Entwicklung des deutschen Wortschatzes: Latein & Fremdwörter

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Lateinischer Einfluss auf den deutschen Wortschatz

Die Rolle des Lateinischen in der Gelehrtenwelt

Der Wortschatz: „Mach Latein aus deutschen Wörtern wie Mist und Gabel – um gelehrt zu erscheinen!“ rät der elsässische Dichter Thomas Murner (1475–1537) verbummelten Studenten. Die Gelehrten waren damals zweisprachig. Oft verwendeten sie untereinander eine lateinisch-deutsche Mischsprache, was z. B. aus Luthers Tischgesprächen ersichtlich ist: „Unus Latomus ist der feinst scriptor contra me gewest“ (463); „quia Diabolus schlegt eim verbum auf den Kopff“ (590). Durch diese Zweisprachigkeit gelangten allmählich viele lateinische Wörter in den allgemeinen Sprachgebrauch.

Historische Entwicklung der lateinischen Lehnwörter

Diese lateinische Sprache hatte seit althochdeutscher Zeit ununterbrochen auf den deutschen Wortschatz eingewirkt, bald stärker. In der Humanistenzeit überflutet die dritte lateinische Welle das Deutsche. Vieles ist kurzlebig geblieben, aber zahlreiche Wörter haben sich eingebürgert. Neu ist, dass nun auch griechisches Wortgut entlehnt wird, oft allerdings durch das Lateinische vermittelt.

Fremdwörter in Fachsprachen und im allgemeinen Gebrauch

Die verschiedenen Fachsprachen, die mit der Entwicklung der Wissenschaften und dem Aufkommen neuer bürgerlicher Berufe entstanden sind, nehmen viele Fremdwörter auf, die dann auch in den allgemeinen Gebrauch übergehen. Manche stehen für neue Begriffe, andere verdrängen ältere deutsche Wörter wie z. B. die Monatsnamen: lateinisch Juli, Dezember für deutsch Heumonat, Christmonat.

Beispiele spezifischer Fachsprachen

  • Verwaltungssprache

    kopieren, Magistrat, Registratur

  • Rechtssprache

    Arrest, Testament, Polizei

  • Medizinische Fachsprache

    Nerv, Patient

  • Mathematik und Geometrie

    plus, Produkt

  • Grammatik

    Konjugation, Konsonant

  • Akademische Fachsprache

    Dissertation, Student

  • Terminologie der höheren Schule

    Examen, Rektor

  • Druckersprache

    Fraktur, Korrektur

Einfluss romanischer Sprachen ab dem 16. Jahrhundert

Seit dem 16. Jahrhundert beeinflussen auch die lateinischen Tochtersprachen die verschiedenen Fachvokabulare. Die Kaufmannssprache und die Musiksprache übernehmen viele Bezeichnungen aus dem Italienischen.

Die Soldatensprache und romanische Lehnwörter

Die Soldatensprache bringt eine große Anzahl romanischer Lehnwörter ins Deutsche, angefangen im 16. Jahrhundert und dann durch die internationalen Söldnerscharen des Dreißigjährigen Krieges verstärkt:

  • Italienisch: Alarm, Soldat
  • Spanisch: Armada, Infanterie
  • Französisch: Bombe, Brigada

Schaffung deutscher Fachbegriffe und Neubildungen

Andererseits bemüht man sich aber auch, deutsche fachsprachliche Wörter zu schaffen, durch Lehnübersetzung oder Lehnübertragung oder durch Neubildung oder Lehnschöpfung: Jahrbücher (annales); Viereck (Quadrat).

Beispiele aus der Bergmannssprache

  • Kobalt (eigentlich ‘Kobold’; wertloses, von den Berggeistern verdorbenes Mineral)
  • Zink (eigentlich Zinke ‘Zacke’, weil das Mineral sich zinkenförmig an den Wänden absetzt)

Entstehung neuer deutscher Wörter und ihre Verbreitung

Viele neue deutsche Wörter entstehen in frühneuhochdeutscher Zeit, besonders Abstrakta auf -ung (Abbildung, Verfolgung). Für ihre Verbreitung haben die lateinisch-deutschen Wörterbücher und die Synonymlisten der Humanisten eine nicht geringe Rolle gespielt, wie auch das durch die humanistische Prosa beliebt gewordene Stilmittel der synonymen Ergänzung: schnell und behend, achten und schätzen.

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