, gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch.

Art. 21

Technische Begriffe einer Wissenschaft oder Kunst sind in dem Sinne zu verstehen, den ihnen die Fachleute dieser Wissenschaft oder Kunst geben, es sei denn, es ergibt sich aus dem Zusammenhang eine andere Bedeutung.

Art. 22

Unklare Stellen eines Gesetzes können durch andere Gesetze erläutert werden, insbesondere wenn sie sich auf dasselbe Thema beziehen.

Art. 23

Die Auslegung eines Gesetzes ist durch seine eigentliche Bedeutung und die Auslegung ähnlicher Vorschriften zu bestimmen.

Art. 24

In Fällen, in denen frühere Auslegungsregeln nicht anwendbar sind, sind unklare oder widersprüchliche Passagen so auszulegen, dass sie dem Geist der Gesetzgebung und der natürlichen Gerechtigkeit am ehesten entsprechen.

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