Kommodifizierung: Definition und Kritik
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Kommodifizierung bezeichnet den Prozess der Kommerzialisierung bzw. des Zur-Ware-Werdens (vom englischen commodity, Ware). Kommodifizierung kann die Privatisierung von vorher gemeinschaftlich genutzten oder im Familienfideikommiss stehenden Ressourcen sein. Auch in Bezug auf die Vermarktung menschlicher Arbeitskraft wird von Kommodifizierung gesprochen.
Kommodifizierung wird von Kritikern „neoliberaler“ Konzepte als problematisch angesehen, u. a. da eine sich „ausbreitende Marktlogik“ zu einer „Ökonomisierung des Sozialen“ führe.
Inhaltsverzeichnis
Disziplinäre Unterschiede im Begriffsinhalt
Marketing
Informationswissenschaft
Gesellschaftswissenschaft
Stadtforschung
Siehe auch
Literatur
Disziplinäre Unterschiede im Begriffsinhalt
Der Begriff der Kommodifizierung wird in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen - sowie im „kritischen“ politischen Diskurs - mit unterschiedlichen inhaltlichen Akzenten benutzt.
Marketing
Im Marketing beschreibt Kommodifizierung einen Prozess, den manche Produkte durchlaufen. Nachdem zahlreiche ähnliche Produkte auf den Markt kommen, werden sie von herausragenden Produkten mit deutlichem Alleinstellungsmerkmal zu Allerweltsgegenständen. Eine Differenzierung untereinander ist nur schwerer möglich und deshalb setzt ein Preisunterbietungskampf ein.
Informationswissenschaft
In der Informationswissenschaft bedeutet Kommodifizierung die Betrachtung von Informationsobjekten als Waren, aus denen Informationsprodukte hergestellt werden können, für deren Nutzung Gebühren erhoben und die auf Informationsmärkten gehandelt werden können. Hier wird Kommodifizierung weitgehend synonym zu dem von Rainer Kuhlen geprägten Begriff der Venterisierung verwendet und kritisiert dann den „perfektionierten Vorgang der kontrollierten, privaten Aneignung von Wissen“ (Kuhlen 2002).
Gesellschaftswissenschaft
In den Sozialwissenschaften geht der Begriff Kommodifizierung zurück auf den Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi. Die zentrale Sorge bei seiner Untersuchung der “Great Transformation” (großen Transformation) in England, also dem Wandel des in die Gesellschaft eingebetteten Marktes zu einer entbetteten Marktgesellschaft, waren die negativen Effekte der Kommodifizierung. Mit der Unterordnung aller Produktionsfaktoren wie Boden, Arbeit und Geld unter das „reine Marktregime“ - der sog. Kommodifizierung - komme es zu einer sozialen Desintegration und zur Ablösung humaner Werte durch einen materialistischen Individualismus (Konsumgesellschaft). Dies führe notwendigerweise zu politischen Gegenbewegungen.
Stadtforschung
In der geographischen Stadtforschung wird mit Kommodifizierung der Prozess der (zunehmenden) Privatisierung zuvor "öffentlicher" Räume bezeichnet. In sogenannten Gated Communities sind die üblicherweise öffentlichen Infrastruktureinrichtungen (Straßen, Wasserleitungen, Stromnetz etc.) in Privatbesitz. Der Zugang zu diesen Wohngebieten wird kontrolliert und kann verwehrt werden. Anstatt eines öffentlichen Stadtraums findet sich ein privater Raum, dessen infrastrukturelle Nutzung ultimativ am Kauf eines Nutzungsrechts an der Gated Community (d. h. der eigentlichen Ware) hängt.
Auch Einkaufszentren, Shopping-Malls etc. sind oft im Besitz von privaten Investoren. Auch deren Aufenthaltsbereiche sind regelmäßig kommodifizierte Räume, wenngleich die Zugangsbegrenzungen weniger offensichtlich sind als bei Gated Communities.
Siehe auch
- Commodities
- Dekommodifizierung
- Finanzialisierung
- Kommerz
Literatur
- Kuhlen, Rainer: Informationsmarkt. Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. Schriften zur Informationswissenschaft Vol. 15. Universitätsverlag Konstanz (UVK), Konstanz 1995. ISBN 3-87940-528-X
- Kuhlen, Rainer: Napsterisierung und Venterisierung. Bausteine zu einer politischen Ökonomie des Wissens. (pdf) in: Prokla Nr. 126, 2002. (111 kB)
- Karl Polanyi: The Great Transformation. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1978. ISBN 3-518-27860-6