Katalanische Literatur des Mittelalters: Llull, Kanzlei & Ritterromane
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Ramon Llull: Philosoph, Theologe und Schriftsteller
Ramon Llull (ca. 1232–1316) war ein bedeutender katalanischer Philosoph, Theologe und Missionar. Er widmete sein Leben der Verbreitung des christlichen Glaubens durch rationale Argumentation und verfolgte dabei drei Hauptziele:
- Missionarische Arbeit: Die direkte Evangelisierung von Nicht-Christen.
- Schriftstellerische Tätigkeit: Die Verfassung von Büchern zur Erklärung und Verteidigung des christlichen Glaubens.
- Gründung von Institutionen: Die Etablierung von Schulen und Klöstern zur Ausbildung von Missionaren und zur Förderung seiner Ideen.
Cant de Ramon
- Ein autobiographisches Gedicht, in dem Llull sein Leben, seine Gefühle und die durch sein eigenes Handeln hervorgerufenen Empfindungen reflektiert.
- Es ist eine Art persönliches Bekenntnis, in dem er seine Sünden und Misserfolge offenbart.
Buch der Kontemplation
- Strukturiert in 365 Kapiteln.
- Jedes Kapitel ist einem bestimmten Thema oder Aspekt der Kontemplation gewidmet.
Buch des Freundes und des Geliebten
- Ein mystisches Werk mit drei allegorischen Figuren:
- Der Freund repräsentiert den Menschen.
- Der Geliebte symbolisiert Gott.
- Die Liebe dient als Vermittler zwischen beiden.
Ars Magna und Arbor Scientiae
- Ars Magna (Die Große Kunst): Ein Versuch, die Welt und den Glauben durch ein logisches System zu erklären.
- Arbor Scientiae (Baum der Wissenschaft): Erklärt alle Symbolik und Wissenschaft anhand der Metapher eines Baumes.
Buch des Ordens der Ritterschaft
- Enthält Anweisungen und ethische Richtlinien für einen Ritter, der die christliche Religion bewahren und verteidigen will.
Das Buch des Heiden und der drei Weisen
- Ursprünglich auf Katalanisch verfasst.
- Der Protagonist ist ein Heide, der die wahre Religion finden möchte.
- Drei Weise – ein Jude, ein Sarazene und ein Christ – versuchen, ihm ihre jeweilige Religion zu erklären.
- Struktur: Epilog, Buch 1, Buch 2, Buch 3 (enthält ausführliche Gespräche über die christliche Religion), Buch 4, Epilog.
- Das Buch endet offen, ohne eine definitive Entscheidung des Heiden.
Blanquerna
- Ein Roman, der in fünf Bücher unterteilt ist, die den fünf Wunden Christi entsprechen.
- Beschreibt fünf Lebenszustände, die ein guter Christ einnehmen kann: Ehe, Mönchtum/Ordensleben, Prälatur, päpstliches Leben und das Leben eines Einsiedlers.
Buch der Wunder (Felix)
- Besteht aus 10 Teilen und einem Epilog.
- Der Protagonist, Felix, reist durch die Welt, wundert sich über ihre Wunder und ist entsetzt über die Sünden der Menschheit.
Sprache und Stil Llulls
- Llull gilt als Schöpfer des literarischen Katalanisch.
- Sein einziges Ziel beim Schreiben war die Evangelisierung der Heiden.
- Er verwendete häufig Metaphern und Allegorien.
- Er bildete neue Wörter mittels Ableitung und nutzte viele Beispiele zur Veranschaulichung.
Die Königliche Kanzlei von Aragón
Die Königliche Kanzlei (Reial Cancelleria) war ein zentrales Verwaltungsorgan im Königreich Aragón und ein wichtiges Zentrum des Humanismus in Katalonien.
- Gegründet und formalisiert unter Peter IV. von Aragón (1336–1387).
- Sie wurde von einem Kanzler und einer Reihe von Beamten geleitet.
- Für die Arbeit dort waren Kenntnisse in Latein, Katalanisch und Aragonesisch erforderlich.
- Die Kunst des Dictandi (Briefschreibens) wurde dort intensiv praktiziert.
- Die Kanzlei durchlief wichtige Phasen unter Peter IV., Johann I. und Martin I.
Ritterromane im Vergleich
Idealistische Ritterromane
- Die Titelfigur ist ein unbesiegbarer Held.
- Die Handlung spielt an exotischen, weit entfernten Orten.
- Die Ereignisse sind oft nicht plausibel und wenig glaubwürdig.
- Die Zeit ist unbestimmt oder mythisch.
- Trotzdem waren diese Romane sehr erfolgreich.
Realistische Ritterromane
- Der Protagonist ist ein Held mit menschlichen Zügen, der wie jeder andere Mensch verwundet werden kann.
- Die Handlung spielt an vertrauten und näheren Orten.
- Die Ereignisse sind glaubwürdig und könnten der Realität entsprechen.
- Die Zeit ist spezifischer und erkennbar.
Tirant lo Blanc
Ein herausragender Ritterroman von Joanot Martorell, der als einer der ersten realistischen Romane gilt.
Struktur und Inhalt
- Buch 1 (Kapitel 1-97): Tirant in England
- Guillem de Varoic erzählt seine Geschichte, wie er zum Ritter geschlagen wurde.
- Er wird zum Tode verurteilt, entkommt und wird Einsiedler.
- Das Kapitel endet mit Tirants Kampf und der Begegnung mit Bruder Kyrie Eleison.
- Buch 2 (Kapitel 98-114): Tirant in Sizilien und auf Rhodos
- Buch 3 (Kapitel 115-296): Tirant im Byzantinischen Reich
- Tirant ist bereits bekannt; der Kaiser von Konstantinopel bittet ihn um Hilfe im Kampf gegen den Sultan und die Osmanen.
- Tirant heiratet heimlich Carmesina.
- Buch 4 (Kapitel 297-487): Tirant in Nordafrika
- Tirant und Plaerdemavida erleiden Schiffbruch.
- Tirant wird Anführer der versammelten Stammesführer, ohne seine Identität preiszugeben, und stellt sich in ihren Dienst.
- Es kommt zu einem internen Krieg.
- Schließlich wird Tirant befreit.
- Tirant erkrankt und stirbt.
- Carmesina und der Kaiser von Konstantinopel sterben vor Trauer.