Einführung in die antike griechische Philosophie

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Was ist Philosophie?

Philosophie: Die anhaltende kritische Tätigkeit, Theorien zu entwickeln, um bestimmte Aspekte der menschlichen Erfahrung zu beschreiben, zu erklären oder zu begründen; sie umfasst alle Gebiete des Wissens.

Definition: Philosophie unterscheidet sich von anderen Bereichen durch die Art der gestellten Fragen.

Zweige der Philosophie

  • Metaphysik (oder Ontologie): Untersucht Art, Ursprung und Existenz des Kosmos, des Göttlichen und des Geistes.
  • Epistemologie (Erkenntnistheorie): Theorie des Wissens und der Wahrheit.
  • Logik: Die Wissenschaft von der Rationalität und dem Schlussfolgern.
  • Ethik: Untersucht Recht und Unrecht, Gut und Böse.
  • Sozial- und politische Philosophie: Untersucht gute Formen menschlicher Gesellschaften und Kulturen.
  • Ästhetik: Untersucht Kunst und Schönheit.

Historischer Kontext

  • Zeitgenössische Schulen (ca. 1900–Gegenwart): Kontinentale (Europa), Analytische (UK/USA).
  • Antike: Westliche und östliche Philosophie.

Grundlegende Konzepte

  • Mythos vs. Logos:
    • Mythos: Erklärung von Naturphänomenen durch Übernatürliches.
    • Logos: Erklärung von Naturphänomenen durch naturalistische Begründungen.
  • Methodik:
    • Dialogische Methode: Alle Aussagen werden durch Fragen analysiert, um innere Mängel aufzudecken (vgl. Sokratische Methode).

Vorsokratiker: Suche nach der Arché

Definition: Die ersten westlichen Philosophen; die meisten lebten vor Sokrates oder waren nicht von seiner Philosophie beeinflusst.

Ziele:

  1. Die Arché (griechisch: Grundprinzip, Urstoff) erkennen und verstehen.
  2. Theogonien (Geschichten über den Ursprung göttlicher Wesen) durch naturalistische Erklärungen ersetzen.

Thales von Milet (ca. 625–547 v. Chr.)

  • Gilt als erster Philosoph (Quelle: Aristoteles).
  • Soll die Sonnenfinsternis von 585 v. Chr. vorhergesagt haben.
  • Brachte Wissen aus Ägypten nach Griechenland.
  • Arché = Wasser (Begründung: veränderlich, lebensnotwendig, reichlich vorhanden).

Anaximander (610 – ca. 547 v. Chr.)

  • Schüler von Thales.
  • Erfand den Gnomon (Sonnenuhr).
  • Gilt als erster (Welt-)Kartograph.
  • Arché = Apeiron (Das Unbestimmte, Unbegrenzte, Grenzenlose).
    • Eigenschaften: Ursprünglich, namenlos, formlos; besitzt potenziell alle Eigenschaften.
    • Erklärung der Ordnung: Entsteht aus internen Mechanismen der Natur.

Anaximenes (um 545 v. Chr.)

  • Schüler von Thales oder Anaximander.
  • Arché = Luft (Begründung: Neutral, aber formbar).
  • Erklärung für materielle Unterschiede: Entstehen durch Verdichtung und Verdünnung der Luft.

Pythagoras (ca. 580/572 – ca. 500 v. Chr.)

  • Wirkte in Süditalien.
  • Gründete eine Schule, die 400 Jahre bestand.
  • Bemerkenswert: Nahm Frauen auf (z. B. Theano, seine Ehefrau, und Töchter).
  • Die Pythagoreer: Arché = Zahlen.
  • Glaubten an die Unsterblichkeit der Seele und Reinkarnation (Seelenwanderung).

Heraklit (ca. 540 – ca. 480 v. Chr.)

  • Stammte aus Ephesos (Kleinasien).
  • Zitat: "Vielwisserei lehrt nicht Verstand." (Bedeutung: Wissen ist mehr als Faktensammlung).
  • Arché = Feuer (Symbol des ständigen Wandels, panta rhei - alles fließt).
  • Merkmale der Arché (des Logos/Weltgesetzes): Rational, objektiv, gesetzmäßig, intelligent, lenkt alle Dinge; schwer zu verstehen, aber nicht unmöglich; göttlich, allgegenwärtig, aber unpersönlich.
  • Problem der Identität: Hinterfragte Kriterien der Gleichheit bei ständigem Wandel.

Parmenides von Elea (ca. 515 – 440 v. Chr.)

  • Dichter und Philosoph, wohlhabend.
  • Betonte Logik und Methoden der Untersuchung.
  • Gegenspieler von Heraklit (Wandel vs. Sein).
  • Lehre: Nur das Seiende (das, was ist und nicht nicht-sein kann) ist denkbar und erkennbar. Das Nicht-Seiende ist undenkbar. Das Werden (Entstehen/Vergehen) ist bloßer Schein und Gegenstand von Meinungen (doxa), nicht von Wissen (episteme).
  • Arché = Das Eine Sein (unveränderlich, ungeteilt, unbeweglich, ewig, kugelförmig).

Empedokles (ca. 490 – 430 v. Chr.)

  • Stammte aus Sizilien; Dichter, Arzt.
  • Vier-Elemente-Theorie: Alle Materie besteht aus Erde, Wasser, Luft und Feuer.
  • Erklärung des Wandels: Die vier Elemente selbst sind unveränderlich, aber ihre Mischungsverhältnisse ändern sich.
  • Treibende Kräfte des Wandels: Liebe (vereinigt) und Streit (trennt).

Anaxagoras (ca. 500 – 428 v. Chr.)

  • Brachte die Philosophie von Ionien nach Athen.
  • Unterscheidung von Geist (Nous) und Materie.
  • Nous: Geist, Vernunft; feinste, immaterielle Substanz, die alles ordnet und bewegt.
  • Arché = Samen (Spermata): Unendlich viele, qualitativ verschiedene, unendlich teilbare Partikel; in allem ist ein Anteil von allem.

Leukipp & Demokrit (Die Atomisten)

  • Arché = Atome und Leere: Atome sind unteilbare, unveränderliche, feste Partikel, die sich in der Leere bewegen.
  • Unterschiede der Dinge ergeben sich aus Form, Anordnung und Lage der Atome.
  • Keine Teleologie: Alles geschieht aufgrund von Notwendigkeit (Kausalität), nicht aufgrund eines Zwecks (Telos = Ziel).
  • Determinismus: Alle Ereignisse sind durch vorherige Ursachen festgelegt; kein freier Wille.

Sokrates (469–399 v. Chr.)

  • Lebte in Athen; Steinmetz, ehemaliger Soldat; Ehefrau: Xanthippe.
  • Hinterließ keine eigenen Schriften; bekannt durch Werke anderer:
  • Hauptquellen: Platon (Philosoph), Xenophon (Historiker), Aristophanes (Dramatiker).
  • Gegner der Sophisten.

Die Sophisten

  • Begründer u.a.: Protagoras ("Der Mensch ist das Maß aller Dinge.").
  • Waren umherziehende Lehrer, die Rhetorik und Argumentationskunst gegen Bezahlung lehrten.
  • Ziel oft: Argumente gewinnen, unabhängig vom Wahrheitsgehalt.
  • Behaupteten oft, alles lehren oder jede Frage beantworten zu können.

Sokratische Methode und Wissen

  • Sokrates bekannte seine Unwissenheit ("Ich weiß, dass ich nichts weiß.").
  • Orakel von Delphi: Verkündete, niemand sei weiser als Sokrates (weil er seine Unwissenheit erkenne).
  • Sokratische Methode (Mäeutik, Elenktik): Dialogisches Verfahren zur Wahrheitsfindung durch gezielte Fragen, Aufdecken von Widersprüchen und Scheinwissen.

Die Anklage gegen Sokrates (Platons Apologie)

  • 399 v. Chr. zum Tode verurteilt.
  • Offizielle Anklagepunkte (durch Meletos u.a.):
    1. Verderben der Jugend.
    2. Nichtanerkennung der Götter der Stadt (Asebie) und Einführung neuer Gottheiten.
  • Sokrates' Verteidigung (laut Platon): Er habe durch seine prüfenden Gespräche einflussreiche Bürger (Politiker, Dichter, Handwerker) verärgert und deren Scheinwissen aufgedeckt. Er wurde fälschlicherweise mit Sophisten oder Naturphilosophen verwechselt.
  • Vollstreckte sein Urteil selbst durch Trinken des Schierlingsbechers.

Platon (ca. 428 – 347 v. Chr.)

  • Eigentlicher Name: Aristokles; Schüler von Sokrates, stammte aus vornehmer Familie.
  • Begann philosophisch möglicherweise als Anhänger Heraklits.
  • Gründer der Akademie in Athen (ca. 387 v. Chr.), eine der ersten institutionalisierten Schulen Europas.
  • Hervorragender Schriftsteller; verfasste philosophische Dialoge, oft mit Sokrates als Hauptfigur.

Ideenlehre (u.a. in Politeia, Phaidon)

  • Ideen (Formen): Ewige, unveränderliche, nur geistig erfassbare Urbilder oder Wesenheiten der Dinge (z. B. die Idee des Guten, des Schönen, des Stuhls). Sie sind die wahre Realität hinter der sinnlich wahrnehmbaren Welt.
  • Merkmale der Ideen: Ewig, unveränderlich, unkörperlich, vollkommen.
  • Die sinnlich wahrnehmbaren Dinge sind nur unvollkommene Abbilder der Ideen.

Erkenntnistheorie (u.a. in Theaitetos, Menon)

  • Wissen (episteme) vs. Meinung (doxa): Wahres Wissen bezieht sich auf die Ideen, während Meinungen sich auf die veränderliche Sinnenwelt beziehen.
  • Definition von Wissen oft als: Wahre, gerechtfertigte Meinung.
  • Anamnesis-Lehre (Wiedererinnerung, in Menon): Lernen ist keine Neuaufnahme von Wissen, sondern eine Wiedererinnerung der Seele an die Ideen, die sie vor der Geburt geschaut hat.
  • A priori vs. A posteriori:
    • A priori Urteil/Erkenntnis: Unabhängig von Sinneserfahrung, durch reines Denken (z. B. Logik, Mathematik, Erkenntnis der Ideen).
    • A posteriori Urteil/Erkenntnis: Beruht auf Sinneserfahrung.

Glossar philosophischer Begriffe

Akademische Skepsis
Position von Philosophen des 3. und 2. Jh. v. Chr. in Platons Akademie; vertraten, dass sicheres Wissen unerreichbar sei.
Agoge
Altgriechischer Begriff für Erziehung, Lebensführung, Lebensweise.
Anamnesis
Platons Lehre der Wiedererinnerung der Seele an die Ideen.
Apeiron
Begriff von Anaximander für das Unbegrenzte, Unbestimmte als Urgrund (Arché).
A posteriori
Erkenntnis oder Urteil, das auf Sinneserfahrung beruht.
A priori
Erkenntnis oder Urteil, das unabhängig von Sinneserfahrung durch reines Denken gewonnen wird.
Arché
Griechisch für Anfang, Ursprung, Grundprinzip; zentraler Begriff der Vorsokratiker für den Urstoff oder das Urprinzip der Welt.
Argument
Eine Reihe von Aussagen (Prämissen), die eine andere Aussage (Konklusion) begründen sollen.
Argumentum ad hominem
Fehlschluss, bei dem eine Aussage durch Angriff auf die Person, die sie vertritt, widerlegt werden soll.
Argumentum ad passiones
(Appell an die Emotionen) Versuch, durch Erregen von Gefühlen (Mitleid, Wut, Angst) zu überzeugen, statt durch sachliche Gründe.
Ataraxia
Griechisch für Unerschütterlichkeit, Seelenruhe; Idealzustand u.a. bei Epikureern und Skeptikern.
Atomismus
Lehre (von Leukipp und Demokrit), dass die Welt aus unteilbaren Teilchen (Atomen) und leerem Raum besteht.
Determinismus
Auffassung, dass alle Ereignisse durch vorhergehende Ursachen eindeutig festgelegt sind.
Doxa
Griechisch für Meinung, Glaube; im Gegensatz zu gesichertem Wissen (Episteme).
Episteme
Griechisch für Wissen, Wissenschaft; gesichertes, begründetes Wissen.
Epistemologie
(Erkenntnistheorie) Zweig der Philosophie, der sich mit den Bedingungen, dem Ursprung und den Grenzen menschlichen Wissens befasst.
Epoche
In der Skepsis die Enthaltung des Urteils über die Wahrheit oder Falschheit einer Aussage.
Ethik
(Moralphilosophie) Zweig der Philosophie, der sich mit Moral, Werten und Normen des Handelns befasst (Was ist gut? Was sollen wir tun?).
Falsches Dilemma
Fehlschluss, bei dem suggeriert wird, es gäbe nur zwei Alternativen, obwohl tatsächlich mehr existieren.
Gedankenexperiment
Methode, bei der eine hypothetische Situation durchdacht wird, um philosophische Einsichten zu gewinnen oder Theorien zu prüfen.
Hellenistische Zeit
Epoche der griechischen Geschichte von Alexander dem Großen (ca. 336 v. Chr.) bis zur römischen Eroberung (ca. 30 v. Chr.); Blütezeit von Stoizismus, Epikureismus, Skepsis.
Ideenlehre
Zentrale Lehre Platons, nach der die sinnlich wahrnehmbaren Dinge nur Abbilder von ewigen, unveränderlichen geistigen Urbildern (Ideen) sind.
Konzeptualismus
Erkenntnistheoretische Position im Universalienstreit: Universalien (Allgemeinbegriffe) existieren nur als Begriffe im menschlichen Geist.
Logik
Lehre vom folgerichtigen Denken und Schließen.
Logos
Griechisch für Wort, Rede, Vernunft, Weltgesetz; bei Heraklit das vernünftige Prinzip, das die Welt ordnet.
Metaphysik
(Ontologie) Zweig der Philosophie, der sich mit den grundlegendsten Fragen der Wirklichkeit befasst (Was ist Sein? Was existiert?).
Mythos
Erzählung, oft über Götter und Helden, die Weltentstehung, Naturphänomene oder gesellschaftliche Ordnungen erklärt.
Neuplatonismus
Philosophische Strömung (3.–6. Jh. n. Chr.), die Platons Lehren weiterentwickelte, oft mit mystischen Elementen (z. B. Plotin).
Nominalismus
Position im Universalienstreit: Universalien sind bloße Namen oder Worte; real sind nur Einzeldinge.
Non sequitur
Lateinisch für "es folgt nicht daraus"; ein Fehlschluss, bei dem die Konklusion nicht logisch aus den Prämissen folgt.
Nous
Griechisch für Geist, Vernunft; bei Anaxagoras das ordnende Prinzip, das die Materie bewegt.
Ontologie
Teilgebiet der Metaphysik, die Lehre vom Sein und Existierenden.
Petitio Principii
(Zirkelschluss) Fehlschluss, bei dem das, was bewiesen werden soll, bereits in den Prämissen vorausgesetzt wird.
Philosophie
"Liebe zur Weisheit"; die kritische und systematische Untersuchung grundlegender Fragen über Existenz, Wissen, Werte, Vernunft, Geist und Sprache.
Politische Philosophie
Zweig der Philosophie, der sich mit Fragen über Staat, Herrschaft, Gerechtigkeit, Freiheit und politische Ordnung befasst.
Prinzip des ausgeschlossenen Widerspruchs
Logisches Grundprinzip: Eine Aussage und ihr Gegenteil können nicht gleichzeitig wahr sein.
Pyrrhonische Skepsis
(nach Pyrrhon von Elis) Radikale Form der Skepsis, die zur Urteilsenthaltung (Epoche) in allen Fragen rät, um Seelenruhe (Ataraxia) zu erreichen.
Realismus (im Universalienstreit)
Position, dass Universalien eine vom menschlichen Geist unabhängige Realität besitzen.
Red Herring
(Ablenkungsmanöver, Ignoratio elenchi) Fehlschluss, bei dem ein irrelevantes Thema eingeführt wird, um von der eigentlichen Frage abzulenken.
Reductio ad absurdum
Beweisverfahren, bei dem eine Annahme widerlegt wird, indem gezeigt wird, dass sie zu absurden oder widersprüchlichen Konsequenzen führt.
Schöpfung ex nihilo
Lateinisch für "Schöpfung aus dem Nichts"; theologisches Konzept, dass Gott die Welt ohne vorausgehende Materie erschaffen hat.
Skepsis
Philosophische Haltung des Zweifels an der Möglichkeit sicheren Wissens.
Sokratische Methode
(Mäeutik, Elenktik) Dialogisches Verfahren zur Erkenntnisgewinnung durch Fragen, Prüfen von Antworten und Aufdecken von Widersprüchen.
Sophisten
Umherziehende Lehrer der Rhetorik und Philosophie im antiken Griechenland (5./4. Jh. v. Chr.).
Sozialphilosophie
Zweig der Philosophie, der sich mit dem Wesen der Gesellschaft, sozialen Strukturen und Institutionen befasst.
Strohmann-Argument
Fehlschluss, bei dem die Position des Gegners verzerrt oder vereinfacht dargestellt wird, um sie leichter widerlegen zu können.
Teleologie
Lehre, dass Ereignisse oder Entwicklungen durch Zwecke oder Ziele bestimmt sind.
Telos
Griechisch für Ziel, Zweck, Ende.
Theogonie
Griechisch für "Götterentstehung"; Erzählung oder Lehre vom Ursprung der Götter.
Tropen (der Skepsis)
Argumentationsmuster oder -schemata, die von antiken Skeptikern verwendet wurden, um die Unmöglichkeit sicheren Wissens aufzuzeigen (z. B. die Zehn Tropen des Aenesidemus).
Umkehrung der Beweislast
Fehlerhafte Argumentation, bei der gefordert wird, dass der Gegner die Nichtexistenz oder Falschheit einer Behauptung beweisen soll, anstatt die eigene Behauptung zu begründen.
Universalien
Allgemeinbegriffe (z. B. "Mensch", "Röte"), deren ontologischer Status (Existenzweise) im Universalienstreit diskutiert wird.

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