Homo Faber: Analyse von Walter Fabers Weltbild und Identität
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Homo Faber: Die Tragödie des rationalen Ingenieurs
Der Roman „Homo faber“, verfasst von Max Frisch, handelt von dem technisch versierten Ingenieur Walter Faber, der dank seiner monologischen Weltanschauung die Sicht auf technische Abläufe und Ansichten beschränkt und alle menschlichen Kontakte sowie Gefühle vermehrt ausblendet. Im Zwiespalt mit sich selbst schlägt die Handlung eine tragische Wendung ein, in der Walter Faber schließlich der Sintflut seiner Gefühle nicht mehr gewachsen ist.
Walter Faber ist ein geschäftlich erfolgreicher Ingenieur, wohnhaft in New York und gebürtiger Schweizer, der für die Hilfsorganisation UNESCO an verschiedenen Plätzen der Welt arbeitet. Auf einer seiner vielen Auslandsreisen in Südamerika muss seine Maschine, eine Super Constellation, auf dem Weg nach Venezuela kurz vor Mexiko-Stadt in der Wüste notlanden. Während dieser unplanmäßigen Zwischenlandung freundet er sich mit dem Deutschen Herbert Henke an, der, wie sich herausstellt, der Bruder von Joachim Henke ist, einem Freund, den Walter Faber seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Herbert ist auf der Suche nach seinem Bruder, der seit längerem für eine deutsche Firma Tabakfelder in Südamerika betreut, jedoch der Kontakt urplötzlich abgebrochen ist. Nach der Rettung aus der Wüste beschließt Faber, entgegen seiner bisherigen Gewissenhaftigkeit im Umgang mit geschäftlichen Reisen, Herbert bei der Suche zu begleiten. Nach einer mehrwöchigen und anstrengenden Reise finden sie Joachim schließlich erhängt in einer Hütte nahe den Tabakfeldern vor. Zurück in New York empfängt ihn seine Freundin Ivy, deren Beziehung Faber für sein Verständnis in Form eines Briefes längst beendet hat. Die Tatsache, dass sie bewusst seine Wünsche und Schilderungen ignoriert und die Trennung nicht ansatzweise wahrnimmt, lässt ihn kurzerhand seine anstehende Geschäftsreise umplanen, um Ivy noch schneller loszuwerden. Unter dem Vorwand, um nicht schon wieder zu streiten, verlässt er schon am nächsten Tag New York per Schiff, um auf der einwöchigen Reise per Zufall seine ihm bis dahin unbekannte Tochter zu treffen, deren Anziehung Faber ihm unerklärlicherweise nicht widerstehen kann. Während der kommenden Tage lernen sich die beiden immer besser kennen, wobei die Art der Kommunikation beider unterschiedlicher nicht sein könnte. Hier setzt die Textstelle ein, in der Faber Elisabeth den Motorraum des Schiffes zeigt.
In Max Frischs Roman „Homo faber - Ein Bericht“ aus dem Jahr 1957 berichtet der Protagonist Walter Faber aus seinem Leben und von Ereignissen, die sein fest bestehendes technisches und rationales Weltbild ins Wanken bringen und so neue Identitätsfragen aufwerfen. Der schweizerische Schriftsteller Max Frisch, der schon in anderen Werken wie „Andorra“ oder „Stiller“ dieser Identitätsfrage nachgeht, thematisiert auch hier das Gegenüberstehen der Identität und dem Selbstbild, dem Walter Faber gerecht werden will.
Bis zur gegebenen Textstelle hat Walter Faber auf dem Weg zu einer Dienstreise einen Flugzeugabsturz erlebt, welchen er wohlbehalten überlebt hat. Daraufhin ist er mit Herbert, der sich als Bruder seines ehemaligen Jugendfreunds Joachim herausstellt, nach Guatemala gereist, um diesen zu besuchen. Wie er dann jedoch erfahren muss, hat sich dieser umgebracht. Nach einem kurzen Aufenthalt in seinem Apartment in New York „flüchtet“ er vor seiner Lebensgefährtin, um die durch den Flugzeugabsturz unterbrochene Dienstreise fortzuführen. Dort trifft er auf Elisabeth Piper, seine Tochter, von der er nichts weiß, und beginnt eine emotionale Bindung zu ihr aufzubauen. In der vorliegenden Textstelle befindet sich Faber in Paris. Er rechtfertigt sich innerlich vor sich selbst und äußerlich von seinem Vorgesetzten Williams für seinen spontanen Ausflug nach Guatemala.
Homo Faber: Der moderne Mensch im Spiegel der Technik
„Homo faber“ bezeichnet in der Anthropologie den Typus des „modernen Menschen“. Dieser zeichnet sich durch die aktive Umgestaltung der Umwelt aus und steht dem Typus von Mensch gegenüber, der „bloß“ philosophiert. Dieses Selbstbild hat auch Walter Faber von sich. Er arbeitet als Ingenieur bei der UNESCO und bezeichnet sich selbst als Rationalisten und Techniker. Er meint, die Dinge so „zu sehen, wie sie sind“ (S. 24) und kann daher die Menschen nicht verstehen, die aus Fantasie heraus Angst empfinden („Wozu fürchten? Wozu hysterisch?“ - S. 24). Ganz seinem rationalen Weltbild entsprechend versucht Faber jeden Umstand mathematisch zu beschreiben. In logischen Erklärungen und Fakten sucht er die Sicherheit und Konstante, die er aufzubauen versucht. Er schottet sich von allem Fantastischen ab und will nur das „erleben“, was wirklich ist („Warum soll ich erleben, was gar nicht ist?“ - S. 25).
So distanziert er sich von Situationen durch seine Kamera. Durch dieses „technische Werk“ „absorbiert“ er Emotionen und Subjektivität, um so nur das „Tatsächliche“ wahrzunehmen. Sogar Joachims Tod nimmt er durch die Kamera wahr. Gleichzeitig verschließt er sich so der Natur. Als Techniker begeistern ihn zwar die technischen Geräte, die der Mensch auf der Natur basierend erschaffen hat, doch die Natur selbst empfindet er als negativ und unangenehm. So mag er es z.B. nicht, unrasiert zu sein, denn das Wachsen des Bartes bestätigt ja das natürliche Vergehen der Zeit und somit die Vergänglichkeit des Menschen in der Natur. Walter Faber versucht diese „natürliche Tatsache“ durch die Technik, den Rasierer, zu verhindern.
Er sieht das Leben, wie Hanna erkannte, als bloße Addition von Ereignissen. Er will den Tod als Ende des menschlichen Daseins nicht sehen oder akzeptieren, blendet ihn aus und geht davon aus, dass der Mensch wie eine Maschine immerfort bestehen kann.
Walter Faber ist ein Freund von Routine und kann es nicht ertragen, wenn etwas nicht so funktioniert, wie er es erwartet. Das sieht man am Rasierapparat. Wollte Faber eigentlich ins Kino gehen und war schon ungeduldig, dass Ivy so lange zum Fertigmachen brauchte, vergisst er dies, als er merkt, dass sein Rasierer nicht funktioniert und nimmt den Apparat auseinander, obwohl er auch einfach seinen zweiten funktionsfähigen Rasierer hätte benutzen können. Er ist der Ansicht, dass jedes Problem wie eine mathematische Gleichung mindestens eine Lösung hat, beachtet aber den Fakt nicht, dass diese Lösung auch lauten kann, dass es keine Lösung gibt, dass die Lösungsmenge also der leeren Menge entspricht. Diese Weltansicht hängt stark mit seinem Berufsbild des Ingenieurs zusammen. Während viele Menschen arbeiten, um das Geld zum Leben zu haben, lebt Faber, um zu arbeiten. Seine Arbeit hat allerhöchste Priorität, in seinem beruflichen Umfeld wird er als „gewissenhaft, gerade zu pedantisch“ (S. 33) bezeichnet. Er hat, nach eigenen Angaben, noch nie ein berufliches Meeting wegen einer Frau verpasst. Dieses Pflichtbewusstsein zieht sich auch durch sein Privatleben. So war es seine Absicht, Hanna zu heiraten, um sie vor der Abschiebung zu bewahren. Sein Handeln ist meist zielgerichtet mit einer bestimmten Absicht, er ist vorausdenkend und geht dabei davon aus, dass die Zukunft durch Wahrscheinlichkeiten berechenbar ist. Denn seiner Überzeugung nach gibt es keine „Fügung“, kein „Schicksal“, all diese Ereignisse, die unerwartet passieren, sind Ketten von Zufällen und Unwahrscheinlichkeiten. Daher ist er leidenschaftlicher Schachspieler. Hierbei zählt die Taktik, das Vorausdenken und nicht nur der nächste Zug.
Fabers Verhältnis zur Natur und zu Frauen
Wie schon erwähnt, ist Faber kein Freund der Natur. Immer wenn die Natur eintritt, verliert er seine Kontrolle. So hasst er es, einer Krankheit zu erliegen, war aber bisher auch nie richtig krank (umso dramatischer ist sein „Ende“ durch eine Krankheit) oder sehnt sich in bloßer Natur nach Elektrizität. Die eindeutigsten Situationen, in denen die Natur mit ihm „durchgeht“, sind Situationen seiner sexuellen Triebe. Dieser Kontrollverlust im Leben entspricht nicht seinem „Plan“. Daher geht er in Beziehungen zu Frauen nur ungern emotionale Bindungen ein und kann sie nur auf bestimmte Zeit „ertragen“.
Sein Frauenbild ist klar gezeichnet von Naivität und Unverständnis ihm gegenüber. Auch manche Männer, aber vor allem Frauen, zeichnen sich durch ihr mystisches und fantasievolles Denken bzw. Interesse aus. Für ihn, der alles nur für erklärlich hält, ist es „weibisch“, sich derart täuschen und beeindrucken zu lassen. Daher schließt sich das technische Verständnis von Frauen automatisch aus, wodurch er sich in der Ratio klar überlegen fühlt. Seiner Ansicht nach neigen Frauen dazu, unglücklich zu sein (vgl. S. 92) und haben auch sonst die lästige Eigenschaft, schnell zu anhänglich zu sein (alle Frauen sind Ivy = Efeu). Sie sind emotional gelenkt, empfinden Gefühle ohne Grund und sind von anderen Menschen abhängig. Ohnehin ist für den rauchenden und schachspielenden Faber das Gefühl nur eine Ermüdungserscheinung. Daher wehrt er sich davor, sentimentale Züge zu zeigen.
Das Selbstbild des Homo Faber und seine Brüchigkeit
Faber hat sich ein eigenes Selbstbild aufgebaut. Er will in den Typus „Homo faber“ passen, doch bei genauerem Hinsehen ist er es schon am Anfang der Erzählung nicht genau. In Stresssituationen redet er z.B. gerne. Walter Faber ist ein Freund des Sicherheitsgefühls, und das glaubt er durch sein vorbestimmtes Bild zu erreichen. Daher stellt er sich gar nicht die Frage der Identität, sondern zwingt sich, seine Wunschidentität anzunehmen. Dass er dabei verkennt, dass der Mensch eben keine Maschine aus Fleisch ist, wird ihn später einholen. Im Laufe seines Lebens wird er erfahren, dass seine Addition leider (oder zum Glück?) die Rechengesetze außer Acht gelassen hat, denn es gilt bekanntlich „Punkt vor Strich“ (Punkt = Emotion und Leben; Strich = Walters jetziges Leben für den Beruf).
Uns ist bekannt, dass Fabers Leben sich durch Sabeth grundlegend verändert.
Faber in Paris: Der Kampf mit der Unsicherheit
In diesem Textabschnitt befindet sich Faber in Paris. Er versucht sofort, nach dem „Ausbruch“ aus dem Plan, die Reise nach Guatemala und der Schiffsreise, wieder in seine berufliche Routine zu kommen, indem er seinem Vorgesetzten von den Ereignissen erzählt und diese zu rechtfertigen versucht. Diese ihm bringende Routinearbeit weicht nun aber der Unsicherheit bringenden Tatsache, dass Williams Fabers Erklärung nicht so aufnimmt und akzeptiert, wie Faber es sich gewünscht hätte. Dies wird durch einige sprachliche Besonderheiten deutlich: zum einen viele „Pausen“, die durch „...“ - offene Sätze und Gedankenstriche beschrieben werden, zum anderen die Gegenüberstellung von „Normal“ und „Merkwürdig“. Denn obwohl Paris „wie üblich“ war, er „wie üblich“ am Quai Voltaire wohnte und sein Zimmer „wieder“ einen Blick auf die Seine hatte, empfindet er Williams als „merkwürdig“. Es ist erkennbar, dass Faber sich aufgrund seiner ungeplanten Unternehmungen in Guatemala und auf dem Schiff verunsichert fühlt und das Bedürfnis hat, sich zu rechtfertigen. Plötzlich hat das seinem Zimmer gegenüber stehende Louvre eine emotionale Bedeutung für ihn. Es ist nicht mehr nur noch ein Gebäude, das er noch nie besucht hat, sondern ein Museum, das nach Sabeths Meinung besucht werden musste.
Die immerwährende Wiederholung „It's okay!“ von Williams erinnert stark an eine Maschine, die das Gesagte nicht versteht, aber einfach so programmiert ist, immer wieder „It's okay!“ zu sagen. Für Walter Faber stellt diese Wiederholung keine Sicherheit und kein Verständnis von Williams dar, sondern die pure Unverständnis eines „Vaters“, der meint, bereits alles zu wissen und durchschaut zu haben, und nur zur Beruhigung seinem „Sohn“ über den Kopf streicht und diese Worte wiederholt. Auffällig ist die Länge des Satzes „'It's okay', sagte er, 'it's okay', immer wieder, während ich Rechenschaft ablegte wegen meiner kurzen Guatemala-Reise, die ja, wie sich in Caracas herausgestellt hatte, keinerlei Verzögerung bedeutete, da unsere Turbinen noch gar nicht zur Montage bereit waren, ganz abgesehen davon, daß ich ja zu den Konferenzen hier in Paris, die das wichtigste Ereignis dieses Monats darstellten, rechtzeitig eingetroffen war.“ in welchem Faber sich rechtfertigt und die nicht vorhandenen beruflichen „Konsequenzen“ aufzeigt, in welchem er also seine „Unschuld“ zu erklären versucht. So rechtfertigt er sein „menschliches Handeln“ damit, dass die „Maschinen“ (also die Turbinen) noch gar nicht bereit waren, um montiert zu werden, dass das menschliche „weibische“ Handeln keine schlechten Auswirkungen hat, weil die Technik selbst Fehler aufwies.