Deutsches Parteiensystem: Koalitionen, Finanzierung & Lobbyismus
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Das deutsche Parteiensystem: Große Koalitionen
Ein prägendes Merkmal des deutschen Parteiensystems ist das Konzept der Großen Koalition. Diese Bündnisse zwischen den beiden größten politischen Kräften entstanden erstmals 1966 nach einer Regierungskrise, um die Unregierbarkeit zu verhindern. Die Entwicklung hin zu Volksparteien (ehemals „catch-all parties“) ermöglichte eine Annäherung zwischen den großen Parteien. Dennoch gilt eine Große Koalition oft als sichtbares Zeichen einer Krise der Parteiendemokratie und als Hohn für die parlamentarische Demokratie, da sie einen Regierungswechsel erschwert oder verhindert. Sie wird auch als Ausdruck des defensiven Charakters der deutschen Demokratie interpretiert, der sich jedoch letztlich gegen die Demokratie selbst richten kann.
Rolle und Verfassungsmäßigkeit politischer Parteien
Gemäß dem Grundgesetz wirken politische Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei, und ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Parteien fungieren somit als wichtige Vermittler zwischen Bürgern und staatlichen Organen. Das Grundgesetz stellt klar, dass Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu untergraben oder zu beseitigen oder die Existenz der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig sind.
Die Finanzierung politischer Parteien in Deutschland
Die Finanzierung politischer Parteien hat in Deutschland in jüngster Zeit eine sehr wichtige Rolle gespielt. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Fall von Helmut Kohl, dem Kanzler der Einheit, der von seinen Ehrenämtern zurücktreten musste, sich einem Gerichtsverfahren gegenübersah und schließlich eine hohe Geldstrafe zahlen musste, weil er sich weigerte, die Namen der Spender der CDU preiszugeben.
Das Grundgesetz schreibt vor, dass politische Parteien öffentlich Rechenschaft über Herkunft und Verwendung ihrer Mittel und ihres Vermögens abzulegen haben. Gemäß dem Parteiengesetz von 1967 erhalten Parteien staatliche Mittel für Wahlkämpfe. Eine wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1989 erkannte das Recht an, alle Aktivitäten einer Partei zu finanzieren, nicht nur Wahlen. Es wurde jedoch betont, dass diese Mittel keinesfalls 100 % der Parteienfinanzierung ausmachen dürfen. Dies würde die Parteien der Willkür des Staates ausliefern und somit ihre Freiheit bei der Gestaltung des Volkswillens opfern.
Das Verfassungsgericht betonte daher, dass private Finanzierungsquellen (Mitgliedsbeiträge und Spenden) wichtiger sind als öffentliche Mittel. Die jüngste umfassende Reform des Parteiengesetzes erfolgte 1994. Sie passte die staatlichen Direktzuschüsse an, überarbeitete die steuerliche Begünstigung von Beiträgen und Spenden, reduzierte die jährlichen Ausgaben für Werbung und führte die Pflicht zur Vorlage eines Finanzberichts und von Rechenschaftsberichten ein. Unter den verschiedenen Parteien zeichnet sich die SPD durch eine Aufstockung der Mittel aus Mitgliedsbeiträgen aus, während FDP und CSU die größten Empfänger von Spenden sind.
Lobbyismus und Interessengruppen in Deutschland
Lobbyisten und Interessengruppen agieren im Spannungsfeld zwischen Staat und Markt und sind oft durch ihren Non-Profit-Charakter geprägt. In diesem Bereich sind neben politischen Parteien auch Verbände, Kammern und Kirchen angesiedelt. Die Unterschiede zwischen diesen Organisationen werden in der Regel durch Rechtsvorschriften geregelt. Sie unterscheiden sich in ihrer Herangehensweise oder ihrer Distanz zur Verwaltung hinsichtlich ihrer Ziele und Organisation, was wiederum bestimmt, ob sie dem öffentlichen Recht unterliegen oder nicht.
Von großer Bedeutung sind insbesondere die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände aufgrund ihrer zentralen Rolle in der Wirtschaftsordnung. Während Gewerkschaften einen größeren Anteil an den Unternehmensgewinnen für ihre Mitglieder anstreben, zielen Unternehmen darauf ab, ihre Gewinne zu maximieren.
Die Rolle dieser Organisationen bei der Gestaltung des politischen Willens in westlichen Staaten wurde besonders nach dem Zweiten Weltkrieg anerkannt, obwohl ihre Entstehung und Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Arbeitnehmerverbände entstanden als Reaktion auf die schlechten Arbeitsbedingungen im Zuge des kapitalistischen Systems, während Wirtschaftsverbände eine Reaktion auf ausländische Konkurrenz und die zyklischen Krisen dieser Volkswirtschaften waren.
Der Begriff institutionalisierte Interessengruppen beschreibt die quasi-institutionelle Rolle von Verbänden in Deutschland, ein Konzept, das für westliche Demokratien prägend ist. Schätzungsweise rund 5.000 Lobbyisten sind in Deutschland tätig und können gesellschaftliche Prozesse beeinflussen, bei insgesamt über 200.000 eingetragenen Vereinen.