Kants Philosophie: Erkenntnis, Metaphysik und Praktische Vernunft
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Kants Theoretische Philosophie: Erkenntnisquellen
Unser Wissen leitet sich aus zwei Quellen ab: Sinnlichkeit und Verstand. Das Wissen umfasst Begriffe und Urteile:
Begriffe und Urteile
- Begriffe (Konzepte): Die einheitlichen Vorstellungen von Objekten. Sie bringen Phänomene zur Kenntnis (z. B. der Begriff eines Hauses).
- Urteile: Die Begriffe werden in Entscheidungen miteinander in Beziehung gesetzt. Explizites Wissen entsteht durch ein Urteil (z. B. „Das ist ein Haus“).
Arten von Begriffen
- Empirische Begriffe: Stammen aus der Erfahrung und sind a posteriori (Haus, Hund).
- Reine Begriffe oder Kategorien: Stammen nicht aus der Erfahrung und sind a priori (Begriff der Ursache, Notwendigkeit).
Der Verstand wendet diese reinen Begriffe oder Kategorien spontan auf die Phänomene der Sinnlichkeit an. Die Rolle des Verstandes ist es, Urteile zu fällen, die Daten der sinnlichen Erfahrung zu vereinheitlichen und zu koordinieren.
Die durch Empfindlichkeit empfangenen Erscheinungen können nur gedacht werden, wenn sie den Kategorien unterliegen. Wenn die Eindrücke nicht durch die Kategorien zu dieser Einigungsfunktion des Verstandes in Beziehung gesetzt werden, hätten wir keine Erkenntnis, sondern lediglich lose Eindrücke.
- Synthetische Urteile a priori in der Physik: Die Gültigkeit der Grundsätze der Physik hängt nicht von der Erfahrung ab, sie sind daher a priori. Sie sind auch notwendig und fortschrittlich.
Die Transzendentale Dialektik (Vernunft)
Ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?
Metaphysik als Wissenschaft ist unmöglich, weil die Kategorien nur in ihrer Anwendung auf Erscheinungen verwendet werden können. Metaphysische Realitäten (Gott, Seele, Welt) liegen jedoch jenseits der phänomenalen Erfahrung.
Das bedeutet, dass synthetische Urteile a priori, die die einzig wahren Urteile für die Wissenschaft sind, in der Metaphysik unmöglich sind (man kann keine Erfahrung zur Unterstützung heranziehen, um über Gott zu sprechen).
Die Vernunft entwickelt reine metaphysische Ideen.
Die dritte Erkenntniskraft: Die Vernunft
Die Vernunft dient dazu, das menschliche Wissen zu verallgemeinern und zu vereinheitlichen. Die Vernunft führt zur Synthese transzendentaler Ideen:
- Welt: Ermöglicht die gesamte äußere Erfahrung.
- Seele (Alma): Ermöglicht die gesamte innere Erfahrung.
- Gott: Ein Konvergenzpunkt beider, Anfang und Ende.
Solche Ideen sind keine sinnlichen Anschauungen. Die Vernunft neigt jedoch dazu, diese Ideen zu realen Objekten zu machen und sie als solche mithilfe der Kategorien zu behandeln – dies führt zur transzendentalen Illusion.
Schlussfolgerungen zur Metaphysik
Die Metaphysik ist keine Wissenschaft, da es keine synthetischen Urteile a priori gibt. Die Metaphysik ist jedoch eine natürliche Tendenz der Vernunft, das Unbedingte zu suchen, Fragen zu stellen und Antworten über Gott, die Seele und die Welt als Ganzes zu formulieren.
Kant zeigt die Mängel und Widersprüche auf, in die die Vernunft in den drei Zweigen der Metaphysik gerät:
- Kritik der rationalen Psychologie (Studie der Seele): Die Psychologie versucht, die Kategorie der Substanz auf das Ich anzuwenden. Dies führt ständig zu Paralogismen (Trugschlüssen) über die Natur der Seele, losgelöst von aller Erfahrung.
- Kritik der Kosmologie (Lehre von der Welt): Die Kosmologie basiert auf der Idee der Welt als Ganzes. Ständig entstehen Antinomien (Widersprüche) bezüglich Quantität, Qualität, Relation und Modalität.
- Kritik der Theologie (Lehre von Gott): Kritische Prüfung traditioneller Gottesbeweise:
- Ontologisches Argument: Der Begriff der Existenz kann nicht bloß aus dem Begriff abgeleitet werden; der Begriff sagt nichts über die Existenz aus.
- Kosmologisches Argument: Man kann nicht von der Erfahrung auf die Notwendigkeit eines Wesens schließen, da die Kategorie der Ursache außerhalb der Welt der Erscheinungen nicht angewendet werden darf.
- Teleologisches Argument: Selbst wenn Ordnung in der Welt herrscht, bedeutet dies nicht, dass es ein schöpferisches Wesen gibt.
Daher haben diese Ideen nur einen regulativen Gebrauch der Vernunft: Sie gelten nicht für die Welt der Erscheinungen.
Praktische Anwendung der Vernunft: Kants Ethik
Kritik der traditionellen (materialen) Ethik: Eine Ethik ist material, wenn sie einen Inhalt hat, der vorab durch einen Begriff des Guten festgelegt wird, der nicht von der Person selbst stammt. Solche Ethiken beschreiben Handlungen als gut oder schlecht im Hinblick auf das Erreichen eines bestimmten Zwecks.
Die Formale Ethik Kants
Nach Kant muss Ethik folgende Eigenschaften besitzen:
- Formal: Konzentriert sich auf die Form und nicht auf den Inhalt.
- A priori: Nicht empirisch, sondern allgemein und notwendig für alle Menschen.
- Kategorisch: Nicht hypothetisch; moralische Urteile sind absolut und bedingungslos.
- Autonom: Nicht heteronom; das Subjekt entscheidet selbst über sein Handeln, nicht aufgrund äußerer Einflüsse, sondern aufgrund seines eigenen Gesetzes. Es gibt keine Moral ohne Freiheit.
Der Gute Wille und die Pflicht
Nach Kant ist das Einzige, was uneingeschränkt als gut beschrieben werden kann, der Gute Wille. Der Gute Wille ist derjenige, der aus Pflicht handelt, bestimmt durch die Vernunft. Handeln soll nicht *pflichtgemäß*, sondern *aus Pflicht* geschehen – aus Respekt vor dem moralischen Gesetz, ohne einen bestimmten Zweck zu verfolgen. Das moralische Gesetz ist das oberste Gesetz, das vorschreibt, wie der Mensch handeln muss, der sich nur von der Vernunft leiten lässt.
Das moralische Gesetz hat für den Menschen die Form eines Imperativs. Kant unterscheidet zwei Arten von Imperativen:
- Hypothetische Imperative: Schreiben eine Handlung als gut vor, um einen bestimmten Zweck zu erreichen (Wenn du X willst, musst du Y tun).
- Kategorische Imperative: Gebieten unseren Willen absolut und ohne jede Bedingung. Sie sind Selbstzweck (der Mensch muss seinem Gewissen folgen), universell und apodiktisch (nicht an Bedingungen geknüpft).
Formeln des Kategorischen Imperativs
- Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.
- Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck und niemals bloß als Mittel brauchst.
Postulate der Praktischen Vernunft
Die Postulate sind keine beweisbaren, aber notwendige Wahrheiten. Sie sind:
- Die Freiheit des Willens.
- Die Unsterblichkeit der Seele.
- Die Existenz Gottes.
Obwohl sie der theoretischen Vernunft unerkennbar sind, werden sie von der praktischen Vernunft gestützt und müssen angenommen werden, damit die moralische Ordnung nicht zusammenbricht.
Die Unsterblichkeit der Seele und die Existenz Gottes sind notwendige Voraussetzungen für die Existenz des höchsten Gutes. Der menschliche Verstand strebt nach dem höchsten Gut, der Summe aus Tugend und Glückseligkeit. Hier entsteht ein Problem, da die Vorstellung von Glück nicht notwendigerweise Tugend impliziert und umgekehrt. Dieses Problem wird durch die doppelte Zugehörigkeit des Menschen zur intelligiblen Welt (Vernunftwelt) und zur phänomenalen Welt korrigiert. In der Welt der Erscheinungen führt Tugend nicht immer zum Glück, aber in der intelligiblen Welt. Dies impliziert die Möglichkeit der Unsterblichkeit des Menschen und die Existenz einer Ursache (Gott), die diese Unsterblichkeit sichert.