Glaube und Vernunft: Eine Gegenüberstellung von katholischer und protestantischer Sicht
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Glaube und Vernunft: Zwei Perspektiven
Seit Immanuel Kant (1724–1804) lehnen die meisten deutschen Protestanten die Gottesbeweise als ungültig ab. Sie trennen stärker zwischen „Glauben“ und „Wissen“, während die römisch-katholische Kirche beide Bereiche als Einheit betrachtet. Die Enzyklika „Fides et ratio“ von 1998 beginnt mit dem Satz:
„Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt.“
In Artikel 17 heißt es weiter:
„Es gibt also keinen Grund für das Bestehen irgendeines Konkurrenzkampfes zwischen Vernunft und Glaube: sie wohnen einander inne, und beide haben ihren je eigenen Raum zu ihrer Verwirklichung.“
Die katholische Sicht: Thomas von Aquin
Die römisch-katholische Sicht der Vernunft wurde besonders von Thomas von Aquin (1225–1274) geprägt. Da sowohl das Licht der Vernunft als auch das Licht des Glaubens von Gott kommen, so Thomas, können sie einander nicht widersprechen. Thomas versuchte, die Heiden mit Vernunftgründen von der Existenz Gottes zu überzeugen, und legte „fünf Gottesbeweise“ dar:
„Dass Gott ist, kann, so lässt sich sagen, auf fünf Wegen bewiesen werden. Der erste und augenfälligere Weg aber ist der, welcher von der Bewegung hergenommen wird. Es ist nämlich gewiss und steht für die Sinneswahrnehmung fest, dass einige (Dinge) in dieser Welt bewegt werden.“
Wenn etwas in dieser Welt bewegt wird, muss es, so Thomas, von etwas bewegt worden sein, das von ihm verschieden ist. Diese rückwärts gerichtete Kette kann nicht ins Unendliche geführt werden. „Also ist es notwendig, zu einem ersten Bewegenden zu kommen, das von nichts bewegt wird. Und dies verstehen alle als Gott.“
Kants Kritik an den Gottesbeweisen
Immanuel Kant lehnte diese und ähnliche Gottesbeweise als ungültig ab, weil in der Argumentation offen bleibe, wie groß dieser erste Beweger ist. Er müsse nämlich nicht automatisch allmächtig sein.
Der ontologische Gottesbeweis
Der ontologische Gottesbeweis geht davon aus, dass man den Begriff eines vollkommenen Wesens bilden kann. Wenn jedoch dieses vollkommene Wesen gar nicht existieren würde, so würde ihm ein Element an seiner Vollkommenheit fehlen. Es wäre nicht mehr das vollkommenste Wesen, denn ein ebensolches Wesen, das außerdem noch den zusätzlichen Vorzug besäße, dass es tatsächlich existiert, wäre durch diesen zusätzlichen Vorzug zweifellos noch vollkommener. Also ist das wirklich vollkommenste Wesen ein solches, das nicht nur alle positiven Eigenschaften in höchster Vollkommenheit in sich vereinigt, sondern das außerdem auch tatsächlich existiert. Dieses vollkommenste Wesen nennen wir Gott.
Denn Gott sei das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden könne.
- Dinge der Vorstellungswelt können eine Bedeutung haben.
- Das Bedeutsamste davon müsse auch existieren (man würde nicht etwas vorstellen, was bedeutsamer als das Bedeutsamste wäre).
- Das Bedeutsamste muss auch existieren.
Kants Gegenargument (18. Jh.)
These:
Der ontologische Gottesbeweis sei ein Fehlschluss.
Begründung:
Denn beim ontologischen Gottesbeweis werde von einem Begriff auf dessen Existenz geschlossen. Dieser Fehlschluss liege ferner allen kosmologischen Gottesbeweisen ebenso zugrunde, da diese letztlich auch von einem Begriff auf dessen Existenz schlössen.
A. Denn Existenz sei kein Prädikat (Merkmal).
a. 100 gedachte Pfennige beispielsweise seien begrifflich identisch mit 100 echten.
b. Daher könne man aus keinem Begriff allgemein auf seine Existenz schließen.
B. Also dürfe man auch nicht aus dem Begriff „das Bedeutsamste“ auf dessen Existenz schließen. Auch nicht aus Begriffen wie erste Ursache oder erster Beweger.
C. Daher könne man auch nicht aus dem Begriff Gottes als des Bedeutsamsten, der ersten Ursache oder des ersten Bewegers (kosmologische Gottesbeweise) usw. auf dessen Existenz schließen.