Galicische Prosa: Erneuerung im frühen 20. Jahrhundert
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Die Prosa im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde die moderne galicische Erzählung geboren und konsolidiert. Dies war maßgeblich auf die Entstehung einer politischen und kulturellen Bewegung des „Galeguismo“ sowie die Gründung von Verlagen zurückzuführen, die den Zugang zu Büchern in galicischer Sprache förderten. Die Prosa dieser Zeit lässt sich in verschiedene Strömungen und Autorengruppen einteilen.
Die Erzähler der „Irmandades da Fala“
Die Erzähler der „Irmandades da Fala“ (Bruderschaften der Sprache) bevorzugten im Allgemeinen die Poesie und das Theater, auch wenn sie dort keine herausragende Qualität erreichten. Die repräsentativsten Prosaautoren dieser Gruppe sind:
- Xosé Leste Meis: Autor von A rúa do noxo und Abellas de ouro.
- Leandro Carré Alvarellos: Autor von Werken wie Naiciña und O home que deu vida a un morto sowie Gründer des Verlags „Lar“.
- Jaime Quintanilla: Gründer der literarischen Sammlung „Céltiga“, in der Castelao Werke wie Un ollo de vidro veröffentlichte, und Autor des Romans Almas mortas.
- Armando Cotarelo Valledor: Veröffentlichte mit Contos de Nadal eine Sammlung von Volkserzählungen.
Die „Grupo Nós“: Ein kultureller Meilenstein
Die „Grupo Nós“ (Gruppe Wir) prägte die Geschichte der galicischen Kultur. Die Kerngruppe der Schriftsteller bestand aus Vicente Risco, Ramón Otero Pedrayo und Florentino López Cuevillas. Hinzu kommen Antón Losada Diéguez und Castelao, die enge persönliche Beziehungen zu den Genannten pflegten und an der Zeitschrift Nós mitwirkten. Die Gruppe wies einige Gemeinsamkeiten auf: Alle Mitglieder stammten aus wohlhabenden Verhältnissen, besaßen eine fundierte intellektuelle Ausbildung, durchliefen eine ähnliche ideologische Entwicklung, die Traditionalismus mit progressivem und liberalem Denken verband, hatten einen klaren pädagogischen Anspruch und schufen mit ihrem unverwechselbaren persönlichen Stil die erste moderne galicische Prosa.
Vicente Risco
Vicente Risco leitete die Literaturzeitschrift La Centuria, war Mitglied der „Irmandades da Fala“ und Direktor der Zeitschrift Nós. Sein Werk umfasst unter anderem Erzählungen, Essays und Dramen. Seine Erzählungen haben einen didaktischen und stark ideologischen Charakter. Zu seinen Erzählwerken gehören O raio de ouro e o raio de alcatrán und Do caso que lle aconteceu ao doutor Alveiros. Er ist auch der Autor eines langen, satirisch-burlesken Romans, O porco de pé.
Ramón Otero Pedrayo
Otero Pedrayo trat, wie seine Weggefährten, den „Irmandades da Fala“ bei und arbeitete an den Zeitschriften A Nosa Terra und Nós mit. Er war in fast allen literarischen Gattungen tätig, glänzte aber besonders als Erzähler. Sein erzählerisches Werk lässt sich thematisch gliedern in:
- Historisch-kulturelle Romane wie A festa de Gelmírez.
- Historische und realistische Romane und Erzählungen wie O purgatorio de don Ramiro und Os camiños da vida.
- Psychologische Romane wie Arredor de si und Devalar.
Alfonso Daniel Rodríguez Castelao
Castelao war in der Agrarbewegung aktiv und leitete die Zeitschrift Nós. Seine Prosa umfasst:
- Un ollo de vidro. Memorias dun esquelete: Eine Geistergeschichte, in der ein Skelett seine Erlebnisse im Jenseits erzählt.
- Cousas: Lyrische Erzählungen, die menschliche Dramen aus den einfachen Volksschichten darstellen.
- Retrincos: Autobiografische Erzählungen, die Kindheits- und Jugenderinnerungen sammeln.
- Os dous de sempre: Sein einziger Roman, der um die beiden gegensätzlichen Charaktere Pedriño und Rañolas und ihre unterschiedlichen Lebensauffassungen strukturiert ist.
Die Generation von 1925 (Novecentistas)
Die „Novecentistas“ sind eine Gruppe von Schriftstellern, die im frühen 20. Jahrhundert geboren wurden und die literarischen Texte grundlegend erneuerten. Beeinflusst von der avantgardistischen Poesie, wandten sie sich auch der Erzählung zu. Besonders hervorzuheben ist Rafael Dieste, aber auch Autoren wie Fermín Bouza-Brey und Ricardo Carballo Calero sind zu nennen.
Rafael Dieste
Das erzählerische Werk von Rafael Dieste beschränkt sich auf ein einziges Buch mit Kurzgeschichten, Dos arquivos do trasno. Sein Erzählstil zeichnet sich durch die Kürze der Geschichten, die minimale Präsenz von Charakteren, höchste sprachliche Präzision, eine meisterhafte Rhythmusgestaltung, die Vermischung von Religiösem und Volkstümlichem sowie prägnante Beschreibungen und Adjektivierungen aus.
Der Essay im Wandel
Der Essay in galicischer Sprache konsolidierte sich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der „Irmandades da Fala“ und der „Grupo Nós“. Die frühen Werke hatten vor allem politische und kulturelle Inhalte. Als Verbreitungskanäle dienten hauptsächlich die Presse, insbesondere die Zeitschriften A Nosa Terra und Nós. In ihnen veröffentlichten unter anderem Antón Vilar Ponte und Jaime Quintanilla ihre Artikel.
Bedeutende Essayisten
Innerhalb der „Grupo Nós“ ragen folgende Essayisten heraus:
- Vicente Risco: mit Werken wie Teoría do nacionalismo galego.
- Otero Pedrayo: veröffentlichte geografische Essays, Reiseberichte wie Pelerinaxes und biografische Erinnerungen wie Libro dos amigos.
- Castelao: dessen repräsentativstes Werk Sempre en Galiza ist.
- Florentino López Cuevillas: der sich durch seine archäologischen Forschungen hervortat.
Die Rolle des Journalismus
Auch der Journalismus erlebte in dieser Zeit eine grundlegende Erneuerung, unter anderem durch die Einführung der illustrierten Presse, grafisch gestalteter Zeitschriften und die Förderung der Lokalpresse. A Nosa Terra war das wichtigste Sprachrohr der „Irmandades da Fala“ und des „Partido Galeguista“. Die Zeitschrift wurde auf Galicisch verfasst und diente als Mittel der politischen Propaganda, enthielt aber auch Rezensionen, Gedichte und Kurzgeschichten. Die monatlich erscheinende Zeitschrift Nós, ebenfalls auf Galicisch, bot vielen Autoren dieser Zeit eine Plattform und markierte die Öffnung Galiciens für die verschiedenen europäischen Literaturen. Weitere Avantgarde-Zeitschriften waren unter anderem Alfar und Resol.