Kodifizierung des Zivilrechts in Spanien

Eingeordnet in Rechtswissenschaft

Geschrieben am in Deutsch mit einer Größe von 8,8 KB

Kodifizierung und Sammlung

Im 18. Jahrhundert entstand die Notwendigkeit, Rechtsnormen zu sammeln und zu organisieren. Es war erforderlich, die Rechtsquellen zu ordnen und zu vereinfachen; daraus entstand die Kodifizierungsbewegung. Ziel war die Einheit der Materie an einem Ort sowie eine territoriale Einheitlichkeit. Eine Reform der spanischen Rechtsordnung war notwendig, da viele Regeln in Vergessenheit geraten waren.

Historische Vorläufer finden sich bereits im 18. Jahrhundert v. Chr. mit dem Kodex Hammurabi, im 5. Jahrhundert v. Chr. mit den Zwölftafelgesetzen und im 6. Jahrhundert n. Chr. mit den Digesten.

Die Unterscheidung zwischen Kodifizierung und Kompilation (Sammlung) ist wichtig: Eine Kompilation sammelt lediglich verschiedene Gesetze aus unterschiedlichen Epochen, ohne sie systematisch zu ordnen oder zu vereinheitlichen.

Die Kodifizierung hingegen ist ein komplexes Phänomen, das einen Teil der Rechtsordnung systematisch in Büchern, Titeln, Kapiteln, Artikeln usw. ordnet. Alle Regeln werden in einem Band mit systematischer Gliederung zusammengefasst.

Wann fand die Kodifizierung des Zivilrechts statt? Hauptsächlich Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, beeinflusst durch verschiedene Faktoren:

  • Philosophische Strömungen der Naturrechtsschule.
  • Die Französische Revolution.
  • Der Wunsch nach rechtlicher Vereinheitlichung von Territorien.

Im 18. und 19. Jahrhundert gab es bedeutende Diskussionen zwischen Savigny und Thibaut.

  • Thibaut befürwortete ein Bürgerliches Gesetzbuch, da ein Kodex das Studium und die Anwendung des Zivilrechts erleichtern würde.
  • Savigny hingegen glaubte, ein Kodex würde das Recht erstarren lassen, da es sich nicht mit der Geschwindigkeit der gesellschaftlichen Realität entwickeln könne.

Thibauts Ansicht setzte sich durch. Die Notwendigkeit von Änderungen am Bürgerlichen Gesetzbuch wurde anerkannt, da sich die Gesellschaft schnell wandelte.

Einfluss der Kodifizierung

Die Kodifizierung systematisierte das gesamte Zivilrecht. Sie modernisierte Rechtsinstitutionen und die Rechtssprache und schuf eine bedeutende Rechtskultur. Die moderne Rechtswissenschaft fand Eingang in die Bürgerlichen Gesetzbücher. Nach der Französischen Revolution und den Naturrechtsphilosophien repräsentierten die Kodizes einen rechtlichen Absolutismus, d.h. einen Vorrang der geschriebenen Norm vor richterlichem Ermessen. Der Richter war an den Kodex gebunden.

Wichtige ausländische Gesetzbücher

  • Französischer Code Civil (1804): Auch Code Napoléon genannt. Sehr liberal, individualistisch und bürgerlich geprägt. Dennoch für die Menschen gemacht, mit klarer Sprache und ohne übermäßige Komplexität. Sehr moderat.
  • Österreichisches ABGB (1811): Ein Kind der Aufklärung, folgt nicht direkt dem französischen Vorbild.
  • Deutsches BGB (1896): In Kraft seit 1900. Eine Reaktion auf das römische Recht und den übertriebenen Individualismus des französischen Codes. Betrachtet den Menschen als Teil der Gesellschaft, nicht als isoliertes Individuum. Sehr technisch, dogmatisch und konzeptionell – ein Kodex von Juristen für Juristen.
  • Italienischer Codice Civile (1942): Unter Mussolini entstanden, mit großer technischer Perfektion, aber wenig populärem Charakter. Vereinheitlichte Privat- und Handelsrecht.
  • Portugiesischer Código Civil (1867): Ähnlich dem französischen Code Civil, inspirierte später auch den spanischen Kodex.

Spanische Kodifizierung

Die spanische Kodifizierung verlief in zwei Phasen:

Phase 1: Versuch eines einheitlichen Kodex

Der erste Versuch einer Kodifizierung in Spanien erfolgte unter Napoleon, der ein dem französischen Code Civil ähnliches Zivilrecht einführen wollte. Ein zweiter Versuch ging von der Verfassung von Cádiz (1812) aus, die einen einheitlichen Kodex für die gesamte Monarchie anstrebte.

Ein bedeutendes Projekt war der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1851 durch eine Generalkommission, an der Persönlichkeiten wie García Goyena beteiligt waren. Dieser Entwurf war ein direkter Vorläufer des heutigen spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs. Er hatte positive und negative Aspekte, scheiterte aber an bestimmten Merkmalen: Er war zentralistisch (orientiert am kastilischen Recht), individualistisch, liberal, bürgerlich und moderat – ähnlich dem französischen Stil –, wies aber auch einen starken religiösen Radikalismus auf.

Nach dem Scheitern dieses Entwurfs wurden wichtige Einzelgesetze erlassen: Hypothekengesetz, Notariatsgesetz, Wassergesetz, Berggesetz etc. Bravo Murillo verfolgte das Ziel, alle zukünftigen Gesetze unter einem einzigen Zivilkodex zu sammeln.

Phase 2: Allgemeiner Kodex mit Anhängen

Eines der größten Probleme bei der Kodifizierung waren die Foralrechte der einzelnen Regionen (fueros), die ihre Eigenständigkeit verteidigten. 1880 versuchte man, das Problem durch ein Königliches Dekret zu lösen, indem Anwälte aus den Foralrechtsgebieten in die Kommission berufen wurden.

Alonso Martínez legte 1881 ein Projekt für ein Basisgesetz (Ley de Bases) vor, das die Regierung ermächtigen sollte, nach bestimmten Richtlinien einen Kodex zu entwerfen. Die Regierung sollte das Bürgerliche Gesetzbuch sowie separate Gesetze für die Foralrechte veröffentlichen und so die Geltung des BGB ausdehnen.

Es folgten weitere Versuche, darunter ein Entwurf von 1882. Alonso Martínez beauftragte Francisco Silvela, der 1885 einen weiteren Entwurf auf Basis des Basisgesetzes vorlegte. Dieser respektierte die Foralrechte als ergänzendes Recht, wurde aber im Senat nicht rechtzeitig diskutiert und verabschiedet, da ein Regierungswechsel stattfand.

Alonso Martínez griff das Projekt wieder auf und brachte das Basisgesetz von 1888 zur Verabschiedung. Dieses Gesetz enthielt 8 Artikel, die das Verfahren zur Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs regelten, sowie 27 Grundlagen (Bases), die die Prinzipien festlegten, nach denen die Regierung die zivilrechtlichen Institutionen im Kodex gestalten sollte.

Die Regierung fand einen Kompromiss: ein allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für das allgemeine Zivilrecht und Anhänge (Apéndices) für die Foralrechte (katalanisch, aragonesisch usw.). Letztendlich wurde das Bürgerliche Gesetzbuch veröffentlicht, aber nur ein Anhang für das aragonesische Recht hinzugefügt.

Am 24. Juli 1889 wurde das spanische Bürgerliche Gesetzbuch (Código Civil) erlassen. Seine Struktur ist:

  • Ein Vorläufiger Titel (Título Preliminar)
  • Vier Bücher:
  • Personenrecht
  • Sachenrecht (Güter, Eigentum und dessen Modifikationen)
  • Verschiedene Arten des Eigentumserwerbs
  • Schuldrecht und Verträge
  • 1976 Artikel und 13 Übergangsbestimmungen.

Neben dem Código Civil gibt es eine Reihe von Spezialgesetzen (leyes extracodiciales), wie das Gesetz über städtische Mietverträge, das Hypothekengesetz, das Gesetz über ländliche Pachtverträge, das Gesetz zum Schutz geistigen Eigentums, das Schiedsverfahrensgesetz usw. Nicht das gesamte Zivilrecht ist im Código Civil enthalten.

Reformen des spanischen BGB

Es gab zahlreiche Reformen. Eine wichtige Reform erfolgte 1958 im Familienrecht, die neben der kanonischen auch die zivile Eheschließung ermöglichte.

Die Reform von 1973-74 änderte den Vorläufigen Titel des Código Civil.

1975 schaffte eine Reform die eheliche Erlaubnis (licencia marital) ab, die Frauen benötigten, sowie die Gehorsamspflicht gegenüber dem Ehemann.

Mit der Demokratisierung folgten viele Reformen, insbesondere im Familienrecht, z.B. zur Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder.

1981 gab es eine Scheidungsrechtsreform und Änderungen im Namensrecht sowie im Konkursrecht.

1996 reformierte ein Gesetz den Kinderschutz, 2003 folgte ein Gesetz zum Schutz des Vermögens von Menschen mit Behinderungen.

2005 wurde das Familienrecht erneut tiefgreifend reformiert, was Scheidungsverfahren erleichterte (ley del divorcio exprés) und die gleichgeschlechtliche Ehe legalisierte.

All dies zeigt, dass das Bürgerliche Gesetzbuch lebendig ist und sich ständig weiterentwickelt.

Dekodifizierungsphase

Diese Phase bezeichnet die Tendenz, zivilrechtliche Materien zunehmend außerhalb des Kodex in Spezialgesetzen (leyes extracodiciales) zu regeln.

Verwandte Einträge: