Die Industrielle Revolution: Ursachen, Entwicklung & globale Auswirkungen
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Die Industrielle Revolution (1750-1870): Eine Welt im Wandel
Warum die Industrielle Revolution in Europa? Die Große Divergenz
Die Große Divergenz (oder das European Miracle) beschreibt den Prozess, durch den die westliche Welt die Grenzen des Wirtschaftswachstums des Ancien Régime überwand und zu den mächtigsten und reichsten Ländern der Welt aufstieg. Ursachen dieser Divergenz waren komplexe Faktoren wie Traditionen, staatliche Interventionen, geografische Gegebenheiten und alte Zollpraktiken, die in vielen Dörfern üblich waren.
Warum war Europa fortschrittlicher als andere Regionen? Klima, geografische Lage, natürliche Ressourcen sowie religiöse und philosophische Ansichten zur Gesellschaftsorganisation werden als entscheidende Faktoren genannt. Die ersten drei werden oft als bloße Vermittler des Prozesses betrachtet, während die letzten beiden als grundlegend angesehen werden. Das vorindustrielle Europa zeichnete sich als Region aus, in der individuelle Freiheiten durch eine Vielzahl politischer und kultureller Institutionen (wie Universitäten) sowie eine kodifizierte (schriftliche) Rechtsprechung und Behörden, die Gesetze durchsetzten, ein höheres Niveau erreichten. England war hierbei ein Pionier.
Die Industrielle Revolution in Großbritannien
Warum England der Pionier war
England vereinte schneller als andere europäische Länder die größte Anzahl günstiger Wachstumsbedingungen. Dazu gehörten:
- Ein gemäßigtes Klima.
- Reichlich Wasserressourcen.
- Kohle als wichtige strategische Ressource.
Länder mit Kohlevorkommen konnten sich besser entwickeln. England war zudem in der Lage, seine eigene Kultur und sein institutionelles politisches System zu entwickeln.
Merkmale der Industrialisierung in England
Die Industrialisierung umfasste Bevölkerungsentwicklung, Fortschritte in der Landwirtschaft, der Sekundärindustrie, der Fertigung und der Marktkommunikation. Das Wachstum beschleunigte sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts, und ab 1780 entwickelte sich England als erstes Land.
Bevölkerungswachstum und Urbanisierung
Die Bevölkerung wuchs stark an, insbesondere in London, das am schnellsten wuchs. Im Jahr 1751 hatte London mehr Einwohner als Wales, und 1801 übertraf seine Bevölkerung die Schottlands.
Textilindustrie: Innovation und Herausforderungen
Die Nachfrage nach Garn stimulierte technologische Fortschritte in der Weberei. Der erste mechanische Webstuhl wurde 1785 (Ende des 18. Jahrhunderts) erfunden, fand aber damals keine breite Anwendung. Dieser Prototyp wurde später verbessert und im frühen 19. Jahrhundert erfolgreich eingeführt. Erst ab den 1830er Jahren des 19. Jahrhunderts erfolgte eine allgemeine Nutzung. Der Grund dafür waren die niedrigen Löhne der Weber und fehlende Anreize zur Einführung mechanischer Webstühle. Die Diskussion um Webstühle und Spinnmaschinen (Mules) betraf die Vergrößerung von Produktion, Arbeit und Kapital. Die Einführung der Dampfkraft ermöglichte den Betrieb dieser Maschinen.
Im 19. Jahrhundert führte die bedeutende Einsparung von Arbeitskräften durch diese Maschinen zu Unruhen unter den Handwerkern.
Modernisierung der Stahlindustrie
Eine weitere Modernisierung betraf die Stahlindustrie (Eisenproduktion in Hochöfen). In diesem Sektor konzentrierte sich der technische Wandel auf die Einsparung von Rohstoffen, insbesondere Brennstoff. Das Problem der Engländer war der Brennstoffmangel, der eine Innovation erforderte, um Kohle als Brennstoff zu ersetzen. Bis Mitte des Jahrhunderts konnten sie ihren eigenen Markt nicht einmal durch Importe versorgen.
Die Lösung kam 1709, als Darby erstmals Kohle im Hochofen einsetzte, um Roheisen zu produzieren (Roheisen war damals nicht für alle Anwendungen leicht nutzbar). Später musste es in Schmiedeeisen umgewandelt werden, das besser zu verarbeiten war. In den Jahren 1783-1784 produzierten „Puddler“ Schmiedeeisen im Ofen durch das „Puddelverfahren“ in einem „Flammofen“. Puddeln bedeutete die richtige Zugabe von Kohle zur Mischung. Im späten 18. Jahrhundert wurden nicht nur die Vorteile der Holzkohle beseitigt, sondern diese Prozesse sparten auch Zeit und vervielfachten die Produktion. Die Entwicklung der Stahlindustrie wurde von einer anhaltenden Expansion der Metallindustrie begleitet, die von billigeren Importen profitierte.
Welthandel und britische Dominanz
Handelsstruktur: Was wurde gekauft und verkauft?
Mitte des 18. Jahrhunderts war Großbritannien ein wichtiger Exporteur von Wollprodukten (69% der Exporte). Es war ein koloniales Exportland für Produkte aus dem kolonialen Amerika, Asien und Europa.
Bis 1801 hatte die Industrialisierung die Handelsstruktur verändert: Großbritannien wurde zum Lebensmittelimporteur und begann, Getreide einzuführen. Baumwolltextilien machten 40% der Exporte aus, während der Anteil der Wolle sank. Stahlprodukte begannen, ihre Präsenz in den Exporten zu zeigen. Großbritannien wurde zur „Werkstatt der Welt“.
Baumwolltextilien und Eisenprodukte wurden zunächst auf dem Binnenmarkt und bald auch in Europa abgesetzt. Mit der Zeit wurde der europäische Markt jedoch weniger wichtig, und die Produktion verlagerte sich auf Schwellenmärkte in Lateinamerika und im Osten (z.B. Indien). Der Grund für diese Veränderung war, dass diese Länder zuvor ihre eigenen Produkte kauften oder ihre Produktion für ihre Bürger bestimmten. Der europäische Markt wurde geopfert, da der Produktpreis sank und somit die Qualität reduziert werden musste.
Entwicklung des Transportwesens
Aus wirtschaftlicher Sicht führte die Proletarisierung zu einer erhöhten Nachfrage nach Arbeitskräften in den Städten. Die Anpassung an das städtische Leben stimulierte die Märkte, und um die wachsende Nachfrage zu bewältigen, mussten die Transportsysteme erweitert und verbessert werden. In dieser Zeit erfolgte eine anhaltende Aufwertung des Verkehrs.
Wichtige Transportsysteme (nach Fontana und Cameron)
- Straßennetz: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich das Straßennetz durch die Einführung neuer Bautechniken, die im 19. Jahrhundert weiter vorangetrieben wurden.
- Binnenwasserstraßen und Häfen: Die wichtigsten Binnenwasserstraßen (Flüsse) und Seehäfen wurden durch den Bau von Kanälen erweitert. Dieser expansive Boom führte dazu, dass private Unternehmen mehrere Kanäle bauten, um den Schwerlastverkehr von der Straße auf die Kanalschifffahrt zu verlagern.
- Küsten- und Überseeschifffahrt: Sowohl externe Navigation als auch die Kabotage wuchsen. Da die alten Häfen die wachsende Nachfrage nicht mehr bewältigen konnten, wurden Investitionen in neue Hafenanlagen getätigt.
- Eisenbahn: Die Eisenbahn entwickelte sich in dieser Phase und trug zur Handelsentwicklung bei, was wiederum eine hohe Nachfrage in der Metallurgie erzeugte.
Die Eisenbahn im britischen Fall: Funktionen
Die Eisenbahn hatte zwei Hauptfunktionen:
- Transportfunktion: Sie senkte die Transportkosten und die Kosten für die Last, was zur Schaffung eines Eisenbahnnetzes führte, das verschiedene Punkte miteinander verband.
- Industrielle Funktion: Der Bau der Eisenbahn förderte intensiv die Entwicklung der Stahlindustrie und Metallurgie.
Fazit zum Transportwesen
Die neuen Verkehrssysteme waren schneller und arbeitssparender. Sie erhöhten auch die Zugkraft (Verlagerung von Pferd zu Maschine) und waren kostengünstig. Dies führte zu einem doppelten Nutzen: für Verbraucher und Unternehmen (durch den Betrieb dieser Verkehrsmittel). Es begünstigte den weit verbreiteten Konsum und höhere Einsparungen für Unternehmen. Zudem mussten Unternehmen keine großen Lagerbestände mehr halten, wodurch ihr Kapital für produktive Investitionen freigesetzt wurde.
Die Ausbreitung der Industrialisierung in Europa und den USA
Phasen der Ausbreitung
Die erste Phase der Industriellen Revolution begann um 1750. Die Einbeziehung anderer westeuropäischer Länder erfolgte bis 1870.
Faktoren der Industrialisierungs-Ausbreitung
- Reichlich natürliche Ressourcen: Länder, die wie Großbritannien über Kohle, Eisen, Wasser und Wasserkraft verfügten, entwickelten sich schneller. Das Fehlen dieser Ressourcen erklärte die spätere Industrialisierung anderer Länder wie Italien und Schweden, die keine Kohle hatten.
- Technologische Fortschritte in der Landwirtschaft: Die Entwicklung der Landwirtschaft, die den Übergang zur Industrie erleichterte, erforderte einen Wandel hin zur Handelslandwirtschaft und die Beseitigung feudaler Rechte. Dies förderte den Wandel.
- Existenz einer vorindustriellen Basis: Die führenden Sektoren der ersten Industriellen Revolution (Textil und Stahl) waren bereits in einigen Teilen Europas in der vorindustriellen Zeit stark.
- Geografische Lage: Für einige Länder war es ein Vorteil, in der Nähe der Insel England zu sein, da dies den technischen Austausch, die Arbeitsmigration und den Import von Maschinen erleichterte.
- Elemente der technologischen Transformation: Grundlegende technologische Innovationen wurden durch Spionage, wissenschaftliche Literatur, Geschäftsreisen und technische Kontakte gefördert. Die Technologie entwickelte sich zunächst aus dem Handwerk, wurde aber zunehmend wissenschaftlicher.
- Politische Stabilität und Institutionen für Wirtschaftswachstum: Nationalstaaten gewannen an Macht, die zunehmend mit ihrer industriellen Stärke verbunden war, nicht nur mit Armee oder Marine. Die Industrialisierung wurde als der effektivste Weg zur Vergrößerung der nationalen Macht angesehen. All diese Aspekte erzeugten positive externe Effekte.
- Anfängliche Verzögerung: Natürliche physikalische Faktoren und Energiequellen (z.B. Abhängigkeit von Wäldern in Teilen Westeuropas) führten zu anfänglichen Verzögerungen.
Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Finanzsysteme
Sozio-institutionelles Regime
Die Überwindung des ehemaligen Wirtschaftssystems erleichterte die bürgerliche Revolution. In Europa kam es zu bürgerlichen Revolutionen, politischen Veränderungen und einer späteren wirtschaftlichen und industriellen Umgestaltung. Die ersten industrialisierten Länder, die günstige Voraussetzungen für den Zugang zur Industrialisierung besaßen, waren Gebiete in Belgien (Wallonien und Lüttich), im Norden und Osten Frankreichs, an der deutschen Grenze, in einigen deutschen Bezirken (z.B. Nordrhein-Westfalen) und im östlichen und mittleren Westen Amerikas.
Ausbau internationaler Wirtschaftsbeziehungen: Faktoren
- Internationalisierung der Industriellen Revolution: Dies umfasste die Entwicklung des internationalen Handels (Rohstoffe wie Kohle und Eisenerz), Urbanisierungsprozesse und Transportsysteme. Wichtige Elemente waren Kohle und Eisenerz sowie die Entwicklung von Rohstoffen und Mineralien. Die Städte erlebten einen doppelten Bevölkerungswachstumseffekt durch natürliches Wachstum und Einwanderung. Städte waren oft unvorbereitet auf die moderne Entwicklung und benötigten Infrastruktur wie Sanitäranlagen, Heizung, Abwasserkanäle, Trinkwasserversorgung und Beleuchtung. Diese Verbesserungen wirkten sich auf die Bevölkerung aus. Städte wurden zu Investitionsstandorten mit großer Kapazität und verbesserten sich allmählich. Die Säuglingssterblichkeit stieg. Die englischen Städte waren bereits modernisiert. Die Entwicklung des Verkehrs und angemessene Transportnetzwerke, wie der Versand über Kanäle und Häfen, waren entscheidend.
- Internationale Investitionen: Dies bedeutete, dass Länder in Eisenbahnen und neue Gebiete investierten. Europa entwickelte sich und investierte gleichzeitig in Länder, die die Zweite Industrielle Revolution vorantreiben würden.
- Wirtschafts- und Währungspolitik: Die Ausbreitung des Freihandels und des Goldstandards. Die Schaffung eines rechtlichen und institutionellen Rahmens bot Rechtssicherheit für die Entscheidungen der Wirtschaftsakteure. Die Politik des Freihandels bedeutete keine staatlichen Eingriffe in die internationalen Handelsbeziehungen; Waren wurden durch die Vorteile und die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder reguliert. Beispiele hierfür sind der Zollverein (Wirtschaftsunionsvertrag, 1833), der auch den Eisenbahnbau förderte. Der Cobden-Chevalier-Vertrag (1860) zwischen England und Frankreich war ein Freihandelsabkommen, das den Wert des Handels vervielfachte. Der Goldstandard als Währungsreferenz gab europäischen Währungen mehr Gewicht. Das britische Pfund war im 19. Jahrhundert bereits an den Goldstandard gebunden.
Finanzsysteme und Kapitalmärkte
Finanzsysteme (Banken, Versicherungen etc.) fungierten als Vermittler, um Kapital zu mobilisieren und Geschäftsinitiativen zu fördern. Wichtige Institutionen waren die Börse (Kapitalmarkt) und Banken. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Anlagemöglichkeiten begrenzt auf drei Bereiche: den Erwerb von Grundstücken und städtischen Immobilien sowie private Darlehen. Nach und nach entstanden weitere Anlagemöglichkeiten: Eisenbahnen (sehr sicher) und in geringerem Maße industrielle Partnerschaften. Die Entwicklung von Unternehmen und die rechtliche Absicherung des Prinzips der beschränkten Haftung trugen zur Popularität von Börseninvestitionen bei. Die Aktiengesellschaft (AG) wurde zu einer wichtigen Rechtsform. Sparen und der Handel mit Aktien am Aktienmarkt wurden signifikant.