Die Industrielle Revolution: Ursprünge, Entwicklung und Auswirkungen

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Die Industrielle Revolution bezeichnet eine tiefgreifende Phase gemeinsamer wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen, die den Übergang von agrarischen zu industriellen Gesellschaften markierte. Sie umfasste weitreichende technische Neuerungen, die zu einer erhöhten Produktion, Wohlstand und Bevölkerungswachstum führten. Die Auswirkungen waren weitreichend und betrafen soziale, politische und koloniale Strukturen. Der Begriff "Industrielle Revolution" kam um 1880 auf, um eine plötzliche Veränderung der Wirtschaftsstrukturen und vorindustriellen Gesellschaften innerhalb kurzer Zeit zu beschreiben. Heute wird dieser Begriff oft als Industrialisierung bezeichnet.

1. Von der Agrargesellschaft zur industriellen Produktion

In Agrargesellschaften ergänzten Handwerksbetriebe, die oft als dezentrale ländliche Industrie organisiert waren, das Einkommen aus Landwirtschaft und Viehzucht. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich in der wachsenden Textilindustrie Betriebe, die mit weniger Beschäftigten und verbesserten Werkzeugen arbeiteten. Der Ersatz der Handarbeit durch Mechanisierung erfolgte zuerst in Großbritannien, wo spezifische Gegebenheiten und Anforderungen die Entstehung der Industriellen Revolution begünstigten.

1.1 Vorindustrielle Wirtschaft: Merkmale

Vorindustrielle Ökonomien waren geprägt von:

  • Dominanz der Landwirtschaft und des Handwerks.
  • Niedrigen Einkommen und Löhnen.
  • Geringer Produktivität.
  • Wirtschaftlichen Ungleichheiten.
  • Begrenztem verfügbaren Kapital aufgrund geringer Ersparnisse.
  • Land als oft einziger sicherer Wertanlage.

1.2 Protoindustrialisierung: Vorläufer der Fabrik

Die Protoindustrialisierung beschreibt die frühe Phase der Industrialisierung, die auf Handwerksbetrieben basierte. Es gab drei Hauptstufen:

  • Domestic-System: Bauern besaßen die Werkzeuge und Rohstoffe und verkauften überschüssige Produkte, oft Kleidung, an Händler.
  • Putting-out-System: Der Kaufmann kontrollierte die Produktion. Er lieferte Rohstoffe und Werkzeuge und zahlte eine Entschädigung pro Stück.
  • Factory-System: Die Gewinne und Einsparungen, die Händler aus den vorherigen Systemen erzielten, ermöglichten die Einrichtung von Produktionsstätten, die mit Maschinen ausgestattet waren und Arbeitskräfte konzentrierten.

2. Die Industrielle Revolution in Großbritannien

Die Industrielle Revolution entwickelte sich in Großbritannien in zwei Hauptphasen: die erste von ca. 1730-1870 und die zweite von ca. 1870-1945. Sie entstand in England aufgrund mehrerer günstiger Umstände:

2.1 Grundlagen und Faktoren des Wandels

  • Bevölkerungswachstum: Resultierte aus sinkender Sterblichkeit, steigenden Geburtenraten, verbesserter pflanzlicher Nahrungsmittelproduktion sowie Fortschritten in Medizin und Hygiene. Dieser Faktor war entscheidend, da er die Nachfrage nach Industriegütern erhöhte und zur Massenproduktion führte.
  • Landwirtschaftliche Revolution: Umfasste die Abschaffung der Brachflächen, die Einführung von Leguminosen (Erbsen, Luzerne), die Auswahl besserer Pflanzenarten und die Verbesserung der Pflugproduktivität. Dies ermöglichte die Ernährung der wachsenden Industrie- und Stadtbevölkerung, steigerte die Nachfrage nach Industrieprodukten und zog Arbeitskräfte sowie Kapital in die Industrie.
  • Internationaler Handel: Insbesondere der Handel mit Baumwolle aus den Kolonien (z.B. den dreizehn Kolonien der USA) war ein wesentlicher Bestandteil dieser Entwicklung.
  • Transport: Die Transportwege waren einfach und kostengünstig, was durch die Verbesserung der Wasserwege und die Schaffung eines nationalen Marktes begünstigt wurde. Effiziente Verkehrsmittel förderten die Verbreitung industrieller Produkte.

2.2 Industrien und das Aufkommen der Fabriken

Fabriken waren Produktionsstätten für Industriegüter, die automatische Maschinen nutzten. Im 18. Jahrhundert erforderten sie die Konzentration von Kapital und Arbeitskräften sowie kontinuierliche technische Innovationen. Die von der Mechanisierung betroffenen Industrien führten zu:

  • Erhöhter Produktion und Konsum bei sinkenden Preisen.
  • Neuen Produktionssystemen.
  • Neuen Arbeits- und Sozialbeziehungen.

Die Hauptakteure der englischen Revolution waren die Textil- und die Stahlindustrie.

2.2.1 Die Baumwollindustrie: Innovationen

Die Baumwollverarbeitung wurde durch folgende Erfindungen revolutioniert:

  • 1733: Der Flying Shuttle (Fliegendes Weberschiffchen)
  • 1760: Die Spinning Jenny (Spinnmaschine)
  • 1768: Der Water Frame
  • 1780: Die Mule Jenny
  • 1785: Der mechanische Webstuhl
2.2.2 Die Stahlindustrie: Motor der Industrialisierung

Die Stahlindustrie reagierte auf den wachsenden Bedarf an Eisen für den Maschinenbau:

  • Hüttenwerke benötigten Energieträger wie Kohle, die Wärme zum Schmelzen von Eisen und zum Betrieb von Dampfmaschinen lieferte.
  • Die Verbindung von Eisen und Kohle führte dazu, dass sich die Industrie in Gebieten mit Eisenerz- und Kohlevorkommen konzentrierte.
  • Ab 1830 entwickelte sich die Stahlindustrie zum großen Motor der gesamten Branche.

3. Die Ausbreitung der Industriellen Revolution

England wurde aus mehreren Gründen zum ersten Industrieland:

  • Reichtum an natürlichen Ressourcen.
  • Bevölkerungswachstum.
  • Landwirtschaftliche Revolution.
  • Verfügbares Kapital aus dem Kolonialhandel.
  • Technische Innovationen.
  • Erhöhte Güternachfrage.

Die Ausbreitung der Revolution verlief langsam, wobei die Industrialisierung dem englischen Vorbild folgte. Sie begann nach der napoleonischen Ära.

  • In Belgien und Frankreich wurde die Verbreitung durch Bevölkerungswachstum, textile Tradition und staatliche Dynamik gefördert.
  • Auch in Deutschland wurde sie vom Staat vorangetrieben.
  • In Polen, Russland, Österreich, Spanien und Italien begann die Industrialisierung ebenfalls, jedoch mit unterschiedlichem Erfolg im Vergleich zu Deutschland.
  • Die USA zeichneten sich durch einen ausgeprägten Unternehmergeist und starke Einwanderung aus. Sie hatten nicht die gleichen Hindernisse wie europäische Länder und konnten das englische Modell imitieren, wobei sie sogar eigene technologische Initiativen entwickelten. Ihre umfangreichen natürlichen Ressourcen erleichterten die Industrialisierung, die ab 1816 mit der Konzentration der Textilindustrie in Neuengland begann. Ab 1850 schritt die Industrialisierung dort schneller voran als anderswo auf der Welt. Der Einsatz von Kohle und Dampf stimulierte die Stahlindustrie und den Transportsektor.

In allen Ländern erforderte der Bau von Eisenbahnlinien große Mengen an Eisen und Stahl, was die Stahlindustrie antrieb und ihre Produktionsgeschwindigkeit erhöhte.

4. Die Transportrevolution

Die Transportrevolution war aus zwei Gründen entscheidend für die Industrielle Revolution: als Mittel zur Warenverteilung und als Motor für die Stahlindustrie. Zwei neue Verkehrsmittel prägten diese Ära: die Eisenbahn und die Dampfschifffahrt.

  • Die Eisenbahn: Ursprünglich durch Tierkraft angetrieben, wurde sie durch die Dampfmaschine revolutioniert. George Stephenson erfand die dampfbetriebene Lokomotive. So begann die erste Ära der Eisenbahn (ca. 1835-1900). Die erste wichtige Strecke verkehrte zwischen Manchester und Liverpool. In England entstand schnell ein sehr dichtes Netz. Die Eisenbahn hatte drei Hauptkomponenten:
    • Geschwindigkeit: Sie erreichte Geschwindigkeiten von bis zu 40 km/h.
    • Industrie: Die Eisenbahn benötigte große Mengen an Eisen und Stahl.
    • Finanzierung: Der Eisenbahnbau wurde zu einem Wirtschaftszweig, der hohe Investitionen anzog.
  • Die Dampfschifffahrt: Dampfschiffe ermöglichten größere Tonnagen, Kostensenkungen und die Eröffnung interozeanischer Kanäle.

Auch neue Kommunikationsmittel wie Telefon und Telegraf trugen zur Vernetzung bei.

5. Bevölkerungswachstum und Industrielle Revolution

Verschiedene Historiker haben die Beziehung zwischen Bevölkerungswachstum und Industrieller Revolution beleuchtet:

  • Walt W. Rostow: Argumentiert, dass ohne eine landwirtschaftliche Revolution keine industrielle Revolution möglich gewesen wäre.
  • M. Crouzet: Vertritt die Ansicht, dass eine landwirtschaftliche Revolution nicht zwingend zu einer industriellen Revolution führt, aber Bevölkerungswachstum notwendig ist.
  • Paul Bairoch: Argumentiert, dass das Produktivitätswachstum der landwirtschaftlichen Revolution ein demografisches Wachstum und die Verlagerung eines Teils der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in die Industrie ermöglichte.

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