Historische Entwicklung des Strafrechts: Verbrechen & Strafe

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Verbrechen und Strafe

Das Verbrechen

Die staatliche Autorität, die das gesellschaftliche Leben regelt, bestimmt die Grundlagen des Zusammenlebens und verbietet Handlungen, die dieses gefährden. Die Anzahl und Art der verbotenen Handlungen hängen vom jeweiligen historischen Moment ab. Eine Handlung kann zu einer Zeit unbedeutend sein und in einer anderen große Bedeutung erlangen. Die Bedeutung des Strafrechts steht oft in einem umgekehrten Verhältnis zur Stärke einer Gesellschaft. So ist das Strafrecht in Zeiten, in denen die Gesellschaft schwach ist, wie bei primitiven Völkern oder im Hochmittelalter, präsenter als das Zivilrecht. Das Gegenteil ist in Epochen der Fall, in denen die Gesellschaft stärker ist.

Die Straftat wird als Verletzung der fundamentalen Grundlagen des Zusammenlebens definiert. Der lateinische Begriff delictum wird verwendet, um eine schuldhafte Handlung oder ein Vergehen zu bezeichnen. Ursprünglich war das Verbrechen eng mit der Religion verbunden und galt als Beleidigung der Götter, die bestraft wurde, um deren Zorn zu besänftigen. Bei den Westgoten und in den mittelalterlichen Königreichen wurde die Schuld oft anhand physikalischer Phänomene bestimmt, wie zum Beispiel die schlechte Heilung einer Wunde, die als göttliches Zeichen für die Schuld des Subjekts angesehen wurde. Dies verdeutlicht die Verbindung zwischen Verbrechen und Religion.

Arten von Straftaten

Je nach ihrer Schwere und den betroffenen Interessen lassen sich Straftaten wie folgt unterscheiden:

  • Verbrechen und Vergehen: Die Unterscheidung basiert auf der Härte der Strafe. Ein Verbrechen ist eine Tat, die das Gesetz mit einer schweren Strafe ahndet, während ein Vergehen leichter bestraft wird.
  • Öffentliche und private Verbrechen: Diese Unterscheidung stammt aus dem römischen Recht. Öffentliche Verbrechen betreffen die gesamte Gemeinschaft, während private Verbrechen nur einzelne Personen berühren.
  • Hof- und Landfriedensdelikte: Diese Unterscheidung gehört zum kastilischen Recht des 13. Jahrhunderts. Hofdelikte (casos de corte) waren solche, deren Bestrafung dem König vorbehalten war, wie zum Beispiel Hochverrat. Andere, weniger schwere Straftaten wurden als Landfriedensdelikte (delitos fueros) von lokalen Behörden gemäß den Stadt- und Landrechten (fueros) beurteilt.
  • Antragsdelikte und Offizialdelikte: Diese Unterscheidung ist typisch für die Kodifikationen. Bestimmte Straftaten wie Verleumdung und üble Nachrede werden nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt (Antragsdelikte). Andere Verbrechen können von Amts wegen durch die Staatsanwaltschaft verfolgt werden, selbst wenn das Opfer dies nicht wünscht (Offizialdelikte).

Konzepte des Verbrechens

Historisch gibt es zwei grundlegende Konzepte des Verbrechens:

  • Objektives Konzept: Die Straftat wird allein am Ergebnis gemessen. Ein Verbrechen liegt also vor, wenn ein bestimmtes Ergebnis eingetreten ist.
  • Subjektives Konzept: Hier wird vorausgesetzt, dass das Ergebnis von der Absicht begleitet wird, Böses zu tun oder Schaden zu verursachen.

Das objektive Konzept ist typisch für primitive Gesellschaften, in denen es schwierig ist, die Absicht zu beurteilen. Im Gegensatz dazu erfordert das subjektive Konzept den Nachweis der Absicht. Diese Absicht wurde im römischen Recht als dolus (Vorsatz) und bei den Westgoten als animus bezeichnet.

Im aktuellen Recht gibt es eine Renaissance des objektiven Konzepts bei bestimmten Handlungen, deren Ausführung per se eine Gefahr für andere darstellt, wie zum Beispiel das rücksichtslose Fahren von Kraftfahrzeugen. Der Triumph des subjektiven Konzepts zeigt sich in den modernen Gesetzbüchern (Kodifikationen), die nicht nur die Begehung der Tat, sondern auch die Absicht dahinter nachweisen müssen.

Schließlich kann man von einem juristischen Konzept des Verbrechens sprechen, wonach eine Tat nur dann als Verbrechen gilt, wenn sie gesetzlich als solches definiert ist. Dies ist das Legalitätsprinzip (nullum crimen sine lege), wonach es kein Verbrechen ohne ein vorheriges Strafgesetz gibt, das es festlegt.

Die Strafe (Pena)

Die Strafe ist die Sanktion, die von der staatlichen Autorität für ein Verbrechen verhängt wird. Obwohl Einigkeit über die Notwendigkeit von Strafen besteht, gibt es unterschiedliche Auffassungen über ihren Zweck. Sie kann repressiv (vergeltend) oder präventiv (vorbeugend) sein und manchmal auch beide Zwecke kombinieren.

  • Repressiver Zweck: Die Strafe ist eine Vergeltung für den verursachten Schaden. Sie soll dem Täter als Ausgleich für das begangene Unrecht Leid zufügen.
  • Präventiver Zweck: Hier geht es nicht um die Bestrafung bereits geschehener Taten, sondern darum, die Begehung neuer Straftaten zu verhindern oder zu erschweren, indem Angst vor der Strafe erzeugt wird.

Historisch gesehen dienten Strafen unter dem repressiven Ansatz oft als Opfer, um die Götter zu besänftigen. Bei primitiven Völkern und im alten Rom gab es die sogenannte „Sackstrafe“ (poena cullei), bei der der Täter zusammen mit einem Hahn, einer Schlange, einem Hund und einem Affen in einem Sack ins Wasser geworfen wurde, da diese Tiere mit den Göttern der Unterwelt in Verbindung gebracht wurden. So wandelte sich die religiöse Sühne zur menschlichen Vergeltung für die begangene Tat.

Der präventive Ansatz hat zwei Ausprägungen:

  1. Abschreckung: Die Strafe soll durch die Furcht, die sie erweckt, die Begehung weiterer Straftaten verhindern. Ein Beispiel findet sich im Römischen Reich, als Kaiser Hadrian den Viehdiebstahl in Hispania an Orten, wo dieser sehr häufig vorkam, mit der Todesstrafe belegte. In diesem Fall stand die Strafe in keinem Verhältnis zur Tat, aber der Kaiser wollte Angst schüren, um weitere Diebstähle zu verhindern.
  2. Besserung (Korrektur): Ziel ist die Resozialisierung des Täters. Die Strafe bleibt eine Sanktion, die dem Täter Leid zufügt, wird aber als Maßnahme zu seiner Besserung verhängt.

Arten der Bestrafung

Als Schädigung des Täters kann die Strafe in Bezug auf das Verbrechen homogen (gleichartig) oder heterogen (verschiedenartig) sein. In beiden Fällen wird entweder eine Gleichheit mit dem Verbrechen oder eine gewisse Verhältnismäßigkeit angestrebt. In primitiven Gesellschaften herrschte die Homogenität vor, wobei die Strafe oft härter als das Vergehen war. Dies wurde schließlich durch das Talionsprinzip („Auge um Auge“) begrenzt, das in Rom, bei den Westgoten und im Mittelalter Anwendung fand. Später wurden Strafen verhängt, die sich von der Art des Verbrechens unterschieden. Ab dem späten Mittelalter setzte sich das Prinzip der Verhältnismäßigkeit durch, bei dem für schwerere Verbrechen eine Höchststrafe festgelegt wurde, die mit der Schwere der Tat ansteigt. Dieses Prinzip ist in den modernen Kodifikationen verankert. Normalerweise ist die Strafe gesetzlich festgelegt, es kann aber auch Fälle geben, in denen die Gerichte die angemessene Strafe bestimmen müssen.

Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe

Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe

  1. Rechtfertigungsgründe

    Dies sind Umstände, die einer Handlung den Charakter des Unrechts nehmen, da sie nicht gegen das Gesetz verstößt. Dazu gehören:

    • Notwehr: Im römischen Recht mit dem Grundsatz „Es ist erlaubt, Gewalt mit Gewalt abzuwehren“ (vim vi repellere licet) ausgedrückt. Sie wurde in der Regel bei Angriffen auf Personen angewendet, aber auch auf Angriffe gegen Ehre oder Eigentum ausgedehnt. Die Notwehr wurde selbst in Zeiten einer objektiven Verbrechensauffassung anerkannt, wie in den kastilischen Stadt- und Landrechten. Das Naturrecht betrachtet die Verteidigung des eigenen Lebens sogar als Pflicht. Die Notwehr zur Verteidigung des Eigentums hat in Spanien eine lange Tradition, insbesondere die Rechtfertigung der Tötung eines nächtlichen Diebes, was von Rom über die Westgoten bis ins mittelalterliche kastilische und aragonesische Recht überliefert wurde. Die Verteidigung der Ehre hatte in Kastilien große Bedeutung im Fall des Ehebruchs der Frau, wobei die Rache sich stets gegen beide Ehebrecher richtete.
    • Handeln auf Befehl (Gehorsamspflicht): Die Westgoten bestraften den Diener nicht, der auf Befehl seines Herrn stahl. Kastilische Privilegien schützten den Sohn, den Diener, den Vasallen unter 25 Jahren, den Schutzbefohlenen und den Mönch, wenn sie in Erfüllung eines Befehls handelten.
    • Notstand: Rechtfertigt Handlungen, die notwendig sind, um größeren Schaden von einer Person abzuwenden. Ein bekanntes Beispiel aus den „Partidas“ ist die Erlaubnis für den Kommandanten einer belagerten Burg, im Falle einer Hungersnot sein eigenes Kind zu essen, bevor er die Festung ohne Befehl seines Herrn übergibt.
    • Unkenntnis (Irrtum): Kann sich auf Tatsachen oder auf das Recht beziehen. Im römischen Recht wurde dies anerkannt, spielte aber später keine große Rolle mehr. Bei den Westgoten galt der Grundsatz „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“.
  2. Schuldunfähigkeit

    Dies sind Gründe, die einer Handlung zwar nicht ihren verbrecherischen Charakter nehmen, den Täter aber von der Verantwortung befreien, weil sein Wille fehlerhaft gebildet wurde. Dazu gehören:

    • Geisteskrankheit: Gilt für psychisch Kranke, insbesondere wenn sie im Zustand der Erregung oder des Zorns handeln, es sei denn, die Tat wird in einem sogenannten „lichten Augenblick“ (lucidum intervallum) begangen. Die modernen Kodifikationen dehnen die Straffreiheit auch auf vorübergehende Geistesstörungen aus.
    • Alter: In Rom galt man bis zum 7. Lebensjahr als strafunmündig. Im Mittelalter wurde die Grenze auf 10 Jahre angehoben. In der Neuzeit stieg sie auf 20 Jahre (mit Ausnahmen), und die Kodifikationen setzten sie auf 16 Jahre fest.
    • Sonstige Zustände: Nach dem Naturrecht ist der Schlafwandler, der im Schlaf tötet, nicht verantwortlich. Auch der Zustand der Leidenschaft wurde zeitweise als Grund für die Schuldunfähigkeit angesehen.
  3. Schuldausschließungsgründe

    Dies sind Umstände, die den Täter von der Haftung befreien, obwohl die Handlung kriminell ist, weil sie ihm nicht zugerechnet werden kann, da sie nicht von ihm gewollt war. Dazu gehören:

    • Zufall: Wenn das Verbrechen zufällig geschieht, ohne dass der Täter es verursacht hat.
    • Zwang: Kann durch physische oder psychische Gewalt ausgeübt werden. Die psychische Gewalt (Furcht) muss laut den „Partidas“ ernsthaft sein, etwa wenn der Täter unter Androhung von Tod, Folter oder Verstümmelung handelt. Das moderne Gesetzbuch setzt voraus, dass das Übel, das die Furcht verursacht, gleich oder größer ist als das durch die Straftat verursachte.

Mildernde Umstände

Dies sind Umstände, die die Verantwortung nicht aufheben, aber die Strafe mildern. Man unterscheidet zwischen Umständen vor und nach der Tat.

Umstände vor der Tat

  • Sozialer Status des Täters: Wurde bei der Festsetzung der Strafen berücksichtigt. Bei den Westgoten wurde ein Diener zur Verbrennung verurteilt, während ein freier Mann für dieselbe Tat dem Opfer als Gefangener übergeben wurde. Im mittelalterlichen Kastilien konnten Adlige nicht durch bestimmte Erbschaften enteignet werden, und in Aragon wurden sie nicht mit Körperstrafen bestraft.
  • Sozialer Status des Opfers: Die Westgoten setzten eine höhere Entschädigung für den Tod eines Adligen fest. Im Mittelalter wurde ebenfalls je nach Rasse, Kirchenstatus usw. unterschiedlich bestraft.

Umstände nach der Tat

  • Asylrecht: Das Privileg bestimmter Institutionen (wie der römische Kaiser oder die Kirche), Kriminellen Zuflucht vor der Justiz zu gewähren.
  • Vergebung durch die geschädigte Partei: Im System der privaten Rache wirkte die Vergebung als rechtfertigender Grund, der zur Versöhnung führte. Später in der Geschichte fungierte sie als mildernder Umstand.
  • Gnadenerlass (Begnadigung): Konnte gegen Bezahlung oder unentgeltlich gewährt werden. Die Auswirkungen für den Angeklagten waren die Vermeidung von Körperstrafen, eine königliche Amnestie oder die Vermeidung bestimmter Konsequenzen, wie die Heirat des Opfers mit dem Täter beim Verbrechen der Vergewaltigung.

Erschwerende Umstände

Dies sind Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung erhöhen. Die modernen Kodifikationen betrachten den Missbrauch des Vertrauens oder den Status des Opfers als erschwerend.

  • Rückfall und Wiederholungstat: Die modernen Gesetzbücher unterscheiden zwischen Wiederholung (Begehung einer neuen, andersartigen Straftat) und Rückfall (Begehung einer neuen, gleichartigen Straftat). Die Entdeckung früherer Verbrechen erfolgt durch Strafregister. In anderen historischen Epochen wurden sie durch körperliche Merkmale erkannt, die von früheren Strafen zurückblieben.
  • Art der Tatausführung: Historisch konzentrierte man sich auf die heimtückische Tat, die in einigen Rechtsordnungen als Verrat bezeichnet wurde. Dies galt als Verbrechen gegen Personen, denen man Treue, Respekt oder Liebe schuldete. Die modernen Kodifikationen definieren Heimtücke als erschwerenden Umstand, bei dem die Tat verräterisch, sicher und ohne die Möglichkeit für das Opfer ist, sich zu verteidigen.
  • Tatort und Tatzeit: Andere erschwerende Umstände umfassen die Begehung der Tat an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten. So wurden im Mittelalter Verbrechen, die auf Märkten, auf der Straße, auf Messen oder zu bestimmten Jahreszeiten wie Weihnachten begangen wurden, besonders hart bestraft.

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