Entschulungstheorie: Kritik und Alternativen zur Schule
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Punkt 5d der Entschulungstheorie
In den 1960er Jahren führten soziale, wirtschaftliche, wissenschaftliche und technologische Entwicklungen sowie das Aufkommen audiovisueller Medien und Informationstechnologien zu einer kritischen Betrachtung des Bildungssystems. Die bestehende Schule wurde als veraltet, nutzlos, langsam, ineffizient, schlecht organisiert und zu teuer angesehen. Zudem wurde angezweifelt, ob die Schule soziale Ungleichheiten beseitigen und Hochschulabschlüsse den Zugang zum Arbeitsmarkt sichern könnten.
Die Gruppe von Autoren und Strömungen, die die Entschulung und die Schließung von Schulen forderten, wird als Theorien der Entschulung bezeichnet. Im Folgenden werden einige dieser Theorien näher beleuchtet:
1. Das Klassenzimmer ohne Wände (MacLuhan, 1964)
Marshall McLuhan wies darauf hin, dass Bildung auch außerhalb des Klassenzimmers stattfindet. Er plädierte für eine Rückkehr zur Kulturalisierung in der sozialen Struktur, in der sich das Kind befindet. Für McLuhan findet der Großteil des Lernens außerhalb der Schule statt, durch Medien wie Presse, Zeitschriften, Film, Fernsehen und Radio. Diese bieten eine Fülle von Informationen, die Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen ergänzen können.
McLuhan schlug vor, herkömmliche Klassenzimmer aufzubrechen, um die Isolation der Lernenden vom Leben zu überwinden. Er sah in neuen Technologien und Medien eine unterhaltsame Form der Unterstützung, die das pädagogische Prinzip "Was Freude macht, lehrt umso effektiver" verwirklichen könnten. Zudem könnten sie zur Demokratisierung der Kultur beitragen und die gesamte Gesellschaft in eine Bildungseinrichtung verwandeln – ein Klassenzimmer ohne Wände.
2. Die Entschulung der Gesellschaft (Illich)
Ivan Illich argumentierte, dass das meiste Wissen außerhalb der Schule erworben wird. Er kritisierte die Trennung zwischen Schule und Leben und die Vorstellung, dass pädagogische Funktionen nur von Absolventen mit bestimmten Kenntnissen oder Fähigkeiten ausgeübt werden können. Illich bestritt, dass Kinder in Schulen gehören, dass sie nur dort lernen und dass nur in der Schule gelehrt werden kann. Seiner Meinung nach lernen Kinder trotz der Lehrer und der Schule, nicht wegen ihnen.
Als Alternative schlug Illich vor, die Bildungskontrolle auf die gesamte Gesellschaft auszuweiten. Die Schule sollte aus ihrer physischen Umgebung heraustreten und sich in der Gesellschaft verbreiten. Eine weitere Möglichkeit wäre der Einsatz moderner Technologien als Hilfsmittel, jedoch mit Bedacht. Illich schätzte das informelle Lernen, basierend auf dem freien Zugang zu Natur, Werkzeugen und zwischenmenschlichen Beziehungen.
3. Die alternative Pädagogik (Reimer)
Everett Reimer kritisierte die Schule als verantwortlich für negative Umgebungen, die der psychischen Gesundheit schaden und das Wesen des Menschen als Person zerstören. Für ihn dient die Schule nur dazu, Kinder und Jugendliche zu behüten und soziale Mythen durch den heimlichen Lehrplan zu vermitteln, wie Chancengleichheit, Freiheit, Fortschritt und Wirksamkeit.
Reimer forderte eine Alternative zur bestehenden Schule, eine demokratische Institution des öffentlichen Dienstes und Netzwerke von Menschen mit der Absicht, anderen etwas mitzuteilen. Diese Institutionen sollten nicht mehr qualifizierte Netzwerke von Bildungsobjekten, Modellen, Fähigkeiten und Peer-Gruppen sein.
Er betonte auch die Bedeutung der Bildungstechnologie, um Informationen über Bildungsziele und -inhalte zu sammeln und demokratisch zugänglich zu machen.
4. Die obligatorische Fehlerziehung (Goodman)
Paul Goodman kritisierte die Schule als repressiv gegenüber Kindern, da sie deren Freiheit einschränke und die Entwicklung ihrer Persönlichkeit behindere. Seine Position war jedoch weniger radikal, da er die Abschaffung der Schule nur für einige Kurse und Klassen forderte. Seine Hauptthese war, dass die Schulpflicht abgeschafft werden sollte, während die Schulen in kleine Einheiten dezentralisiert werden sollten, um eine persönlichere Ausbildung zu ermöglichen.
Goodmans Alternative waren Schulen, die auf persönlicher Freiheit und der aktiven Rolle der Schüler in ihrer eigenen Ausbildung basieren. Er schlug auch vor, dass alle Schüler vor dem College eine mehrjährige Arbeitserfahrung sammeln sollten, und forderte die Abschaffung der Wettbewerbsfähigkeit als Auswahlkriterium an Universitäten.
Goodman wollte, dass das Kind aus eigenem Antrieb lernt, unterstützt von einer Gesellschaft, die positive Ermutigung bietet, anstatt Zwang, Unterdrückung und Pflichten, die seiner Meinung nach die Tugenden zerstören, die jede Bildung besitzen sollte: Freiheit, Autonomie, Respekt, Vertrauen usw.
5. Globale Alternativen (Faure, Coombs)
Globale Alternativen zielten nicht auf die Abschaffung von Bildungseinrichtungen ab, sondern auf die Schaffung einer lernden Gesellschaft und einer Bildungsstadt. Die UNESCO gab 1971 eine Studie über die Bildungssituation in der Welt in Auftrag. Das Ergebnis war der Bericht "Learning to be", der besagt, dass Bildung nicht nur das Erbe der Schule ist und nicht nur einigen wenigen oder bestimmten Altersgruppen vorbehalten sein sollte.
Jeder sollte in der Lage sein, sein ganzes Leben lang zu lernen. Dafür muss die Gesellschaft die Bildung demokratisieren, eine vollständige Abdeckung gewährleisten und gleichzeitig mehrere Varianten der non-formalen Bildung entwickeln. Bildung muss die Schule verlassen und zu einer Konstante im Leben des Menschen werden. Daher sollte an einer Revitalisierung des lebenslangen Lernens in Unternehmen und in der Welt im Allgemeinen gearbeitet werden.
6. Entschulung in der Praxis: Die internationale Bewegung (Holt)
John Holt kritisierte die Schule als eine Katastrophe für Kinder. Er argumentierte, dass die Schule die pädagogischen Fähigkeiten des Kindes sowie seine Freiheit und seinen unabhängigen Geist aufhebt, die Denkfähigkeit unterbindet und die Unabhängigkeit einschränkt. Er kritisierte auch den Lehrerzentrismus, die mangelnde Zusammenarbeit und die fehlende Kommunikation und Freiheit in der Bildung.
Holt schlug ein alternatives Bildungssystem vor, das die Familie einbezieht und die Schule unterdrückt. Er initiierte die Veröffentlichung einer Zeitschrift, um Eltern zu beraten, wie sie ihre Kinder zu Hause erziehen können. Diese Bewegung basiert auf der Überzeugung, dass nirgendwo sonst als zu Hause eine kohärente und konsequente Erziehung von Geburt an möglich ist.
Bis zum Alter von etwa sechs Jahren sind die grundlegenden Bildungsbereiche Imitation, Spiel und Sprache. Ab diesem Alter gewinnt die Bildung des Gefühls, des Willens, der Sensibilität sowie die moralische und soziale Bildung an Bedeutung. Ein weiterer Aspekt, der in dieser Art der Ausbildung betont wird, ist, dass Kinder für sich selbst lernen und gleichzeitig für die Pflege des Hauses verantwortlich sind, ohne Freizeit und Spiel zu unterbrechen. In Spanien hatte diese Bewegung seit August 1989 ihre Zeitschrift "Lernen ohne Schule", die die Erziehung der Kinder von zu Hause aus fördert. Das Problem in Spanien ist jedoch die kostenlose und obligatorische Schulbildung bis zum Alter von 16 Jahren, sodass Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken, mit Strafen rechnen müssen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entschulungstheorie die traditionelle Schule kritisiert und verschiedene Alternativen vorschlägt, die von der Nutzung neuer Technologien bis hin zur kompletten Abschaffung der Schulpflicht reichen. Diese Theorien betonen die Bedeutung des informellen Lernens, der persönlichen Freiheit und der aktiven Rolle der Lernenden in ihrer eigenen Ausbildung.