Franco-Flämische Schule: Meister, Epochen und musikalische Formen
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Wichtige musikalische Formen der Franco-Flämischen Schule
Die Messe
Die Messe ist ein sakrales, zyklisches Werk im Stil des Cantus firmus, das typischerweise aus fünf Sätzen besteht. Sie wird von Chorinstrumenten und Gesang ausgeführt, meist mit vier Stimmen.
Die Motette
Die Motette ist ein Werk der heiligen Liturgie in lateinischer Sprache, oft ebenfalls mit einem Cantus firmus und vier Stimmen.
Die Chanson
Die Chanson (insbesondere die burgundische Chanson) war die wichtigste profane Form dieser Zeit. Sie ist eine polyphone Vertonung von Poesie, meist für drei Stimmen und oft im 6/8-Takt.
Zweite Generation (ca. 1460–1490)
Johannes Ockeghem: Meister des komplexen Kontrapunkts
In dieser Periode, die von etwa 1460 bis 1490 reicht, zeichnet sich die Musik durch einen weniger gleichmäßigen Rhythmus und komplexere Melodien aus. Der bedeutendste Komponist dieser Zeit war Johannes Ockeghem (ca. 1410–1497).
Ockeghem, ein führender Vertreter der Franco-Flämischen Schule, verbrachte einen Großteil seines Lebens im Dienste der französischen Könige. Er war bekannt für seinen innovativen Umgang mit Kontrapunkt und Rhythmus. In seinen Werken finden sich vier grundlegende kontrapunktische und kanonische Möglichkeiten:
- Grundform
- Retrogradation (Krebs)
- Inversion (Umkehrung)
- Retrogradation der Inversion (Krebs der Umkehrung)
Sein Œuvre umfasst Messen, Motetten und Chansons.
Dritte Generation (ca. 1490–1520)
Josquin Desprez: Innovation und Textausdruck
Die dritte Generation, von etwa 1490 bis 1520, wird maßgeblich von Josquin Desprez (ca. 1440–1521) geprägt. Er war der repräsentativste Komponist dieser Ära und ein Schüler Ockeghems.
Josquin verbrachte viel Zeit in Italien, unter anderem in der päpstlichen Kapelle. Er brachte wichtige Neuerungen mit sich:
- Eine Fülle von Kadenzpaaren und parallelen Stimmen.
- Einfachere Rhythmen und eine gleichmäßigere Melodieführung.
Sein Werk gliedert sich in Motetten, Messen und weltliche Musik. Während seine Messen oft noch den Cantus firmus nutzten, waren seine Motetten und Chansons (oder Frottolen) oft freier gestaltet und zeigten eine Tendenz zur Musica Reservata – Musik, die sich besonders dem Ausdruck des Textes anpasst.
Vierte Generation (ca. 1520–1560)
Adrian Willaert: Wegbereiter der venezianischen Schule
In der vierten Generation (ca. 1520–1560) traten Komponisten wie Adrian Willaert (ca. 1480–1562) in den Vordergrund. Willaert, ein Schüler Josquins, verbrachte einen Großteil seines Lebens in Italien und wurde 1527 Kapellmeister von San Marco in Venedig. Er gilt als einer der wichtigsten Begründer der venezianischen Schule und als Pionier neuer musikalischer Trends des 16. Jahrhunderts.
Diese Periode sah die Entstehung neuer Musikformen sowohl im sakralen als auch im profanen Bereich:
Geistliche Musik: Messe und Motette
- Die Messe: Die sogenannte Parodiemesse wurde sehr populär, bei der ein bestehendes polyphones Werk als Grundlage diente. Oft wurden eine fünfte oder sechste Stimme hinzugefügt.
- Die Motette: Hier gab es zwei wichtige Neuerungen – die Abkehr vom Cantus firmus und die zunehmende Textbezogenheit.
Weltliche Musik: Madrigal und Chanson
Die wichtigsten weltlichen Gattungen waren das Madrigal und die Chanson. Willaerts Hauptwerke umfassen Madrigale, Chansons und Parodiemessen.
Fünfte Generation (ca. 1560–1600)
Orlando di Lasso: Höhepunkt der Vokalpolyphonie
Die fünfte Generation (ca. 1560–1600) markiert den Höhepunkt der franko-flämischen Vokalpolyphonie. Der niederländische Meister Orlando di Lasso (ca. 1532–1594) gilt als einer der bedeutendsten Komponisten dieser Zeit, der den franko-flämischen Stil zu nationalen Ausprägungen führte.
Diese Generation war stark vom Konzil von Trient und der Gegenreformation beeinflusst. Dies erklärt die Fülle an Bußpsalmen und lateinischen Motetten zu biblischen Themen in Lassos Werk.
Lasso reiste viel, unter anderem nach Mantua, Mailand und Sizilien. 1553 wurde er Kapellmeister an San Juan de Letrán in Rom und diente später Herzog Albrecht V. in München, wo er bis zu seinem Tod wirkte.
Sein Œuvre ist äußerst umfangreich und vielfältig. Es umfasst unter anderem:
- Zahlreiche Villanellen
- Über 200 Madrigale
- 140 französische Chansons
- 90 deutsche Lieder
- 700–800 Motetten
- 70 Messen
- 100 Magnificats
- Vier Passionen
- Bußpsalmen und Litaneien