Die Indoeuropäischen Sprachen: Gruppen, Geschichte und Erbwörter

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Indoeuropäische Sprachen und Sprachgruppen

Die wichtigsten indoeuropäischen Sprachgruppen sind:

Indoiranische Sprachen

Die Entdeckung des klassischen Altindisch, des Sanskrit, war bedeutend für die historisch-vergleichende Sprachforschung. Die neuindischen Sprachen (z. B. Hindi, Bengali, Urdu) und die Zigeunersprachen gehören zu dieser Gruppe. Iranisch lebt u. a. im Neupersischen, Kurdischen und Paschtu weiter.

Griechisch

Griechisch gehört zu den altertümlicheren indoeuropäischen Sprachen. Neugriechisch hat sich aus der Gemeinsprache der nachklassischen Zeit (Koiné) entwickelt, in der u. a. das Neue Testament geschrieben wurde.

Italische und Romanische Sprachen

Lateinisch, die Sprache der Stadt Rom, verdrängte mit der zunehmenden Macht der Römer die übrigen italischen Sprachen und viele einheimische Sprachen anderer unterworfener Gebiete. Aus dem Vulgärlatein (d. h. der lateinischen Volkssprache) haben sich, z. B. durch die Sprechgewohnheiten anderssprachiger Völker, die romanischen Sprachen entwickelt: Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Rumänisch, Rätoromanisch.

Keltische Sprachen

Keltische Sprachen wie z. B. Gallisch waren vor der Völkerwanderungszeit über einen großen Teil Europas verbreitet, bis sie von germanischen und romanischen Sprachen verdrängt wurden. Auf englischem und französischem Sprachgebiet gibt es noch etwa 2–3 Millionen Keltischsprechende.

Baltische und Slawische Sprachen

Baltische Sprachen: Heute werden noch Lettisch und die altertümliche litauische Sprache gesprochen.

Slawische Sprachen: Dazu gehören u. a. Russisch, Sorbisch, Polnisch, Slowakisch, Tschechisch, Serbokroatisch, Slowenisch und Bulgarisch.

Germanische Sprachen

Englisch, Deutsch, Niederländisch, Afrikaans, Friesisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Färöisch, Isländisch (s. Kapitel 6).

Weitere Indoeuropäische Sprachen

Auch Albanisch, Armenisch und einige ausgestorbene Sprachen wie Hethitisch, Illyrisch, Tocharisch, Thrakisch und Phrygisch gehören hierher.

Nicht-indoeuropäische Sprachen in Europa sind u. a. Finnisch, Estnisch, Lappisch, Ungarisch, Baskisch und Türkisch.

Was verbindet nun das Deutsche und andere germanische Sprachen mit den übrigen indoeuropäischen Sprachen? Die Ähnlichkeiten zeigen sich sowohl in einem aus ältester Zeit stammenden Grundwortschatz (der sich natürlich, was Lautgestalt und Bedeutung betrifft, in den verschiedenen Sprachen häufig verändert hat) als auch in gewissen morphologischen Elementen, die teilweise aber nur noch in den ältesten Sprachstufen erhalten sind.

Indoeuropäischer Wortschatz: Erbwörter und Rekonstruktion

Nur von wenigen indoeuropäischen Sprachgruppen kennt man schriftliche Überlieferungen aus der Zeit vor Christus, und der zeitliche Unterschied zwischen den Erstbelegen der Sprachen ist groß. Die ältesten (Griechisch, Hethitisch und Indisch) stammen aus dem 15. bis 13. Jahrhundert v. Chr. Seit etwa 600 v. Chr. ist geschriebenes Italisch überliefert. Die älteste, längere germanische Überlieferung ist ein um 500 n. Chr. geschriebener gotischer Text. Baltisch ist erst seit dem 15. Jahrhundert belegt.

Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft, besonders des vorherigen Jahrhunderts, hat jedoch durch systematische Vergleiche lautliche, lexikalische und grammatische Übereinstimmungen zwischen den indoeuropäischen Sprachen festgestellt, bei denen es sich nicht um Lehngut handelt, sondern die auf eine gemeinsame Vorstufe zurückgehen müssen.

Zum Beispiel sogenannte Wortgleichungen haben ergeben, dass gewisse Wortfelder für indoeuropäische Sprachen gemeinsam sind:

  • Haustiere und Viehzucht: Kuh, Ochse, Ziege, Schwein, Hund, Gans, Biene, melken, Wolle, Met.
  • Bäume und wilde Tiere: Buche, Birke, Eiche, Föhre, Elch, Fuchs, Hase.
  • Behausung: Zimmer, Wand.

Andere Wortfelder sind in den verschiedenen Sprachen verschiedenen Ursprungs, z. B. Ackerbau, das offene Meer und die Schifffahrt.

Dies sind natürlich keine eindeutigen Beweise, denn es gibt mehrere unsichere Faktoren wie den Bedeutungswandel, das Verschwinden von Wörtern usw. Ebenso wenig lässt sich mit Sicherheit beweisen, dass ein gemeinsames Indoeuropäisch als Kommunikationsmittel existiert hat.

Aus dem durch Wortgleichungen rekonstruierten Wortschatz hat man trotzdem einige Schlussfolgerungen über Kulturstufe, geografische Heimat und Kultur der Indoeuropäer gezogen:

  • Sie lebten wahrscheinlich vor etwa 6000 Jahren südlich des Kaukasus in einer Jungsteinzeitkultur.
  • Ihre Werkzeuge wurden aus Stein hergestellt, obwohl man das Kupfer kannte.
  • Die Indoeuropäer waren Viehzüchter, und erst später kam der Ackerbau hinzu. Anfangs kannte man nur die Gerste.
  • Man lebte in einer Großfamilie. Erbwörter sind u. a. Vater, Mutter, Sohn, Bruder. Die Verwandtschaftsbezeichnungen waren damals viel differenzierter als im heutigen Deutsch, was man teilweise noch im Schwedischen erkennen kann (farfar und morfar, farmor und mormor gegenüber Großvater, Großmutter). Bis ins 18. Jahrhundert unterschied auch das Deutsche, wie heute noch das Schwedische, zwischen Vetter und Base einerseits und den heute veralteten Bezeichnungen Oheim und Muhme andererseits.
  • Die Indoeuropäer zählten vermutlich die Zeit nach Nächten, nicht nach Tagen. Eine Rolle als Zeitmesser spielten demnach auch die Mondwechsel.
  • Man kannte das Zehnersystem: Die Zahlen 1–10 und 100 sind Erbwörter in den indoeuropäischen Sprachen.

Etymologische Beispiele für Erbwörter

Vieh
Die indoeuropäische Bedeutung „Wolltier, Schaf“ erweiterte sich auf Vieh überhaupt (lat. pecu(s), ahd. vihu, nord. ). Dass einst das Vieh der Hauptbesitz der Indoeuropäer war, erklärt den späteren Bedeutungsübergang zu Vermögen, z. B. im got. faihu, eng. fee und den abgeleiteten lat. Substantiven pecunia (Geld) und feudum (Lehngut).
Messer / Sachsen
Ahd. sahs (Schwert) ist im Neuhochdeutschen ausgestorben, aber im Wort Messer (urgerm. *matisahsa) und dem Namen Sachsen erhalten geblieben. Im Althochdeutschen bezeichnete sahs ein langes Messer, das als die Nationalwaffe der Sachsen galt. Schwed. sax (Schere) ist ein alter Plural, also „Klingen, Schneiden“.
Gast
Bedeutet ursprünglich „Fremder“. Die zwiespältige Einstellung einem Fremden gegenüber (feindlich und freundlich) zeigt sich in der unterschiedlichen Bedeutungsentwicklung des Wortes: lat. hostis (Feind), aber russ. Gospodin (Herr) und lat. hospes (Gastfreund, Gastgeber). Auf hospes gehen wiederum die Wörter Hospital, Hotel und Hostess zurück.
Garten
Bedeutet eigentlich „umzäunter Besitz“ (Altschwedisch garper [Zaun], eng. yard [Hof], russ. gorod [Stadt], lat. hortus [Garten]). Das frz. jardin ist ein Lehnwort aus dem Althochdeutschen.

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