Kants Erkenntnistheorie: Synthetische Urteile a priori und die Kritik der reinen Vernunft

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Kants Erkenntnistheorie: Das Vorbild Newton

Bei der Entwicklung seiner Theorie des Wissens nahm Immanuel Kant die Mathematik und Physik Newtons zum Vorbild. Diese Wissenschaften waren erfolgreich darin, die Gesetze der Natur in einer Weise auszudrücken, die von allen Wissenschaftlern akzeptiert wurde. Dies stand im Gegensatz zur Metaphysik, die stagnierte und in der jeder Denker seine eigenen Theorien vertrat.

Kant forderte, die Wissenschaft Newtons als eine Tatsache der reinen Vernunft anzuerkennen. Er schlug eine Analyse vor, um herauszufinden, wie die Vernunft genutzt werden kann, um gesichertes Wissen zu erlangen.

Die Arten der Urteile nach Kant

Kant erklärte, dass die Wissenschaften aus Urteilen (tatsächlichen Aussagen über etwas) bestehen. Er klassifizierte diese Urteile nach zwei verschiedenen Kriterien:

  1. Die Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat.
  2. Das Verhältnis zwischen Urteil und Erfahrung.

Kriterium 1: Subjekt-Prädikat-Beziehung

  • Analytische Urteile:

    Die Information des Prädikats ist bereits im Subjekt enthalten. Sie sind notwendig (können nicht falsch sein) und allgemein gültig (basieren auf dem Satz vom Widerspruch). Sie sind für alle Individuen einer Klasse gültig. Ihr Nachteil ist, dass sie das Wissen über die Realität nicht erweitern (sie sind nicht erkenntniserweiternd).

    Beispiel: Ein Dreieck hat drei Winkel.

  • Synthetische Urteile:

    Sie entstehen durch eine Synthese zwischen Subjekt und Prädikat, die im Prinzip nicht miteinander verbunden sind (z. B. „Die Erde umrundet die Sonne“). Solche Urteile erweitern den Wissensstand über die Wirklichkeit, aber ihre Wahrheit ist nicht notwendig.

Kriterium 2: Verhältnis zur Erfahrung

  • A priori Urteile:

    Ihre Wahrheit hängt nicht von der Erfahrung ab. Sie sind daher universell und notwendig.

  • A posteriori Urteile:

    Ihre Wahrheit erfordert eine experimentelle Verifikation. Sie sind zufällig, da ihr Gegenteil nicht unmöglich ist, und sie sind nicht universal gültig.

Die Notwendigkeit synthetischer Urteile a priori

Wären die physikalischen und mathematischen Wissenschaften nur aus analytischen Urteilen aufgebaut, wären sie nutzlos, da sie sich auf bloße Wiederholung beschränken würden. Bestünden sie nur aus synthetischen Urteilen, würde ihnen die universelle Gültigkeit fehlen.

Daher muss es laut Kant eine dritte Art von Urteilen geben, die:

  • universell und notwendig sind (wie analytische Urteile),
  • und darüber hinaus die Erkenntnis der Dinge erweitern (wie synthetische Urteile).

Kant nennt diese synthetische Urteile a priori. Sie sind die spezifische Grundlage der Wissenschaft und legen ihre Fundamente in seinem Hauptwerk Kritik der reinen Vernunft, in dem er seine gesamte Theorie des Wissens erläutert.

Synthetische Urteile a priori in der Mathematik

Für Kant bilden Geometrie und Arithmetik die Grundlagen der Mathematik. Die Geometrie befasst sich mit den Eigenschaften des Raumes, während die Arithmetik auf den Eigenschaften der natürlichen Zahlen basiert, die eine Reihe darstellen, deren letzter Grund in der Zeit liegt.

Da Raum und Zeit a priori Formen sind, ist jedes gültige geometrische oder arithmetische Urteil ebenfalls a priori. Da diese Urteile Eigenschaften ausdrücken, die nicht in den bloßen Vorstellungen von Raum und Zeit enthalten sind, sind sie zudem synthetisch.

Struktur der Kritik der reinen Vernunft

Die Kritik der reinen Vernunft gliedert sich in zwei Hauptteile:

  1. Die Transzendentale Ästhetik
  2. Die Transzendentale Logik (unterteilt in Transzendentale Analytik und Transzendentale Dialektik)

In jedem dieser Teile wird dargelegt, wie synthetische Urteile a priori in der Mathematik, der Physik bzw. der Metaphysik möglich sind.

Die Elemente des Wissens

Nach Kant gibt es zwei Quellen des Wissens: die Sensibilität und den Verstand.

  • Die Sensibilität (Sinnlichkeit): Dies ist die Fähigkeit, Empfindungen zu empfangen. Sie ist passiv, da sie lediglich Eindrücke von außen aufnimmt (Farben, Töne usw.). Dies entspricht dem, was Hume als „Eindrücke der Empfindung“ bezeichnete.
  • Der Verstand: Dieser ist aktiv und bringt spontan bestimmte Konzepte und Ideen in die Erfahrung ein, wie Substanz, Existenz oder Kausalität.

Die Transzendentale Ästhetik

Empfindung, Anschauung und Phänomen

Eine Empfindung ist die Wirkung, die ein Objekt auf unsere Sinnlichkeit erzeugt. Wenn die Empfindung auf den Gegenstand bezogen wird, entsteht eine unmittelbare Erkenntnis, die Kant als sinnliche (oder empirische) Anschauung bezeichnet.

Das Objekt, das in der sinnlichen Anschauung erfasst wird, nennt man das Phänomen (vom Griechischen: das, was erscheint). Das Subjekt erfasst demnach nicht das Ding an sich, sondern nur eine Erscheinung davon.

Materie und Form der Erscheinungen

  • Die Materie: Dies ist der Inhalt der Empfindung. Sie stammt vom erkannten Objekt und ist a posteriori, da Erfahrung notwendig ist.
  • Die Form: Dies ist die Art und Weise, wie die Materie erfasst wird. Sie stammt nicht vom erkannten Objekt, sondern vom erkennenden Subjekt. Sie ist daher a priori, d.h., sie geht jeder Erfahrung voraus.

Raum und Zeit: Die a priori Formen der Sinnlichkeit

Für Kant sind Raum und Zeit keine Realitäten an sich, sondern die Art und Weise, wie die Sensibilität die Eindrücke ordnet, die wir empfangen. Sie sind Strukturen des Subjekts, die es ermöglichen, Objekte überhaupt wahrzunehmen. Daher werden sie als a priori Formen der Sinnlichkeit bezeichnet.

Dass sie a priori sind, bedeutet nicht, dass sie aus der Erfahrung stammen, sondern dass sie ihr vorausgehen und die notwendige Voraussetzung dafür sind, dass Erfahrung überhaupt möglich ist.

Raum und Zeit als reine Anschauungen

Kant betrachtet Raum und Zeit auch als reine Anschauungen:

  • Anschauungen: Sie sind keine Verstandesbegriffe, da sie nicht für eine Vielzahl von Individuen stehen. Es gibt nicht viele Räume oder Zeiten, sondern nur den einen einzigartigen Raum und die unaufhörlich fließenden einzelnen Zeitintervalle.
  • Rein: Sie sind frei von empirischem Inhalt, da sie nicht aus der Realität stammen.

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