Impressionismus: Kunst, Gesellschaft und die Revolution
Eingeordnet in Sozialwissenschaften
Geschrieben am in
Deutsch mit einer Größe von 6,01 KB
Die Kunst im Wandel: Revolution und Industrialisierung
Die Französische Revolution und die damit verbundenen Ziele festigten die Entwicklung des Kapitalismus und der Industrialisierung. Dies führte zur Entstehung einer wohlhabenden Hoch- und Mittelschicht, die später die Rolle der Akademie als zentrale Macht im Kunstbereich herausfordern sollte.
Das traditionelle Kunstsystem und die Akademie
Die Kunst war traditionell durch die Akademie organisiert und stand in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Käufer. Die Akademie vergab Aufträge und legte strenge Regeln fest, denen die Künstler folgen mussten. Die Kunst diente primär der Kirche und der Aristokratie.
- Kirchliche Aufträge: Streng festgelegte Regeln bezüglich biblischer Themen und Symbole.
- Aristokratische Aufträge: Porträts zur Darstellung von Würde und Status.
Aktgemälde und Darstellungen von Gottheiten waren nur in bestimmten Kontexten erlaubt. Landschaftsbilder wurden meist im Atelier gemalt. Die Ästhetik des vergangenen Jahrhunderts (bis zur Jahrhundertwende) war von Naturforschern geprägt und machte erste Schritte zur Selbstständigkeit der Kunst.
Das 19. Jahrhundert: Aufstieg der Bourgeoisie und neue Kunstmärkte
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts führten wissenschaftliche Entdeckungen und die fortschreitende Industrialisierung zu einer neuen Phase des Kapitalismus. Dies schuf eine große neue soziale Gruppe: die Mittelschicht (Bourgeoisie). Diese dynamische, liberale Gruppe hatte einen ästhetischen Geschmack, der sich von den traditionellen, hierarchischen Vorschriften der Aristokratie und des Großbürgertums unterschied.
Die Souveränität des Künstlers
Die neuen Kunden gaben den Künstlern mehr Souveränität. Künstler begannen, sich in Gruppen zu treffen, organisierten eigene Ausstellungen und Verkäufe außerhalb des offiziellen Salons der Akademie. Der Verkauf erfolgte nun direkt an den Käufer oder über Kunsthändler.
Der Beginn des Impressionismus (ab 1870)
Der Impressionismus brach mit der traditionellen Malerei und wurde zum Ausgangspunkt der Kunst des 20. Jahrhunderts. Ab den 1870er Jahren entschied sich eine Gruppe junger Künstler, den akademischen Konventionalismus hinter sich zu lassen. Ihr Hauptinteresse galt der Freilichtmalerei (Pleinair). Sie wollten die Landschaft malen und das Licht so darstellen, wie es sich in der Natur zeigte – ein Problem, das sie bewusst konfrontierten (obwohl frühere Meister wie Leonardo, Tizian, Velázquez und Rembrandt bereits versucht hatten, die Atmosphäre einzufangen).
Der Impressionismus war sowohl eine eigene Kunstform als auch ein Spiegelbild der zeitgenössischen Gesellschaft. Die jungen Maler sahen sich jedoch scharfer Kritik ausgesetzt. Insbesondere Édouard Manet löste 1863 mit seinem Gemälde „Le Déjeuner sur l’herbe“ einen Skandal aus, der die traditionellen Kunstsektoren empörte. Trotz dieser negativen Atmosphäre pflegten die befreundeten Künstler enge Beziehungen, wie Manet und Renoir, die oft gemeinsam an der Seine malten.
Die impressionistischen Künstler arbeiteten nicht intuitiv, sondern schnell, basierend auf eingehenden Studien der Techniken.
Technische Merkmale des Impressionismus
Die Impressionisten revolutionierten die Maltechnik durch die wissenschaftliche Erforschung von Licht und Farbe.
Farbenlehre und Licht
- Wissenschaftliche Basis: Ende des 19. Jahrhunderts wurde die optische Theorie von Chevreul bekannt.
- Farbkomponenten: Die Künstler nutzten die Erkenntnis, dass die dritte (komplementäre) Farbe durch die Mischung der beiden Grundfarben entsteht.
- Optische Mischung (Justaposizione): Statt die Farben auf der Palette zu mischen, wurden die Grundfarben in kleinen Tupfern nebeneinander gesetzt, sodass die Mischung erst im Auge des Betrachters stattfand.
- Schwarzverzicht: Schwarz wurde weitgehend vermieden, um harte Hell-Dunkel-Kontraste zu eliminieren und die Helligkeit zu maximieren.
Die Darstellung des Lichts
Im Impressionismus wird die Wirklichkeit durch die Darstellung von Lichtschattierungen erfasst. Das Licht selbst wird zum Hauptthema. Die Farbe wird als Schattierung des Lichts verstanden.
- Schattenfarbe: Dunkle Schatten verschwinden nicht, sondern werden mit Komplementärfarben gemalt, wodurch sie heller und farbiger erscheinen.
- Pinselstrich und Zeichnung: Die Zeichnung verschwand zugunsten des Pinselstrichs. Kurze, lockere, pastose Pinselstriche erzeugten Vibrationen, um die Atmosphäre besser darzustellen.
Neue Themen und Arbeitsweise
Die Maler verließen ihre Ateliers und widmeten sich der objektiven Darstellung der alltäglichen Realität, sowohl in ländlicher als auch in städtischer Atmosphäre. Die Arbeit im Freien (Pleinair) war zentral, wobei die Lichtverhältnisse und die Breite des Motivs berücksichtigt wurden.
Da das Licht in der Natur variabel ist, mussten die Anforderungen der neuen Technik schnell erfüllt werden: Licht, Farbe und Atmosphäre mussten in einer einzigen Sitzung erfasst werden. Dies erforderte eine befreite, lockere Pinselführung, weshalb die Bilder oft als „unvollständig“ empfunden wurden.
Einfluss der Fotografie und die Avantgarde
Die Entwicklung der Fototechnik förderte die Autonomie der Künstler. Die Fotografie bot eine neue Möglichkeit, die Realität auszudrücken, indem sie lockere, unkonventionelle Ausschnitte lieferte. Der Impressionismus öffnete somit den Weg für die Avantgarde-Bewegungen des 20. Jahrhunderts.
Obwohl der Impressionismus nicht als vollständige Avantgarde-Bewegung im späteren Sinne gilt, teilten die Künstler eine ästhetische Gemeinschaft und ermutigten sich gegenseitig zu gemeinsamen Ausstellungen. Es gab jedoch keine gemeinsame Ideologie oder ein spezifisches Programm, das die Gruppe festlegte.