Haftung und Schadenersatz im deutschen Recht: Ein Überblick
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Grundlagen der Haftung und des Schadenersatzes
Haftung bezeichnet die rechtliche Verpflichtung zur Entschädigung oder zum Schadenersatz. Sie kann sich aus verschiedenen Quellen ergeben:
- Vertragliche Haftung: Entsteht, wenn eine Vertragspartei ihre Pflichten verletzt und dadurch einem anderen Schaden zufügt.
- Deliktische Haftung: Entsteht außerhalb vertraglicher Beziehungen, wenn jemand durch rechtswidriges und schuldhaftes Handeln einem anderen Schaden zufügt. Dies ist oft im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), z.B. in § 823 BGB, geregelt.
Eine Person wird schadenersatzpflichtig, wenn sie schuldhaft einen Schaden verursacht hat. Hierbei sprechen wir von Verschulden. Manchmal ist eine Person jedoch auch ohne eigenes Verschulden zum Schadenersatz verpflichtet (verschuldensunabhängige Haftung oder Gefährdungshaftung). Zudem kann eine Person auch für die Handlungen Dritter verantwortlich gemacht werden (Haftung für Dritte).
Verschuldenshaftung (Deliktische Haftung)
Das Konzept des Verschuldens ist zentral für die Rechtsprechung. Typischerweise stehen sich der Geschädigte und der Schädiger gegenüber. Im deutschen Recht kann der Schädiger grundsätzlich von der Schadenersatzpflicht befreit werden, wenn er nachweist, dass er den Schaden nicht schuldhaft verursacht hat. Allerdings gibt es Ausnahmen, bei denen die Haftung auch ohne Verschulden eintritt.
Für die Verschuldenshaftung müssen drei Faktoren vorliegen:
- Ein Schaden (Sach-, Personen- oder Vermögensschaden).
- Ein Schädiger, der den Schaden verursacht hat.
- Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Handeln des Schädigers und dem eingetretenen Schaden.
Der Schaden und seine Berechnung
Ein Schaden ist eine unfreiwillige Einbuße an Rechtsgütern oder Interessen, die sowohl persönlicher als auch vermögensrechtlicher Natur sein kann. Der Schadenersatz umfasst typischerweise zwei Elemente:
- Positiver Schaden (Damnum Emergens): Dies sind die unmittelbaren Kosten, die zur Behebung des Schadens anfallen, z.B. Reparaturkosten bei Sachschäden oder Heilbehandlungskosten bei Personenschäden.
- Entgangener Gewinn (Lucrum Cessans): Dies ist der Betrag, den der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis voraussichtlich erzielt hätte.
Der Geschädigte (Kläger) muss sowohl den positiven Schaden als auch den entgangenen Gewinn beweisen. Man unterscheidet zwischen Sachschäden (materiellen Schäden), die leicht zu quantifizieren sind, und immateriellen Schäden (Schmerzensgeld), die insbesondere bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten entstehen und deren Höhe im Ermessen des Richters liegt.
Das Vorliegen eines Schadens sowie dessen Höhe und Umfang muss vom Kläger bewiesen werden. Der Richter schätzt die Höhe des Schadens, insbesondere bei immateriellen Schäden.
Der Kausalzusammenhang kann in bestimmten Fällen unterbrochen sein, was die Haftung des Schädigers ausschließt oder mindert. Dies ist der Fall bei:
- Höhere Gewalt oder Zufall: Wenn der Schaden durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis verursacht wurde.
- Einschaltung eines Dritten: Wenn ein Dritter den Schaden allein oder überwiegend verursacht hat.
- Eigenes Verschulden des Geschädigten: Wenn der Geschädigte den Schaden ganz oder teilweise selbst verursacht hat.
Verantwortlichkeit des Schädigers
Der Schädiger haftet direkt, wenn er den Schaden vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Juristische Personen oder Unternehmen haften für die Handlungen ihrer Organe und Mitarbeiter, die in Ausübung ihrer Tätigkeit Schäden verursachen.
Verursachen mehrere Personen gemeinsam einen Schaden und lässt sich der Anteil jedes Einzelnen nicht bestimmen, haften sie gesamtschuldnerisch.
Haftung für fremdes Verschulden (Vicarious Liability)
Diese Haftung betrifft Schäden, die von Personen in einem Abhängigkeitsverhältnis verursacht werden. Sie basiert oft auf einer vermuteten Aufsichtspflichtverletzung (culpa in vigilando) oder einer fehlerhaften Auswahl (culpa in eligendo).
Der Haftende kann sich entlasten, wenn er nachweist, dass er seine Aufsichtspflicht erfüllt hat oder der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Aufsicht eingetreten wäre.
Beispiele für die Haftung für Dritte sind:
- Eltern oder Erziehungsberechtigte für Schäden, die von ihren minderjährigen Kindern verursacht werden.
- Schulen für Schäden, die von Schülern während des Schulbetriebs verursacht werden.
- Arbeitgeber für Schäden, die ihre Angestellten in Ausübung ihrer Tätigkeit verursachen.
Verschuldensunabhängige Haftung (Gefährdungshaftung)
Die verschuldensunabhängige Haftung, auch Gefährdungshaftung genannt, hat sich insbesondere mit dem technologischen Fortschritt und der Zunahme von Risikobereichen entwickelt. Sie basiert auf der Risikotheorie: Wer eine potenziell gefährliche Tätigkeit ausübt oder eine Gefahrenquelle schafft, muss für die daraus entstehenden Schäden einstehen, unabhängig von eigenem Verschulden. Diese Form der Haftung muss stets gesetzlich festgelegt sein.
Typische Anwendungsfälle sind:
- Luftverkehr: Haftung für Schäden, die durch den Betrieb eines Luftfahrzeugs entstehen.
- Kraftfahrzeuge: Haftung des Halters für Schäden, die durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstehen, es sei denn, der Schaden wurde durch höhere Gewalt oder alleiniges Verschulden des Geschädigten verursacht. Mechanische Defekte schließen die Haftung nicht aus.
- Kernenergie: Haftung des Betreibers von Kernkraftwerken.
- Jagd: Haftung des Jägers für Schäden, die durch Wild verursacht werden.
- Staatshaftung: Der Staat haftet objektiv für Schäden, die durch die Ausübung hoheitlicher Gewalt entstehen, z.B. bei Amtspflichtverletzungen oder im Rahmen der Gefahrenabwehr.
- Produkthaftung: Haftung des Herstellers, Importeurs oder Lieferanten für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte verursacht werden.
- Tierhalterhaftung: Haftung des Halters für Schäden, die von seinen Tieren verursacht werden.
- Haftung für Gebäude: Eigentümer von Gebäuden für Schäden, die durch Baumängel oder mangelnde Instandhaltung entstehen (z.B. herabfallende Teile oder Dinge, die aus einem Haus fallen oder geworfen werden).
Durchsetzung und Verjährung von Schadenersatzansprüchen
Die Haftung tritt ein, unabhängig davon, ob sie auf Verschulden oder objektiven Kriterien basiert. Ziel der Haftung ist stets die Wiedergutmachung des entstandenen Schadens. Die Schadenregulierung kann auf folgende Weisen erfolgen:
- Durch eine außergerichtliche Einigung zwischen Geschädigtem und Schädiger (Vergleich).
- Durch gerichtliche Entscheidung, wenn keine Einigung erzielt wird. Der Geschädigte, seine gesetzlichen Vertreter oder Erben können den Anspruch gerichtlich geltend machen. Die regelmäßige Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche beträgt drei Jahre, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt hat.