Die Gründerväter der Soziologie: Marx, Durkheim und Weber
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Karl Marx (1818–1883): Der Soziologe der Industrialisierung
Marx sah die Gesellschaft nicht primär durch den Markt, sondern durch die Fabrik bestimmt. Er beobachtete die industrielle Welt und stellte fest, dass die Menschen auf den Status von Waren herabgesenkt werden, die Löhne im Verhältnis zu den Beschäftigten tendenziell sinken und die Großzügigkeit des Menschen durch die Herrschaft des Geldes zerstört wird.
Die materialistische Geschichtsauffassung
Die Perspektive der Marxschen Analyse ist die materialistische Auffassung der Geschichte. Demnach sind die Ursachen des sozialen Wandels nicht Ideen und Werte, sondern ihre Beziehung zu den materiellen Grundlagen der Gesellschaft, der **Produktionsweise**. Der Konflikt zwischen den sozialen Schichten ist der Motor der historischen Entwicklung.
Für Marx werden die sozialen Beziehungen von den Produktionsverhältnissen und der Art der Erzeugung innerhalb der Gesellschaft bestimmt. In der kapitalistischen Produktionsweise sind die Produktionsmittel (Kapital, Anlagen, Maschinen) im Privatbesitz einer bestimmten Klasse: der Klasse der Kapitalisten. Nach Marx’ Analyse gibt es in der kapitalistischen Gesellschaft zwei zentrale Elemente:
- Die Aufteilung der Arbeit
- Der Arbeitsprozess
Émile Durkheim (1858–1917): Soziale Solidarität und Fakten
Für Durkheim ist die Arbeitsteilung ein soziales Phänomen, durch das die Gesellschaft strukturiert wird. Er greift das Konzept des Kampfes ums Dasein (Darwin) auf: Je zahlreicher die Individuen, die zusammenleben, desto intensiver der Kampf ums Leben. Die soziale Differenzierung ist die friedliche Lösung dieses Kampfes. Anstatt dass einige ausgelöscht werden, um anderen das Überleben zu ermöglichen, erlaubt die soziale Differenzierung das Überleben des Einzelnen. Dies ist ein Phänomen, das moderne Gesellschaften kennzeichnet und den kreativen Zustand der individuellen Freiheit darstellt.
Kollektives Bewusstsein und Solidarität
Das Problem besteht darin, das Mindestniveau des kollektiven Bewusstseins zu erhalten, ohne das die soziale Solidarität zum Zerfall führen würde. Durkheim unterscheidet zwischen zwei Arten von Solidarität:
- Mechanische Solidarität: Basiert auf Ähnlichkeit. Individuen unterscheiden sich wenig voneinander; dies drückt das maximale Maß an Kohärenz aus.
- Organische Solidarität: Ergibt sich durch Differenzierung und wird durch Konsens unter dem Vorsitz der kollektiven Kohärenz erreicht. Die Individuen sind unterschiedlich und müssen einen Konsens erzielen.
Das kollektive Bewusstsein ist die Menge der gemeinsamen Überzeugungen und Gefühle, die der Durchschnitt der Individuen in der Gesellschaft teilt. Es existiert nur in den Gefühlen und Überzeugungen, die im individuellen Gewissen gefunden werden, ist aber kein Ausdruck des individuellen Gewissens.
Soziale Tatbestände und Suizidstudien
In seinem Werk Die Regeln der soziologischen Methode schlägt Durkheim vor, dass soziale Tatbestände wie Dinge behandelt werden sollen. Soziale Tatbestände sind Handlungs- und Gefühlsmuster, die die Fähigkeit besitzen, unabhängig vom individuellen Bewusstsein zu bestehen.
Durkheim untersucht den Suizid als pathologische Realität der modernen Gesellschaft und versucht zu zeigen, inwieweit das Individuum von der kollektiven Realität bestimmt wird. Die Formen des Suizids sind:
- Egoistisch: Tritt bei mangelnder Integration auf.
- Altruistisch: Das Individuum opfert sich für ein verinnerlichtes soziales Leben (übermäßige Integration).
- Anomisch: Tritt bei Fehlen von Regelungen (Anomie) auf.
Max Weber (1864–1920): Handlungstheorie und Rationalisierung
Webers Soziologie ist Teil der **Handlungstheorie**: Soziale Akteure geben der Welt um sie herum Sinn, da die Handlungen der Individuen und die Bedeutung, die sie diesen Handlungen beimessen, zur Gestaltung der Gesellschaft beitragen. Weber teilt einige Ideen von Marx bezüglich sozialer Konflikte, aber sein Ansatz ist weniger materialistisch und stärker auf die Aussagekraft von Ideen fokussiert. Für Weber sind das Denken und neue Denkweisen entscheidend.
Die Soziale Handlung
Soziale Handlung ist ein menschliches Verhalten (Einstellung, Handeln oder Unterlassen), das auf das Verhalten anderer bezogen und daran orientiert ist. Weber unterscheidet vier Typen der sozialen Handlung:
- Zweckrational: Der Akteur handelt rational, um ein Ziel zu erreichen, indem er die Mittel zur Erreichung des Zwecks abwägt.
- Wertrational: Der Akteur handelt rational, um einem Wert (z. B. Ehre, Pflicht) treu zu bleiben, unabhängig vom Erfolg.
- Affektiv oder Emotional: Durch das Gewissen oder die Stimmung diktiert.
- Traditional: Durch Gewohnheiten, Bräuche oder Glauben bestimmt.
Kapitalismus, Religion und Rationalisierung
Weber versucht, den historischen Materialismus zu widerlegen, indem er den Einfluss des wirtschaftlichen Verhaltens von Religionen demonstriert. Sein Ansatz besagt, dass die Verhaltensweisen von Menschen in verschiedenen Gesellschaften nur im Rahmen der allgemeinen Weltanschauung verständlich sind, die sie von der Existenz haben. Religiöse Dogmen und ihre Interpretation sind integraler Bestandteil dieser Weltanschauung und müssen verstanden werden, um das Verhalten von Individuen und Gruppen, insbesondere ihr ökonomisches Verhalten, zu verstehen.
Weber stimmt Marx zu, wenn er sagt, dass das Wesen des kapitalistischen Systems die Jagd nach Profit durch den Markt ist. Das grundlegende Merkmal der modernen Gesellschaft und des Kapitalismus ist jedoch die **bürokratische Rationalisierung**. Weber stellt die Hypothese auf, dass eine bestimmte Auslegung des Protestantismus Motive hervorbrachte, die die Bildung des kapitalistischen Systems begünstigten. Webers These ist, dass eine erhebliche Anpassung zwischen dem *Geist des Kapitalismus* und dem *Geist des Protestantismus* besteht.