Leitfaden zur Aktienbewertung: Fundamentale & Technische Analyse

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Grundlagen der Aktienbewertung

Fundamentalanalyse: Definition und Aspekte

Die Fundamentalanalyse versucht, den inneren Wert eines finanziellen Vermögenswertes zu bestimmen.

Innerer Wert: Der Barwert der zukünftigen Cashflows, die ein Vermögenswert generiert, diskontiert mit einem angemessenen, risikobasierten Zinssatz.

Aspekte der Fundamentalanalyse

1. Externe Analyse: Untersuchung von Variablen des allgemeinen Umfelds, der Wirtschaft und der Industrie.

  • Allgemeines Umfeld:
    • Wirtschaftliches Szenario: Inflation, Zinssätze, BIP usw.
    • Soziales Umfeld: Arbeitsmarkt, Arbeitskämpfe, Gewerkschaftsbeziehungen usw.
    • Politisches Umfeld: Politische Stabilität, Steuern, internationale Lage usw.
    • Technologisches Umfeld: Entwicklung neuer Technologien, F&E usw.
  • Spezifische Sektoranalyse: Position des Sektors in der Wirtschaft.
    • Grad der Rivalität zwischen bestehenden Unternehmen
    • Vorhandensein potenzieller Wettbewerber
    • Bedrohung durch Ersatzprodukte
    • Verhandlungsmacht von Lieferanten und Kunden

2. Interne Analyse: Untersuchung der Bereiche, über die das Unternehmen direkte Kontrolle hat, wie Finanzen, Marketing, Personalwesen und Investitionen.

Ziel und Methoden der Fundamentalanalyse

Ziel: Die Ineffizienzen der Börse auszunutzen, um überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen.

Zwei zentrale Methoden

A) Berechnung des inneren Wertes (VI): Nach Bestimmung des angemessenen Abzinsungssatzes werden die zukünftigen Cashflows abgezinst, um den inneren Wert zu ermitteln.

  • Wenn VI > Marktpreis (P): Der Vermögenswert ist unterbewertet. KAUFEN

B) Berechnung der erwarteten Rendite (IRR):

  • Zuerst muss die erforderliche Rendite (k) definiert werden, also die Mindestrendite, die für eine Investition gefordert wird (z. B. mittels CAPM).
  • Anschließend wird die erwartete Rendite (Internal Rate of Return, IRR) berechnet. Bei bekanntem Marktpreis ist die IRR die Rendite der Investition.
  • Wenn IRR > k: Die Investition ist INTERESSANT.

Das Konzept des effizienten Marktes

Ein Markt ist effizient, wenn die Aktienkurse alle verfügbaren Informationen vollständig widerspiegeln. In einem perfekt effizienten Markt entspricht der Preis eines Vermögenswertes seinem inneren Wert (P = VI) und die erwartete Rendite entspricht der erforderlichen Rendite (IRR = k). Der Markt befindet sich im Gleichgewicht.

  • Die Preise finanzieller Vermögenswerte schwanken zufällig um ihren inneren Wert.
  • Alle neuen Informationen werden sofort in die Preise eingearbeitet, sodass die Preise einem „Random Walk“ folgen (Preisänderungen sind nicht vorhersagbar).
  • Investoren können im Durchschnitt nur eine normale, dem Risiko angemessene Rendite erwarten (a priori NPV = 0).

Formen der Markteffizienz

Je nachdem, welche Informationen in den Preisen widergespiegelt werden, unterscheidet man drei Effizienzniveaus:

  • Schwache Effizienz: Die Kurse spiegeln alle historischen Preisinformationen wider. Die technische Analyse ist hier nutzlos, um Überrenditen zu erzielen.
  • Halbstrenge Effizienz: Die Kurse enthalten alle öffentlich verfügbaren Informationen (historische Kurse, Geschäftsberichte etc.). Hier ist auch die Fundamentalanalyse nicht nützlich, um systematisch außerordentliche Ergebnisse zu erzielen.
  • Strenge Effizienz: Die Kurse reflektieren alle Informationen, einschließlich privater oder Insider-Informationen. Nicht einmal Insider können dauerhaft Überrenditen erzielen.

Empirische Evidenz

  • Schwach: Wird allgemein als gegeben angenommen.
  • Halbstreng: Wird von den meisten Studien gestützt.
  • Streng: Wird generell nicht gestützt, da Insiderhandel oft zu abnormalen Renditen führt.

Auswirkungen auf das Finanzmanagement

  • Rechnungslegung: In einem effizienten Markt lassen sich Investoren nicht durch bilanzpolitische Manipulationen täuschen, solange diese keine realen Auswirkungen auf die Cashflows haben.
  • Anlagestrategie: In schwach effizienten Märkten ist die technische Analyse nicht sinnvoll. In halbstrengen Märkten ist die Fundamentalanalyse nicht geeignet, um außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen.

Modelle zur Bewertung von Aktien

Dividenden-Diskontierungsmodell (DDM)

Der Wert einer Aktie entspricht dem Barwert aller zukünftig erwarteten Dividenden.

Formel: P₀ = Σ (Dᵢ / (1 + k)ⁱ)

  • P₀: Innerer Wert der Aktie heute
  • Dᵢ: Erwartete Dividende für den Zeitraum i
  • k: Erforderliche Rendite (Kapitalkosten)

Wachstumsmuster der Dividenden

a) Kein Wachstum (Zero Growth): Die Dividende bleibt konstant.

Formel: P₀ = D / k

b) Konstantes Wachstum (Gordon-Shapiro-Modell): Die Dividenden wachsen mit einer konstanten Rate g.

Formel: P₀ = D₁ / (k - g)

c) Variables Wachstum: Das Unternehmen durchläuft Phasen mit unterschiedlichen Wachstumsraten.

Die Wachstumsrate (g) kann als g = ROE * Einbehaltungsquote geschätzt werden, wobei ROE die Eigenkapitalrendite ist.

Bestimmung der Kapitalkosten (k)

Die erforderliche Rendite (k) wird oft mit dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) bestimmt.

Formel: k = Risikofreier Zinssatz + Beta * (Marktrisikoprämie)

Technische Analyse

Konzept: Die technische Analyse untersucht die Bewegungen von Preisen und Handelsvolumen in der Vergangenheit, um Muster zu identifizieren und zukünftiges Verhalten vorherzusagen. Sie basiert hauptsächlich auf der Analyse von Charts (Charting).

Ursprung: Entwickelt von Charles H. Dow Ende des 19. Jahrhunderts.

Grundprinzipien der Technischen Analyse

  • Die Preise bewegen sich in Trends.
  • Der Markt hat ein Gedächtnis; die Vergangenheit kann helfen, die Zukunft vorherzusagen.
  • Die Geschichte wiederholt sich.

Arten von Charts

  1. Linienchart: Wird mit den Schlusskursen einer Periode erstellt.
  2. Balkenchart (Bar Chart): Zeigt Eröffnungs-, Höchst-, Tiefst- und Schlusskurs für jede Periode.
  3. Candlestick-Chart: Ähnlich dem Balkenchart, visualisiert die Preisbewegung jedoch anschaulicher.

Trends, Unterstützung und Widerstand

Trends

Definition: Die allgemeine Richtung, in die sich der Preis eines Vermögenswertes bewegt, basierend auf dem Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage.

  • Aufwärtstrend: Serie von höheren Hochs und höheren Tiefs.
  • Abwärtstrend: Serie von tieferen Hochs und tieferen Tiefs.
  • Seitwärtstrend (Horizontal): Preise bewegen sich innerhalb einer Spanne ohne klare Richtung.

Unterstützung und Widerstand

  • Widerstand (Resistance): Ein Preisniveau, an dem Verkaufsdruck den Aufwärtstrend stoppt.
  • Unterstützung (Support): Ein Preisniveau, an dem Kaufdruck den Abwärtstrend stoppt.
  • Wenn ein Widerstand durchbrochen wird, kann er zur Unterstützung werden und umgekehrt.

Kanäle

Ein Kanal entsteht, wenn sich ein Trend zwischen zwei parallelen Linien (Unterstützungs- und Widerstandslinie) bewegt.

Volumen

Das Handelsvolumen ist die Anzahl der gehandelten Aktien in einer Periode. Es hilft, die Stärke eines Trends zu bestätigen:

  • Ein starker Aufwärtstrend wird von steigendem Volumen begleitet.
  • Ein starker Abwärtstrend wird von steigendem Volumen begleitet.

Chartformationen in der Technischen Analyse

Umkehrformationen

Diese Formationen deuten auf eine mögliche Umkehr des bestehenden Trends hin.

  • Schulter-Kopf-Schulter (SKS): Eine bärische Umkehrformation, die nach einem Aufwärtstrend auftritt.
  • Inverse Schulter-Kopf-Schulter (iSKS): Eine bullische Umkehrformation, die nach einem Abwärtstrend auftritt.
  • Doppel-Top: Eine bärische Formation (ähnlich einem „M“), die eine Trendumkehr nach unten signalisiert.
  • Doppel-Boden: Eine bullische Formation (ähnlich einem „W“), die eine Trendumkehr nach oben signalisiert.

Trendbestätigungsformationen

Diese Formationen deuten darauf hin, dass der bestehende Trend nach einer Pause fortgesetzt wird.

  • Dreiecke (symmetrisch, aufsteigend, absteigend): Konsolidierungsphasen, nach deren Ausbruch der vorherige Trend oft fortgesetzt wird.
  • Keilformation (Wedge): Ähnlich wie Dreiecke, deuten aber oft auf eine bevorstehende Umkehr hin, obwohl sie als Fortsetzungsformationen klassifiziert werden.

Technische Indikatoren

Gleitender Durchschnitt (Moving Average)

Ein Trendfolgeindikator, der Preisschwankungen glättet, um die Richtung des Trends leichter zu erkennen. Gleitende Durchschnitte können auch als dynamische Unterstützungs- und Widerstandslinien dienen.

  • Je länger der Zeitraum des Durchschnitts, desto signifikanter ist das Signal.
  • Gewichtete gleitende Durchschnitte geben neueren Kursen mehr Gewicht.

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