Erneuerung des spanischen Romans im späten 20. Jh.
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Evolution des Romans im späten 20. Jahrhundert
In den 60er Jahren wurde die Erzählkunst des sozialen Romans durch die Veröffentlichung von Tiempo de silencio von Luis Martín-Santos im Jahr 1962 bereichert. Dies leitete eine neue Phase der Erneuerung des spanischen Romans ein. Wir sprechen von einer formalen Erneuerung des Genres durch sprachliche Experimente und die Suche nach komplexen strukturellen Linien, ohne dabei die kritische Fähigkeit zu verlieren.
Man wandte sich vom sozialen Ansatz ab und kehrte zur Phantasie und zur Innenschau des Erzählers zurück. Auch die existenzielle Frage wurde wieder aufgegriffen; Romane thematisierten das absurde menschliche Leben, beeinflusst durch die Wiederentdeckung der Irrationalität sowie philosophische Strömungen wie Existenzialismus und Psychoanalyse. Die Werke sind komplex und oft schwer zu verstehen. Umberto Eco bezeichnete sie als "offene Kunstwerke", da sie vom Leser eine aktive Interpretation verlangen. Deutlich erkennbar ist der direkte Einfluss ausländischer Erneuerer wie Franz Kafka, dessen Innovationskraft zur Abkehr von traditionellen Mustern beitrug.
Der große Erfolg lateinamerikanischer Romane brachte ebenfalls ausländische Einflüsse und fügte Besonderheiten wie Phantasie und Überschwang hinzu. Gleichzeitig wuchs die Macht der Verlage, was eine stärkere Verbreitung der veröffentlichten Werke unterstützte.
Entwicklungen nach 1975
Nach 1975 distanzierten sich Romanautoren von politischen Ansätzen und konzentrierten sich auf private, oft ironische Anekdoten. Später, bei einer gewissen Ermüdung dieser Tendenz, kehrte die Geschichte wieder stärker in die Erzählung zurück. Ab den 80er Jahren wurden die erzählerischen Trends vielfältiger. Der Roman verlor an kritischer Last, gewann aber an Vielfalt in Themen und Ansätzen.
Der Roman der sechziger Jahre
Die durch Tiempo de silencio eingeführten Innovationen manifestierten sich darin, politische und soziale Anliegen, die zuvor im Vordergrund standen, zugunsten literarischer Experimente in den Hintergrund treten zu lassen. Die neue Erzählung behält zwar die kritische Auseinandersetzung mit Spaniens Problemen bei, legt aber größeren Wert auf die Struktur.
Laut Gonzalo Sobejano sind dies charakteristische Merkmale:
- Charaktere: Figuren mit Identitätsproblemen, die versuchen, die Gründe für ihre existenzielle Angst zu finden.
- Erzähler und Perspektive: Aufgabe des allwissenden Erzählers; stattdessen multiple Perspektiven (kaleidoskopische Sicht), oft aus der Sicht verschiedener Figuren. Kritik an der Zeit vor der Erzählung.
- Handlung: Das Verschwinden des traditionellen Arguments. Die Handlung wird manchmal zur Nebensache oder zum Vorwand für Reflexionen. Komplexe strukturelle Anordnungen ersetzen oft lineare Kapitelabfolgen.
- Dialog und Monolog: Der Dialog tritt zurück zugunsten des inneren Monologs, der den freien Gedankenfluss der Charaktere widerspiegelt (Bewusstseinsstrom).
- Zeit und Raum: Aufbrechen der chronologischen Zeit (beeinflusst durch das Kino) und oft unbestimmte Räume.
- Sprache: Erneuerung der literarischen Sprache durch Neologismen, Einführung von Fremdwörtern, gehobener Sprache und Umgangssprache (Kollokvialismen).