Guernica: Picassos Anti-Kriegs-Meisterwerk
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Guernica: Meisterwerk von Picasso
- Autor: Pablo Picasso
- Entstehungsjahr: 1937
- Auftraggeber: Die Regierung der Zweiten Spanischen Republik für den spanischen Pavillon der Pariser Weltausstellung.
- Stilrichtungen: Kubismus, Surrealismus, Expressionismus
- Ursprünglicher Standort: Während der Franco-Diktatur im Museum of Modern Art (MoMA) in New York.
- Aktueller Standort: Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid.
- Kontext der Ausstellung: Das Werk wurde auf der Pariser Weltausstellung im spanischen Pavillon neben anderen bedeutenden Arbeiten ausgestellt, darunter der "Quecksilberbrunnen" von Alexander Calder.
Technische Daten und Beschreibung
- Technik: Öl auf Leinwand.
- Größe: Großformatig.
- Darstellung: Figurative Malerei.
- Kurzbeschreibung: Das Werk thematisiert die brutale Bombardierung der Stadt Guernica während des Spanischen Bürgerkriegs.
Formale Analyse: Stil und Technik
- Zeichnung und Farbe: Die Zeichnung überwiegt die Farbe.
- Farbgebung: Die Abwesenheit von Farben (Schwarz, Weiß, Grau) spiegelt Picassos Auseinandersetzung mit den Zeitungsberichten des Massakers wider. Er verinnerlichte den Schrecken und drückt ihn in einer Palette aus, die an Druckerschwärze erinnert, mit markanten weißen Akzenten, die an Grablichter erinnern.
- Lichtführung: Das Licht ist unrealistisch und ungleichmäßig verteilt, um bestimmte Figuren hervorzuheben. Der starke Hell-Dunkel-Kontrast (Chiaroscuro) erzeugt eine dramatische Wirkung.
- Pinselführung: Kurz und kräftig.
- Kompositionsachsen: Die Komposition ist geprägt von Symmetrie, Unordnung und Horizontalität. Eine zentrale Symmetrieachse, die durch die weiße Wand in der Mitte des Bildes verläuft, wird von vertikalen Säulen flankiert, die den Stier auf der linken Seite und die Frau mit erhobenen Armen auf der rechten Seite repräsentieren.
- Dreieckige Komposition: Die Komposition ist in Dreiecke unterteilt. Das auffälligste ist das zentrale Dreieck, dessen Spitze die Lampe bildet und das links durch eine diagonale Linie sowie rechts durch verschiedene Elemente wie den Pferdeschwanz und die Zähne begrenzt wird. Die Basis dieses Dreiecks wird vom gefallenen Krieger eingenommen.
Visuelle Aspekte und Ausdruck
- Perspektive: Linear, alle Linien des Bildes scheinen an einem Punkt (der Lampe) zusammenzulaufen.
- Bildzentrum: Licht und Pferd.
- Bildebenen: Es lassen sich drei Ebenen unterscheiden: Im Vordergrund der gefallene Krieger; in der zweiten Ebene die anderen Figuren in unterschiedlichen Entfernungen zueinander; und in der dritten Ebene die architektonischen Elemente, die den Raum definieren.
- Anatomie und Proportionen: Die Darstellung von Tieren und Menschen spiegelt nicht die reale Anatomie wider, sondern konzentriert sich auf den Ausdruck von Gefühlen und Emotionen, ein Merkmal des Expressionismus. Picasso legt keinen Wert auf Kleidung oder anatomische Genauigkeit.
- Ausdruck: Picasso nutzt zahlreiche expressive Mittel wie die Deformation der Körper und Gesichter der Charaktere, um die Brutalität der Bombardierung hervorzuheben. Verdrehte Augen drücken Entsetzen aus, während zungenähnliche Profile, die an Messer oder Glasscherben erinnern, die Tragödie symbolisieren.
- Bewegung: Es gibt einen starken Bewegungskontrast. Die lebenden Figuren sind in einem Moment der Unruhe und Angst gefangen, während die Toten eine statische Ruhe und ein Gefühl der Beständigkeit ausstrahlen.
- Zeit: Die Zeit ist für die fliehenden Menschen kurz und flüchtig, während sie für die Toten unendlich und stillstehend ist.
- Rhythmus: Der Rhythmus wird durch die aufgerissenen Münder und die zunehmende Intensität des Schreckens von Bild zu Bild verstärkt.
- Realismus und Effekthascherei: Das Werk ist völlig realistisch in seinem Bestreben, den Schmerz der Bombardierung darzustellen, und sensationell in seiner Darstellung des Leidens.
- Details und symbolische Elemente: Das Bild enthält viele Details und zeigt mehrere Kinder. Sekundäre Elemente wie das Licht und die Taube gewinnen im Werk eine große symbolische Bedeutung.
Kontext: Autor, Epoche und Stil
- Weitere Werke des Autors:
- Die Frauen von Avignon
- Großer Frauenkopf
- Die Weinende Frau
- Vergleich mit anderen Werken der Epoche:
- Salvador Dalís Der große Masturbator
- Joan Mirós Außerhalb der Niederlande
- Auguste Rodins Der Prophet
- Charakteristische Stilmerkmale:
- Kubismus: Suche nach der totalen Wahrnehmung von Objekten, Bruch mit der Renaissance-Perspektive und der natürlichen Tiefenwirkung, Farben respektieren nicht die Realität.
- Surrealismus: Verzerrte Formen, Verbindung von halb-menschlichen, halb-maschinellen oder halb-monströsen Figuren, gigantische und manchmal erschreckende Erscheinungen.
- Expressionismus: Die Werke drücken ein Gefühl der Angst als Reaktion auf die problematische Situation (Spanischer Bürgerkrieg) aus. Picasso konzentriert sich nicht auf die physische oder anatomische Wiedergabe seiner Charaktere, sondern auf den Ausdruck von Gefühlen und Emotionen.
- Innovationen: Picasso kehrt zum Kubismus zurück, um den Betrachter klarer und direkter anzusprechen.
- Einflüsse: Goya's Die Erschießung der Aufständischen am 3. Mai 1808, afrikanische Kunst und Edvard Munchs Der Schrei (für die expressionistischen Stilmerkmale).
Historischer Kontext und Ikonografie
- Genre: Kriegsdarstellung.
- Ikonografie: Das Werk stellt die Bombardierung Guernicas dar, einer kleinen Stadt im Baskenland, die während des Spanischen Bürgerkriegs von der faschistischen deutschen Luftwaffe angegriffen wurde. Dieser Angriff gilt als der erste moderne Krieg, der eine wahllose Bombardierung von Zivilisten zum Ziel hatte, und diente als Warnung vor dem sich nähernden Zweiten Weltkrieg. Die nationalsozialistischen deutschen Truppen unterstützten Franco mit dem Ziel, die Zivilbevölkerung zu terrorisieren, die Republikaner im Baskenland zu demoralisieren und gleichzeitig ihre Waffen, insbesondere die "Legion Condor", zu testen. Francos Ziel war es, den Norden Spaniens nach der Niederlage in Madrid zu erobern.
Ikonologische Analyse: Symbole und Bedeutung
Das Gemälde ist so konzipiert, dass es leicht zu "lesen" ist. Fast jede Figur ist ein Symbol, oft im Zusammenhang mit dem Verlust des Friedens. Der Künstler stellt den Tod nicht mit Entsetzen oder Mitleid dar, sondern teilt das Leiden der Opfer von Guernica, um die brutale Bombardierung anzuprangern.
- Stier: Repräsentiert die Kraft des Volkes oder die Brutalität des Faschismus.
- Totes Kind: Symbolisiert die unschuldigen Opfer, die keine Chance zur Verteidigung hatten.
- Mutter mit totem Kind: Eine Ikone des Leidens und der Trauer, oft unter dem Stier platziert, als ob sie von ihm geschützt würde.
- Taube: Ein Symbol des unterbrochenen Friedens.
- Gefallener Krieger: Zeigt ein zerbrochenes Schwert/Bajonett und eine Blume in derselben gebrochenen Hand, als Symbol der Hoffnung inmitten der Zerstörung.
- Glühbirne/Auge: Symbolisiert das künstliche Licht, das die Szene beleuchtet und die Wahrheit enthüllt; oft auch als Auge Gottes oder der Wahrheit interpretiert.
- Pferd: Symbolisiert das leidende Volk, das nicht im Kampf gefallen ist, sondern Opfer eines Massakers wurde.
- Hockende Frau: Eine Figur der Verzweiflung und des Schocks.
- Frau mit Lampe: Enthüllt die Wahrheit durch das Licht; oft als Allegorie der Republik interpretiert.
- Schreiende Frau / Frau in Flammen: Verkörpert den extremen Schmerz und das Grauen.
Zweck und Interpretation des Werkes
- Zweck: Das Werk dient als politischer Protest gegen den Krieg und die Ideologien, die ihn verursachen. Es stellt den Konflikt zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Spanien auf der einen Seite und den Republikanern auf der anderen Seite dar. Symbolisch ist es ein Schrei nach Frieden und Leben, eine Anklage gegen die Gräueltaten des Krieges.
- Bezug zur Zeitgeschichte: Das Gemälde entstand während des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939), einer Zeit, in der Spanien aufgrund einer politischen Krise der Republik in zwei Lager gespalten war: die republikanische und die franquistische Seite. Gleichzeitig erlebte Deutschland den Aufstieg des Nationalsozialismus, der maßgeblich durch die Demütigung und die wirtschaftliche Krise nach dem Ersten Weltkrieg begünstigt wurde.