Kontrapost in Antiker Skulptur: Augustus & Doryphoros

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Augustus von Prima Porta

Faktenblatt

Werk: Künstler unbekannt. Original wahrscheinlich Bronze, ca. 19 v. Chr. Diese Marmorkopie stammt aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.
Kunstperiode: Römisch, Frühkaiserzeit (Julisch-Claudische Dynastie).
Standort: Vatikanische Museen.

Analyse der Arbeit

Diese Rundplastik aus Marmor ist eine Kopie eines Originalporträts aus Bronze, das nach dem Tod des Augustus angefertigt wurde. Dieses Exemplar wurde in der Villa von Livia in Prima Porta, außerhalb Roms, gefunden.

Kommentar

Augustus wird stehend dargestellt, bekleidet mit einer Tunika, einem muskulösen Panzer und einem um die Hüfte drapierten Paludamentum. Er hält seinen linken Arm und hebt den rechten Arm in einer Geste, die Truppen versammelt. In der linken Hand hält er den konsularischen Stab.
Der Augustus von Prima Porta ist klar vom Doryphoros des Polycletus inspiriert, was sowohl in den Proportionen als auch in der Haltung sichtbar wird: Das Gewicht ruht auf dem rechten Bein, während das linke Bein angewinkelt und zurückgezogen ist (Kontrapost).
Die Skulptur hat einen klaren politischen Zweck und dient als Propaganda. Die Reliefs auf dem Panzer stellen wichtige Ereignisse dar, wie die Rückgabe der römischen Feldzeichen und des Adlers durch die Parther an Tiberius (Sohn von Livia und Stiefsohn des Augustus), die Crassus verloren hatte. Ebenso sind auf beiden Seiten Allegorien der kürzlich eroberten Provinzen dargestellt: Hispania (links) und Gallien (rechts). Am unteren Rand befindet sich Mutter Erde mit Romulus und Remus und dem Füllhorn, begleitet von Apollo und Diana.
Auch unter den Füßen des Augustus befindet sich eine Darstellung von Amor, der auf dem Rücken eines Delphins reitet (eine Allegorie der Venus). Die Skulptur nutzt diese Gruppe gezielt als Propaganda. Während der Delphin in den Panzerreliefs den von Augustus gebrachten Frieden symbolisiert, verweist die Gruppe mit Amor auf die göttliche Herkunft der Julisch-Claudischen Familie, die über Aeneas mit Venus verwandt ist.
Die Tatsache, dass Augustus barfuß dargestellt ist (was beim Original aus Bronze nicht der Fall war), deutet auf seine Vergöttlichung hin. Dieses Detail lässt darauf schließen, dass das Werk nach dem Tod des Augustus geschaffen wurde, da er erst danach offiziell vergöttlicht wurde.

Bedeutung

Die Vorderseite des Werkes ist reich geschnitzt, während die Rückseite unvollendet ist, was darauf hindeutet, dass die Skulptur an einer Wand platziert wurde.
Dieses Werk begründete die Tradition der Kaiserporträts, die das Bild des Kaisers im gesamten Reich verbreiteten und als Element der Propaganda und Legitimation der kaiserlichen Macht dienten.

Kontext

Dieses Werk begründete die Tradition der Kaiserporträts, die das Bild des Kaisers im gesamten Reich verbreiteten und als Element der Propaganda und Legitimation der kaiserlichen Macht dienten.

Doryphoros (Speerträger)

Technische Daten

Titel: Doryphoros (Speerträger)
Künstler: Polycletus (Polikleitos)
Stil und Zeit: Griechische Klassik (5.-4. Jh. v. Chr.). Das Original entstand Mitte des 5. Jh. v. Chr. (ca. 440-430 v. Chr.). Die hier analysierte Arbeit ist eine spätere römische Kopie aus Marmor (Original war Bronze), möglicherweise aus hellenistischer Zeit. Die Periode ist geprägt von sozio-politischen Spannungen zwischen demokratischen und aristokratischen Regierungsformen. Künstlerisch zeigt sich dies in einer fortschreitenden Entwicklung hin zum Naturalismus.

Analyse

Dies ist eine freistehende Skulptur (Rundplastik) aus Marmor, obwohl das Original aus Bronze war. Sie zeigt einen jungen Mann, nackt, in Bewegung. Der linke Arm ist angewinkelt, da er ursprünglich eine Lanze trug (diese ist verloren gegangen).
Die Interpretation der Figur ist Gegenstand von Diskussionen: Es könnte ein Athlet (ein Speerwerfer) oder eine mythologische/heroische Figur wie Achilles sein. Das Thema dient jedoch hauptsächlich als Vorwand für den Bildhauer, um das männliche Schönheitsideal in seinem „Kanon“ darzustellen.

Kommentar

Diese Arbeit verkörpert das Ideal des perfekten männlichen Körpers, einen Prototyp nüchterner Eleganz ohne übertriebene Posen oder Manierismen. Die Figur bewegt sich ruhig und sicher.
Polycletus bietet eine innovative Lösung für die Darstellung einer stehenden Figur in Ruhe: Ein Bein trägt das Gewicht des Körpers, während das andere den Boden kaum mit den Zehen berührt und das Knie durch Zurückziehen beugt. Die durch dieses Ungleichgewicht erzeugte Spannung wird durch eine leichte Neigung des Beckens und der Schultern ausgeglichen.
Der Doryphoros zeigt noch archaische Überreste: Die Brustmuskeln sind flach, und die Linien an Taille und Hüfte sind sehr ausgeprägt. Polycletus führte die Technik der Gewichtsverlagerung auf ein Bein ein. Die Haltung des Doryphoros, die eine fortschreitende Bewegung darstellt, beinhaltet eine kurze Pause der Stabilität, die ein Gefühl von Bewegung und Kraft vermittelt. Es ist eine Aktion mit weit weniger Kraft als bei Myrons Diskobolos, aber der Rumpf ist vollständig in die Bewegung integriert.
Der Doryphoros hält den Speer in der linken Hand (vom Betrachter aus rechts), wodurch seine linke Schulter angespannt und leicht angehoben ist. Das linke Bein trägt kein Gewicht, die Hüfte sinkt ab, die Brust dehnt sich. Der rechte Arm des Doryphoros hängt entspannt herab, die Schulter ist gesenkt. Das rechte Bein trägt das Gewicht, die Hüfte ist angehoben. Der Rumpf ist auf der Seite der tragenden Hüfte und des zurückgezogenen Arms kontrahiert.
Der Kontrast zwischen der kontrahierten und der gedehnten Seite des Rumpfes verleiht dem Körper ein dynamisches Gleichgewicht, das sich von der statischen Symmetrie der Kouroi unterscheidet, deren linke und rechte Seite im Wesentlichen spiegelbildlich sind. Die abwechselnde Spannung und Entspannung der Gliedmaßen in Kombination mit dem Rumpf wird als Kontrapost bezeichnet. Diese Technik wurde in der Kunstgeschichte häufig verwendet, um Figuren aus Stein, Bronze oder Malerei ein Gefühl von Vitalität zu verleihen.
Die leichte Neigung des Kopfes des Doryphoros durchbricht die frontale Ausrichtung archaischer Skulpturen. Beide Seiten der Statue haben sehr unterschiedliche Qualitäten, aber das Gesamtbild ist harmonisch und schön. Die rechte Seite vermittelt Ruhe durch die Kontinuität der vertikalen Linie vom tragenden rechten Bein bis zum entspannten Arm. Die linke Seite hingegen ist kantiger; die Position des angewinkelten Ellenbogens korreliert mit der scharfen Biegung des entspannten linken Beins.
Polycletus's „Kanon“ der Proportionen: Obwohl keine endgültige Schlussfolgerung über die genauen Proportionen erreicht wurde, scheint der Kopf ein Siebtel der Körpergröße zu betragen. Das Gesicht ist in drei gleiche Teile geteilt (Stirn, Nase, Abstand vom Kinn zum Nasenbogen). Die Kurven von Brust und Leistengegend sind Bögen desselben Kreises, neben anderen Maßen und Proportionen. Für Polycletus übersetzte sich Schönheit in Proportion und Harmonie.

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