Kants Philosophie: Aufklärung, Ethik & Ewiger Frieden
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Die Aufklärung: Vernunft und Fortschritt
Das 18. Jahrhundert wird in der Geschichte des Denkens als das Zeitalter der Aufklärung bezeichnet. Es ist bekannt dafür, dass etwas Neues begann: Vernunft und Wissenschaft sollten den Menschen erleuchten und die Dunkelheit der Vergangenheit hinter sich lassen. Die Hauptfigur der Philosophie des 18. Jahrhunderts ist der Freidenker.
Die Aufklärung betonte die empirische Begründung und ging von Erfahrungen aus. Dies führte zu einer neuen Logik, der Logik der Ereignisse. Ein gemeinsames Merkmal aller Aufklärer war die Vernunftkritik, wobei die Analyse als Instrument der Kritik diente. Es gab zwei Arten der Kritik: die Kritik der Vernunft selbst und die Kritik an der Tradition. Die autonome Vernunft wurde zur einzigen Richtschnur des Menschen erklärt.
Der Begriff des Fortschritts war zentral: Man glaubte, dass sich die Menschheit und die Geschichte langsam, aber unaufhaltsam vom Schlechteren zum Besseren entwickeln und dass die Gegenwart daher einen Höhepunkt in Wissenschaft, Kunst, Politik und Moral darstelle. Kants Leitspruch hierfür war: „Sapere aude!“ (Wage es, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!).
Kants philosophische Grundfragen
Kant fasste die grundlegenden Fragen der Philosophie wie folgt zusammen:
- Was kann ich wissen?
- Was soll ich tun?
- Was darf ich hoffen?
Diese münden in die übergeordnete Frage: Was ist der Mensch?
Was kann ich wissen? Die Erkenntnistheorie
Zur Frage „Was kann ich wissen?“ verfasste Kant die Kritik der reinen Vernunft. Dieses Werk widmet sich der Metaphysik und versucht, den Konflikt zwischen Rationalismus und Empirismus zu lösen.
Was soll ich tun? Kants Ethik
In der Kritik der praktischen Vernunft beschäftigt sich Kant mit der Frage der Moral („Was soll ich tun?“). Er geht von der Erfahrung der moralischen Pflicht aus, die jeder Mensch kennt. Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was wir tun wollen (Neigungen), und dem, was wir tun sollen (Pflicht). Die Moral bezieht sich auf Letzteres, auf die moralischen Imperative.
Materielle vs. Formale Moral
Kant unterscheidet zwei Arten von Moral:
- Materielle Moral: Imperative, die uns sagen, was wir tun müssen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Sie geben den Inhalt vor. Solche Imperative sind oft hypothetisch: „Wenn du X willst, dann tue Y.“ Kant argumentierte, dass vormoralische Systeme materiell seien und keine universellen Pflichten begründen könnten, da ihre Gültigkeit von der Akzeptanz des Ziels abhinge.
- Formale Moral: Imperative, die keinen spezifischen Inhalt vorgeben, sondern nur die Form der Pflicht bestimmen. Der Imperativ ist hier universell.
Der Kategorische Imperativ
Der Kategorische Imperativ ist ein solcher formaler Imperativ. Er gilt unbedingt und nicht unter bestimmten Bedingungen (nicht: „Wenn du willst …“). Die formale Moral befürwortet die moralische Autonomie.
Postulate der praktischen Vernunft
Die Postulate der praktischen Vernunft sind notwendige Voraussetzungen für die Existenz von Moral:
- Freiheit: Welchen Sinn hätten Pflicht und Schuld, wenn wir nicht frei wären, uns für oder gegen das moralische Gesetz zu entscheiden?
- Unsterblichkeit der Seele: Der Mensch strebt nach Tugend und Glückseligkeit. Da dies im endlichen Leben oft nicht vollständig erreicht wird, ist die Annahme der Unsterblichkeit der Seele notwendig, um einen unendlichen Fortschritt zur Vollkommenheit zu ermöglichen.
- Existenz Gottes: Um die Übereinstimmung von Tugend und Glückseligkeit (das höchste Gut) zu garantieren, ist die Annahme der Existenz Gottes als moralischer Welturheber notwendig.
Was darf ich hoffen? Kants Hoffnungslehre
Zur Frage „Was darf ich hoffen?“ nennt Kant drei Hauptpunkte:
- Glückseligkeit: Die Hoffnung auf Glückseligkeit.
- Sieg des Guten: Die vernünftige Hoffnung auf den Sieg des Guten, der durch den Glauben an Gott ermöglicht wird.
- Ewiger Frieden: Die Hoffnung auf einen ewigen Frieden.
Kants Philosophie zu Geschichte und Frieden
Geschichtsphilosophie und "geheimer Plan der Natur"
In seiner Schrift Zum ewigen Frieden und seiner Geschichtsphilosophie betrachtet Kant die menschliche Geschichte oft als von Grauen, Bosheit und Wahnsinn geprägt. Dennoch sieht er eine Art „geheimen Plan der Natur“, der die Geschichte trotz allem in eine fortschreitende Richtung lenkt. Ein Schlüsselaspekt ist die ungesellige Geselligkeit der Menschen. Eine vollkommene menschliche Gesellschaft ist jedoch nicht möglich, solange kein Frieden zwischen den Staaten herrscht.
Ablehnung des gerechten Krieges und Pazifismus
Kant, ähnlich wie Rousseau und Abbé de Saint-Pierre, lehnte die Theorien des gerechten Krieges ab. Er vertrat einen juristischen Pazifismus: Krieg ist weder gerecht noch vernünftig. Das einzig Vernünftige ist, die Gewalt dauerhaft zu beenden und einen ewigen Frieden anzustreben.
Naturzustand und Gesellschaftsvertrag
Der Naturzustand bezeichnet den Zustand, in dem sich der Mensch befand, bevor Staat, Gesetz und Autorität existierten.
Naturzustand bei Thomas Hobbes
Merkmale des Naturzustands nach Hobbes:
- Alle Menschen sind gleich und streben nicht notwendigerweise nach Gemeinschaft.
- Alle haben ein gleiches Naturrecht (verstanden als Macht).
- Es herrscht ein ständiger Krieg aller gegen alle (bellum omnium contra omnes).
- Dies führt zu Elend, Unsicherheit und dem Fehlen von Industrie.
- Es gibt keine Gerechtigkeit, da es kein Gesetz gibt.
Naturzustand bei John Locke
Merkmale des Naturzustands nach Locke:
- Alle Menschen sind frei, gleich und unabhängig.
- Es gibt ein Naturrecht auf Eigentum, das Leben, Freiheit und Besitz umfasst (Besitz basiert auf Arbeit).
- Das Naturgesetz fordert gegenseitigen Respekt.
- Im Gegensatz zu Hobbes gibt es kein Recht aller auf alles, das auf Macht basiert, und keinen Krieg aller gegen alle.
- Individuen haben das Recht, Übertreter des Naturgesetzes zu bestrafen.
Übergang zum Staat und Gesellschaftsvertrag
Der Übergang vom Naturzustand zum bürgerlichen Zustand (einer von Recht geordneten staatlichen Ordnung) erfordert einen Gesellschaftsvertrag. In diesem Vertrag übertragen Individuen ihre natürlichen Rechte an einen Herrscher, einige Vertreter oder die gesamte Gemeinschaft, um den Staat zu bilden. Der Gesellschaftsvertrag kann die Unterwerfung des Einzelnen unter eine Autorität beinhalten, impliziert aber oft auch die Mitwirkung des Einzelnen an der Gesetzgebung. Kein Gesetz sollte ohne Zustimmung der Bürger erlassen werden, sodass staatliche Gesetze idealerweise aus dem allgemeinen Willen (vgl. Rousseau) hervorgehen.
Kants politische Philosophie und Rechtslehre
Der bürgerliche Zustand und das Rechtsprinzip
Das Ziel des Gesetzes im bürgerlichen Zustand ist nach Kant die Gewährleistung der Koexistenz individueller Freiheit (Kollibertät). Die Freiheit des Einzelnen soll so weit reichen, wie sie die Freiheit anderer nicht einschränkt.
Voraussetzungen für den ewigen Frieden
Kant nennt drei Definitivartikel für den ewigen Frieden, die verschiedene Rechtsbereiche betreffen:
- Staatsrecht (bürgerliches Recht): Die bürgerliche Verfassung in jedem Staat soll republikanisch sein. Dieses Recht regelt die Beziehungen zwischen den Individuen innerhalb eines Staates.
- Völkerrecht: Das Völkerrecht soll auf einem Föderalismus freier Staaten gegründet sein. Es regelt die Beziehungen zwischen den Staaten. Staaten befinden sich ohne ein solches Recht im Naturzustand (Kriegszustand).
- Weltbürgerrecht: Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein. Es regelt die Beziehung zwischen Individuen und fremden Staaten. Jeder Mensch hat aufgrund seiner Weltbürgerschaft das Recht, jeden Ort der Erde zu besuchen und nicht feindselig behandelt zu werden.
Politik und Moral: Eine notwendige Verbindung
Im Anhang zu seiner Schrift Zum ewigen Frieden betont Kant, dass ein machiavellistischer Ansatz, der Politik und Moral trennt, nicht zielführend ist. Es ist notwendig, Politik und Ethik in Einklang zu bringen.
Prinzipien der republikanischen Verfassung
Eine republikanische Verfassung nach Kant basiert auf folgenden Prinzipien:
- Freiheit: Freiheit ist ein natürliches Recht jedes Individuums, das die Verfassung gewährleisten muss.
- Gleichheit: Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich.
- Selbstständigkeit (Bürgerstatus): Das Recht der Staatsbürgerschaft (für Kant an bestimmte Bedingungen wie wirtschaftliche Selbstständigkeit geknüpft) beinhaltet die Fähigkeit des Einzelnen, an der Gesetzgebung mitzuwirken.
Staats- und Regierungsformen nach Kant
Kant unterscheidet zwischen Staatsformen (forma imperii, nach der Zahl der Herrschenden: Autokratie, Aristokratie, Demokratie) und Regierungsformen (forma regiminis, nach der Art und Weise, wie der Staat seine Macht ausübt: republikanisch oder despotisch).
Eine republikanische Regierungsform zeichnet sich durch die Trennung von vollziehender und gesetzgebender Gewalt sowie durch Repräsentation aus. Eine despotische Regierungsform tut dies nicht. Kant argumentierte, dass eine nicht-repräsentative Regierungsform keine legitime Form der Regierung sei. Auch eine Monarchie kann republikanisch regieren, wenn sie nach Gesetzen und dem Prinzip der Repräsentation handelt. Die demokratische Staatsform (im Sinne direkter Demokratie) sah Kant kritisch, da sie zur Despotie neigen könne, wenn keine Repräsentation und Gewaltenteilung gegeben ist.