Klärschlammbehandlung: Verfahren und Optimierung
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Schlammalter und Grundlagen der Schlammbehandlung
Das Schlammalter (in Tagen gemessen) ist ein entscheidender Faktor für die Auslegung von Belebtschlammanlagen. Es entspricht der durchschnittlichen Verweilzeit von Mikroorganismen im Bioreaktor. Um zu verhindern, dass Mikroorganismen aus dem System „ausgewaschen“ werden, muss das Schlammalter dem Kehrwert der bakteriellen Wachstumsrate entsprechen. Die Wachstumsrate der bakteriellen Mikroorganismen ist definiert als der tägliche Zuwachs an Mikroorganismen bezogen auf die Gesamtmenge im System.
Schlammarten und deren Eigenschaften
Primärschlamm
Primärschlamm besteht hauptsächlich aus mineralischen Stoffen. Etwa 60 % seines Gewichts sind organische Substanz (flüchtige Feststoffe) und 40 % anorganische Materie. Nach der Sedimentation kann er mit Konzentrationen von etwa 4 % Feststoffgehalt abgezogen werden.
Überschussschlamm (Sekundärschlamm)
Sekundärschlamm ist biologischer Natur. Er besteht zu etwa 80 % aus organischer Substanz und zu 20 % aus anorganischem Material (mineralisch oder Asche). Nach der Sedimentation kann er mit Konzentrationen von 0,8 % abgezogen werden, wenn er schonend (z.B. durch Absaugung) entnommen wird, oder 0,6 %, wenn er mit Kratzern oder Schabern aus dem Nachklärbecken entfernt wird.
Mischschlamm (Gesamtschlamm)
Mischschlamm kann eine Konzentration von 2-3 % erreichen. Diese Konzentration hat den Vorteil, dass die Mischung aus Frischschlamm einen geringeren Wassergehalt aufweist, als wenn die Schlämme getrennt vorentwässert würden. Das Volumen des Sekundärschlamms macht einen wichtigen Anteil von 40-50 % des Gesamtschlammvolumens aus, jedoch bei nur etwa einem Drittel der Konzentration des Primärschlamms, d.h., er enthält sehr viel Wasser. Durch die gemeinsame Eindickung mit Primärschlamm im Vorklärbecken auf 2-3 % wird ein Großteil dieses Wassers entfernt, was zu kleineren nachfolgenden Behandlungsanlagen führt.
Ziele der Schlammbehandlung
Das grundlegende Ziel ist die Reduzierung der zu handhabenden Schlammmenge auf ein Minimum. Dies führt zu:
- Minimierung der Größe von Anlagenteilen, was Kosten für Bauwerke, Ausrüstung und Rohrleitungen spart.
- Erhöhung der Retentionszeiten bei gleicher Kapazität.
- Senkung der Energiekosten für Förderung, Heizung und Handhabung.
Schlammeindickung
Schwereeindickung
Ziel: Erhöhung des Feststoffgehalts im Schlamm durch rein physikalische Verfahren, indem ein Teil der flüssigen Phase entfernt wird.
Funktionsprinzip: Der Eindickungsprozess in Zonen wird durch die Theorie der Zonen- oder Stocksedimentation erklärt. Diese tritt in Suspensionen mit mittleren Konzentrationen auf und ist dadurch gekennzeichnet, dass die Feststoffe gemeinsam absinken und eine Art Decke bilden. Während dieser Zeit ist die Konzentration in der gesamten Flüssigkeitsmenge einheitlich. Nach einer gewissen Zeit bilden sich folgende Zonen:
- Interface (Grenzfläche): Definiert den Bereich zwischen Klarwasser und der Oberfläche der Feststoffdecke. Sinkt mit konstanter Geschwindigkeit ab.
- Interfazialzone: Unterhalb der Grenzfläche.
- Kompaktierungszone (Verdichtungszone): Gleichzeitig mit der Bildung der Grenzfläche beginnt sich am Boden eine Zone der Feststoffverdichtung zu bilden. Sie ist durch eine konstante Konzentration und einen konstanten Anstieg der Zone gekennzeichnet.
- Übergangszone: Zwischen der Grenzfläche und der Verdichtungszone. Sie weist einen Konzentrationsgradienten auf, der mit der Tiefe zunimmt.
Die grundlegenden Parameter zur Definition der Oberfläche für die Auslegung eines Eindickers werden durch Sedimentationsversuche ermittelt.
Elemente eines Schwereeindickers:
- Tank: Vorgefertigt oder als Bauwerk vor Ort erstellt, meist kreisförmig.
- Räumerbrücke: Zentral angetriebene bewegliche Brücke mit Krählarmen/Schilden, angetrieben durch einen Getriebemotor. Umfangsgeschwindigkeit zwischen 4-6 m/min.
- Weitere Teile: Krählwerk (Verdickungsrechen), Mischpaddel, Zulaufverteiler (z.B. Verteilerglocke), Überlaufwehr zur Ableitung des Klarwassers.
- Abdeckung: Zur Vermeidung von Geruchsemissionen.
- Ventile: Z.B. Quetschventile zur Regelung des Schlammabzugs.
Eindickung durch Flotation
Trennung der festen Phase von der flüssigen Phase durch physikalische Prozesse. Dieses Verfahren wird besonders für die Eindickung von biologischen Schlämmen verwendet, da deren Dichte nahe der von Wasser liegt und sie eine geringe Kompaktierbarkeit aufweisen. Es wird hauptsächlich in mittleren bis großen Anlagen eingesetzt. Der Vorgang ist komplexer als die Schwerkrafteindickung und erfordert in vielen Fällen eine Druckluftversorgung sowie eine Schlammkonditionierung durch Polyelektrolyte.
Funktionsprinzip: Partikel mit einer Dichte, die der von Wasser sehr ähnlich oder geringer ist, neigen zum Aufschwimmen (natürliche Flotation). Um den Prozess zu beschleunigen und das Aufschwimmen zu fördern, wird Luft zugeführt (Druckentspannungsflotation, DAF). Die häufigste und effektivste Methode ist die Zufuhr von in Wasser gelöster Luft (DAF – Dissolved Air Flotation).
Druckluftsystem-Komponenten:
- Kompressor für die Luftinjektion, mit Messung von Druck und zugeführter Luftmenge.
- Druckminderer.
- Sättigungsbehälter (Druckbehälter), in dem sich die Luft im Wasser löst.
- Pumpen für das Druckwassersystem.
- Dosiereinheit für Reaktanten (Polyelektrolyte).
Betriebsparameter:
Das Luft-Feststoff-Verhältnis (A/S-Ratio) ist der wichtigste Faktor. Die beste Leistung wird bei einem optimalen Wert erreicht; eine weitere Erhöhung führt zu keiner Effizienzsteigerung mehr. Das Verhältnis schwankt zwischen 0,5 % und 6 %. Diese große Bandbreite ist zurückzuführen auf:
- Art des Schlamms
- Eigenschaften des Drucksystems
- Funktion und Effizienz des Luft-Feststoff-Mischsystems
- Schlammbetthöhe
- Feststoffbeladung
- Hydraulische Belastung
- Schlammvolumenindex (SVI)
- Zugabe von Polyelektrolyten
Elemente eines Flotationseindickers:
- Flotationsbecken
- Räumer: Oberflächenräumer (Skimmer), angetrieben durch einen Getriebemotor mit variabler Drehzahl, oft mit einer Verteilerglocke für den Zulauf.
- Schlammtrichter für den eingedickten Schlamm
- Ablauf für das geklärte Wasser
Anaerobe Faulung (Schlammfaulung)
Die anaerobe Faulung ist ein Prozess des Abbaus organischer Substanz unter alkalischen Bedingungen, bei dem diese so weit wie möglich in Methan (CH₄) und Kohlendioxid (CO₂) umgewandelt wird. Der Schlamm wird durch anaerobe Mikroorganismen in Abwesenheit von Sauerstoff stabilisiert. Es ist ein langsamer Prozess, der sehr spezifische Betriebsbedingungen erfordert, da verschiedene Mikroorganismen mit unterschiedlichen Lebensbedingungen und kinetischen Eigenschaften beteiligt sind. Es ist die universell einsetzbare Methode zur Hygienisierung und Stabilisierung von Klärschlamm. Der Endschlamm weist einen sehr geringen Gehalt an Krankheitserregern auf, da diese Umweltbedingungen ausgesetzt werden, die sich stark von denen im Abwasser, in dem sie lebten, unterscheiden.
Phasen des Faulprozesses
Hydrolyse- und Versäuerungsphase (Acidogene Phase)
Ein relativ schneller Prozess, der von fakultativ anaeroben Bakterien durchgeführt wird. Diese wandeln komplexe organische Substanzen (Substrat) in einfachere Verbindungen wie organische Säuren, CO₂ und H₂O um. Die Endprodukte dieser Phase hängen von der H₂-Konzentration im Medium ab. Bei sehr geringer H₂-Konzentration wird bevorzugt Essigsäure gebildet. Bei hoher H₂-Konzentration steigt die Tendenz zur Produktion von Propionsäure, Buttersäure, Valeriansäure usw., was den Abbauweg verlängert. In diesem Stadium werden alle Spuren von gelöstem Sauerstoff entfernt. Das Wachstum der Bakterien ist schnell, mit minimalen Replikationszeiten von etwa 30 Minuten.
Acetogene Phase
Sintrophe Bakterien (fakultativ anaerob) nutzen die in der vorherigen Phase gebildeten Säuren als Substrat und erzeugen hauptsächlich Essigsäure. Ihr Stoffwechsel wird durch die H₂-Konzentration reguliert.
Methanogene Phase
Streng anaerobe Bakterien. Sie sind die einzigen, die in der Lage sind, H₂ und Essigsäure anaerob zu katabolisieren und Methan zu bilden. Der optimale pH-Wert liegt nahe 7,2. Die Kinetik ist viel langsamer als in den vorherigen Phasen. Diese Mikroorganismen wachsen sehr langsam, mit einer Generationszeit von 3 Tagen bei 35 °C bis zu 50 Tagen bei 10 °C. Es gibt zwei Haupttypen: acetoklastische methanogene Bakterien (spalten Essigsäure) und hydrogenotrophe methanogene Bakterien (nutzen H₂).
Prozesskontrolle der Anaeroben Faulung
Temperatur
Abhängig von der Temperatur entwickeln sich unterschiedliche Bakterienarten: psychrophile (kälteliebende), mesophile (mittlere Temperaturen) und thermophile (wärmeliebende). Je niedriger die Temperatur, desto größer muss das Reaktorvolumen für die Stabilisierung eines bestimmten Schlammvolumens sein. Über 65 °C nimmt die Aktivität der Bakterien ab. Unter 10 °C können sich Bakterien enzystieren (Dauerstadien bilden), ohne abzusterben.
Alkalinität
Steht in direktem Zusammenhang mit dem pH-Wert. Misst die Pufferkapazität des Faulbehälters (Digesters), einen hohen Gehalt an flüchtigen organischen Säuren zu absorbieren und eine Absenkung des pH-Wertes zu verhindern. Sie wird als Calciumcarbonat-Äquivalent ausgedrückt und durch den gelösten anorganischen Kohlenstoff sowie die Konzentration der flüchtigen Fettsäuren (Propionsäure, Buttersäure, Essigsäure, Valeriansäure in der flüssigen Phase) bestimmt. Anorganischer Kohlenstoff liegt in drei Formen vor: CO₂, HCO₃⁻ (Hydrogencarbonat) oder CO₃²⁻ (Carbonat).
pH-Wert
Da im Fermenter verschiedene Mikroorganismen mit unterschiedlichen optimalen Bedingungen existieren, ist ein Gleichgewicht zwischen den Populationen entscheidend. Der pH-Wert sollte stabil gehalten werden, idealerweise im Bereich von 6,8 bis 7,5 für die Methanbildner.
Durchmischung (Agitation)
Grundlegend für das ordnungsgemäße Funktionieren des Prozesses. Sie ermöglicht:
- Homogenisierung von Temperatur und Konzentration.
- Vermeidung von Kurzschlussströmungen, die die effektive Retentionszeit verringern.
- Verbesserter Kontakt zwischen Mikroorganismen und Substrat.
Beladung mit flüchtigen Feststoffen (Organische Raumbelastung)
Die tägliche Menge an zugeführten Feststoffen, ausgedrückt als organische Trockensubstanz (oTS) pro Tag und pro Kubikmeter Faulbehältervolumen, muss kontrolliert werden. Eine zu plötzliche Erhöhung der Beladung ohne ausreichende Zeit für die Anpassung der Kinetik der Mikroorganismen kann zu einem Anstieg der Säurekonzentration und Prozessstörungen führen.
Systemkomponenten und Ausrüstung
Kreisläufe
- Schlammkreislauf
- Gaskreislauf
- Schlammheizsysteme
- Homogenisierungssysteme
- Kontroll-, Mess- und Sicherheitssysteme
Faulbehälter (Digester)
Behälter, meist aus Beton, vor Ort gebaut, mit fester oder schwimmender, gasdichter Abdeckung. Der Boden sollte geneigt sein, um Totzonen zu vermeiden und den Schlammabzug zu erleichtern. Ausgestattet mit:
- Schaugläsern
- Mannlöchern
- Krustenbrechern (falls erforderlich)
Ausrüstung
- Schlammheizung: Nutzt oft das erzeugte Methan als Brennstoff. Wärmeträgermedium ist in der Regel Wasser.
- Brenner
- Wärmetauscher (intern oder extern)
- Homogenisierungssysteme: Zwei Typen:
- Mechanische Homogenisierung:
- Schlammrezirkulation: Schlamm wird unten entnommen und oben wieder eingepumpt.
- Mechanische Rührwerke: z.B. Propellerrührer, langsamlaufende Rührwerke. Erfordern eine sorgfältige Auslegung und Wartung.
- Gaseinmischung: Erzeugtes oder extern zugeführtes Biogas wird komprimiert und über Düsen am Boden des Faulbehälters eingeleitet. Die aufsteigenden Gasblasen bewirken die Durchmischung.
- Mechanische Homogenisierung:
- Gassystemtechnik: Die wichtigsten Komponenten sind:
- Gasometer (Gasspeicher)
- Gasfackel (zur Verbrennung von Überschussgas)
- Sicherheitsventile: Flammendurchschlagsicherungen, thermische Sicherungen, Über- und Unterdruckventile.
- Druckminderer
- Kondensatabscheider
- Lecksuchelemente
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
Gleichzeitige Erzeugung von Strom und Nutzwärme (oder mechanischer Energie) in einer Kläranlage aus derselben Primärenergiequelle, typischerweise dem im Faulprozess erzeugten Biogas. Dies verbessert die Energieeffizienz der Anlage erheblich.
Aerobe Stabilisierung
Abbau organischer Substanz durch aerobe biologische Prozesse, betrieben bei hohem Schlammalter, um Autoxidation (endogene Atmung) zu erreichen. Bei der endogenen Atmung verbrauchen die Bakterien ihre eigenen Zellreserven für Atmung, Bewegung und andere Lebensfunktionen. Dabei wird Zellsubstanz aerob zu Kohlendioxid, Wasser und Ammoniak oxidiert.
Vorteile
- Einfache Steuerung und Betrieb.
- Bessere Qualität des Überstandswassers (abgetrenntes Wasser).
- Nahezu vollständige Reduktion von Gerüchen.
- Reduktion der flüchtigen Feststoffe (organische Substanz) in ähnlichem Umfang wie bei der anaeroben Faulung, jedoch oft bei kürzeren Verweilzeiten.
- Der stabilisierte Schlamm kann als Dünger mit erhöhtem Nährwert für landwirtschaftliche Flächen dienen.
Nachteile
- Hohe Betriebskosten durch hohen Energieverbrauch für die Belüftung.
- Prozess ist stark von Umgebungstemperaturänderungen (Wetter) abhängig.
Parameter
- Schlammalter (Feststoffverweilzeit)
- Hydraulische Verweilzeit
- Organische Belastung
- Leistung bei der Beseitigung von flüchtigen Feststoffen
- Temperatur
- Sauerstoffbedarf
- Durchmischung
Sauerstoffstabilisierungsvarianten
A. Geschlossene Reaktoren (Reinsauerstoffbegasung)
Führt zu einer stabilen thermophilen Prozessführung bei Temperaturen zwischen 40-60 °C aufgrund der stark exothermen Oxidationsreaktionen. Sehr gut geeignet für kaltes Klima oder bei Platzmangel. Ermöglicht höhere Reaktionsgeschwindigkeiten und kürzere Retentionszeiten (ca. 4 Tage). Bessere Eliminierung von pathogenen Bakterien und Viren.
B. Offene Reaktoren (Atmosphärische Belüftung)
Niedrigere Betriebstemperaturen, erfordern größere Reaktorvolumina im Vergleich zur Reinsauerstoffbegasung.
Chemische Stabilisierung
Zugabe von Chemikalien (Reagenzien) zu eingedicktem oder entwässertem Schlamm, um die bakterielle Aktivität zu unterbinden. Dieses Verfahren reduziert weder den Gehalt an organischer Substanz noch das Schlammvolumen signifikant. Es schafft physikalisch-chemische Bedingungen, die biologische Abbauprozesse und somit die Entstehung von Gerüchen hemmen. Die Stabilisierung kann mit Kalk (Calciumhydroxid) oder Chlor erfolgen. Aufgrund der geringeren Kosten und der einfacheren Handhabung wird meist Kalk verwendet. Es wird ausreichend Kalk zugegeben, um den pH-Wert des Schlamms deutlich anzuheben (typischerweise auf pH > 12), wodurch die Mikroorganismen abgetötet oder inaktiviert werden.