Lernschwierigkeiten und Schulversagen: Ursachen, Klassifikation und Bewertung
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Schulversagen und Lernschwierigkeiten
Schulversagen und Lernschwierigkeiten sind ähnliche, aber nicht deckungsgleiche Konzepte. Beide beziehen sich auf schwache schulische Leistungen von Schülern. Während sich 'Schulversagen' auf die schulischen Leistungen unabhängig von der Ursache bezieht, sind 'Lernschwierigkeiten' oft auf persönliche Faktoren zurückzuführen, wie einen Mangel an Reife in der Struktur oder Funktion des zentralen Nervensystems.
Es ist möglich, dass Kinder in bestimmten Bereichen nicht normal funktionieren. Daher werden 'minimale zerebrale Dysfunktionen' (MCD) und 'Lernschwierigkeiten' oft synonym verwendet.
Minimale zerebrale Dysfunktion und Psychiatrie
Minimale zerebrale Dysfunktion ist ein medizinisches Konzept, das spezifische Lernstörungen umfasst, die sich mit geistiger Behinderung manifestieren. Dies äußert sich auch im Verhalten (Reizbarkeit, Aggressivität, Frustrationstoleranz, Hyperaktivität).
In der Psychiatrie wird ein Verhaltenssyndrom in der Kindheit als Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bezeichnet. Es ist gekennzeichnet durch verminderte Aufmerksamkeit, Ablenkbarkeit, Hyperaktivität, Impulsivität, emotionale Störungen und oft auch Entwicklungsstörungen der Wahrnehmung, Motorik und Sprache.
Klassifikation von Lernschwierigkeiten nach dem Ursprung
Eine mögliche Klassifikation von Lernschwierigkeiten nach ihrem Ursprung umfasst:
- Lernbehinderungen basierend auf den Merkmalen des Schülers.
- Lernschwierigkeiten, die aus unterschiedlichen Kontexten resultieren.
- Lernschwierigkeiten, die eine Kombination aus zwei oder mehr der zuvor genannten Faktoren darstellen.
Basierend auf Besonderheiten der Schüler
- Ein biologisches Defizit durch genetische oder Umweltfaktoren (z.B. Veränderungen im zentralen Nervensystem).
- Erbliche Faktoren (z.B. Lese-, Hör- oder Sehbeeinträchtigungen).
- Biochemische Veränderungen, die aus Problemen bei der Nahrungsaufnahme (Mangelerscheinungen, Viren) oder perinatalen/postnatalen Problemen resultieren, sowie endokrine Störungen.
- Probleme mit der Hirnanhangdrüse (die Empathie beeinflussen).
- Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse (z.B. Diabetes).
- Kognitive Defizite (die sich in schlechten schulischen Leistungen äußern).
Resultierend aus verschiedenen Kontexten
- Soziokulturelle Merkmale, die Lernbehinderungen verursachen können. Dazu gehören soziale Ausgrenzung, schlechte Ernährung und mangelnde sensomotorische Erfahrungen. Auch wenn in der Familie die Schule nicht als wichtig, sondern als Verpflichtung angesehen wird.
- Bildung: Manchmal sind die Anforderungen in den Lehrplänen unzureichend, die Materialien ungeeignet oder es mangelt an Lehrmaterialien. Dies kann zu schlechten Leistungen bei Schülern führen, weshalb Bildungsgesetze häufig geändert werden.
Integration der letzten beiden Kategorien: die persönliche Interaktion mit dem Kontext. Es gibt mehrere Lernschwierigkeiten, deren Ursprünge vielfältig sind. Die schulischen Leistungen der Schüler hängen von ihren individuellen Merkmalen, der Fähigkeit, Strategien zu entwickeln, der Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, und der familiären Förderung ab.
Sechs Funktionen nach Myers und Hammill (1987)
Myers und Hammill (1987) definierten sechs Funktionen, die sie als ausreichend erachteten, um das Auftreten von Lernschwierigkeiten zu begründen (nicht notwendigerweise alle sechs):
- Motorische Störungen: Sind mit Lernschwierigkeiten verbunden; wenn motorische Schwierigkeiten bestehen, sind diese oft mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems verbunden.
- Emotionale Störungen: Emotionale Instabilität geht oft mit Lernschwierigkeiten und einer abnormalen Gehirnfunktion einher.
- Wahrnehmungsstörungen: Die Unfähigkeit, Empfindungen zu erkennen, zu diskriminieren und zu interpretieren. Das bedeutet, ein Kind kann Schwierigkeiten haben, eine Aufgabe auszuführen, obwohl es keine motorischen Probleme hat.
- Symbolisierungsstörungen: Können vier Typen umfassen:
- Rezeptiv-auditive Symbolstörungen: Missverständnis des Gesprochenen (z.B. Bitten um Wiederholung).
- Rezeptiv-visuelle Symbolstörungen: Am häufigsten wird das Gelesene nicht verstanden, und beim Sprechen zeigt sich ein Mangel an Ideen.
- Expressiv-vokale Symbolstörungen: Schwierigkeiten bei der Formulierung von Gedanken in Sprache, Mangel an Ideen.
- Expressiv-motorische Symbolstörungen: Schwierigkeiten, Gedanken schriftlich oder durch Gesten auszudrücken.
- Aufmerksamkeitsstörungen: Können von übermäßiger oder mangelnder Aufmerksamkeit herrühren. Kinder mit Unaufmerksamkeit manifestieren sich in der Regel als reizbar und leicht ablenkbar. Eine übermäßige Konzentration auf unwichtige Details kann auch eine Form von zu viel Aufmerksamkeit sein.
- Gedächtnisstörungen: Schwierigkeiten beim Aufnehmen, Speichern und Abrufen von Informationen.
Zusätzlich zu diesen sechs Merkmalen (es ist normal, dass ein Kind mehrere davon aufweist), gibt es weitere Bedingungen, die ebenfalls mit Lernschwierigkeiten (DA) einhergehen. Dazu gehören Defizite wie Konzentrationsstörungen, unterdurchschnittliche Intelligenz, Hörschwäche, begrenzter Wortschatz, schlechtes Selbstwertgefühl usw.
Spezifische Probleme durch ZNS-Dysfunktion
Andere spezifische Probleme, die aus Dysfunktionen im zentralen Nervensystem (ZNS) resultieren und das Lernen beeinflussen. Diese betreffen in der Regel die Wahrnehmung und Imagination. Wenn Probleme beim symbolischen Ausdruck auftreten, finden wir Dyslalien und Legasthenie.
Diese Schäden sind in die fünf Gruppen eingeteilt:
- Auditive Sprachstörungen: Treten in der Regel zwischen 2-4 Jahren auf und verhindern eine normale Entwicklung der symbolischen Sprache. Dazu gehören die Wernicke-Aphasie (Unfähigkeit, Sprache zu verstehen und auszudrücken), die expressive Aphasie (Ersetzen von Wörtern, Lesefehler in der Wortreihenfolge) und schließlich die gemischte Aphasie (Mangel an Verständnis und Sprachproduktion).
- Lesestörungen: Die Unfähigkeit, normal zu lesen, typisch für Legasthenie. Obwohl es Probleme gibt, die mit Legasthenie in Verbindung gebracht werden können, aber nicht ausschließlich sind, wie die Verwechslung von Buchstaben oder Wörtern und Probleme der visuellen Analyse. Betroffene vermeiden auch traditionelle Spiele wie 'Mensch ärgere dich nicht' oder Kartenspiele, da sie Schwierigkeiten mit deren visuellen oder räumlichen Aspekten haben.
- Schriftsprachstörungen: Wenn unsere Wahrnehmungsfunktionen beeinträchtigt sind, äußert sich dies in schriftlichen Defiziten. Es treten Schwierigkeiten wie Dysgraphie (visuomotorische Störung, Auge-Hand-Koordination) auf. Ein weiterer Grund sind Mängel in der Revisualisierung (Probleme beim Diktat, visuelle Gedächtnisschwächen). Weitere Aspekte sind Syntaxprobleme, mangelnde Vorstellungskraft, Rechtschreibschwierigkeiten, Probleme mit Sichtwörtern, Pronomen und Satzzeichen.
- Arithmetische Störungen (Dyskalkulie): Ist mit neurologischen Störungen verbunden, die das quantitative Denken beeinträchtigen. Es gibt zwei Arten:
- Sprachbezogene Beeinträchtigung: Das Kind kann mathematische Probleme nicht lösen, weil es die Anweisungen oder Erklärungen nicht versteht.
- Echte Dyskalkulie: Bezieht sich auf das Verständnis der mathematischen Grundprinzipien.
- Nonverbale Lernstörungen: Es gibt Aspekte, die Kinder nicht verstehen, wie Raum, Zeit, Größe und Richtung. Dies sind nonverbale Elemente des täglichen Lebens, die nicht assimiliert werden können.
Elemente der pädagogischen Beratungsbewertung
Elemente, die Teil der Bewertung und Beratung sind:
- Hintergrundinformationen: Dies sind grundlegende Informationen über den Lernprozess oder die Entwicklung des Schülers, gesammelt vom Lehrer. Sie sollten die Ursache für den Antrag auf pädagogische Unterstützung, die Erwartungen und Interessen des Schülers, besondere Ereignisse im Zusammenhang mit dem Lehrer, eine Analyse der Schülerbedürfnisse (z.B. genutzte Materialien wie Bücher, Texte), Merkmale der Schreibweise des Schülers, die Art der Korrekturen durch den Lehrer und die Freizeitgestaltung des Schülers (ob er nach dem Unterricht alleine oder mit Partnern ist) umfassen. Zusätzlich sollte eine Hypothese zur Ursache des Problems und zur möglichen Vorgehensweise formuliert werden.
- Analyse des schulischen Umfelds: Aspekte wie die organisatorische Struktur und die Bildungslinie des Zentrums, die Grundlagen des Schulprogramms (PEC), das Lehrplanprojekt – d.h. alle Dokumente, die die Struktur der Schule betreffen. Dazu gehören auch die Raumverteilung und die Gruppenbildung der Schüler. Das Schulklima und die Interaktion des Klassenlehrers mit den Schülern werden analysiert. Dies umfasst die Unterrichtspraxis (Planung und Entwicklung), die Merkmale der Aktivitäten zu Beginn der Stunde, die Priorisierung der zu entwickelnden Inhalte (d.h. der wichtigsten zu verfolgenden Inhalte), die verwendeten Methoden und Hilfsmittel sowie deren Strukturierung, die Zeit- und Raumzuteilung, das emotionale Klima der Beziehungen zwischen Lehrer und Schülern, Bewertungskriterien und Unterrichtsmaterialien. Im Zusammenhang mit den Schülern wird die Art der Beteiligung der Schüler in der Gruppe analysiert, wie die Zeit in den verschiedenen Modalitäten verteilt wird, die Beobachtung der Entwicklung und die Bedeutung der kooperativen Arbeit. Es werden auch die Beziehungen und affektiven Bindungen analysiert, die im Unterricht und mit anderen Schülern im Zentrum auftreten.
- Die Familie: Der familiäre Kontext beeinflusst die emotionale, affektive und soziale Entwicklung des Schülers. Daher ist es sinnvoll, alle relevanten Aspekte zu kennen, die das Lernen des Schülers fördern oder behindern, um die pädagogische Entscheidungsfindung zu erleichtern. Manchmal gibt es viel Verschwiegenheit in der Familie, sodass wir nicht immer relevante Informationen erhalten können. Zu berücksichtigende Umweltaspekte sind: Der Grad der Autonomie des Lernenden in der Familie, der Gesundheitszustand des Schülers und seiner Familie (Krankheiten oder Schwierigkeiten eines Familienmitglieds können das Lernen des Kindes erheblich stören). Wie Freizeitaktivitäten in der Familie organisiert sind (z.B. ob das Kind alleine zu Hause spielt). Welche Haltung und Gewohnheiten der Schüler im Arbeits- oder Lernbereich zeigt. Wie die Kommunikation zwischen Elternhaus und Schule ist, d.h. die Art der regelmäßigen Treffen. Die Struktur der Familie, die Anzahl der Mitglieder, ob strukturiert oder nicht, ob es Scheidungsfälle gibt usw. Die Haltung der Eltern und Geschwister zu den Schwierigkeiten des Schülers und welche Erwartungen die Eltern an ihren Sohn haben.
- Der Schüler: Umfassende Analyse aller Fähigkeiten des Schülers: kognitive, motorische, leistungsbezogene usw. Der vollständige Bericht wird dem Management-Team zur Durchführung relevanter Veränderungen geliefert.
Prinzipien der pädagogischen Beratungsbewertung
Pädagogische Beratung zielt darauf ab, Daten zu interpretieren und auszuwerten, um Bildungsentscheidungen hinsichtlich der zu bewertenden Ziele zu treffen. Die Bewertung sollte auf folgenden Prinzipien basieren:
- Funktionaler Charakter: Sollte genutzt werden, um Entscheidungen über den Lehr-Lern-Prozess zu treffen.
- Dynamischer Charakter: Um das Lernpotenzial zu bestimmen und mögliche Hilfestellungen zu überlegen.
- Wissenschaftlicher Inhalt: Daten müssen erhoben und die pädagogische Anpassung analysiert werden. Es muss bestimmt werden, welche Kompetenzen der Lernende im Lehrplan (was der Lernende alleine tun kann) und welchen Grad der Entwicklung er erreicht hat. Dies umfasst die Bewertung der Domänen: mündliche Sprache (Intonation, Satzbau), geschriebene Sprache (Rechtschreibung, Leseverständnis, Leseflüssigkeit) sowie logisch-mathematische Fähigkeiten (Mathematik, Problemlösen, Zahlenkompetenzen und deren Anwendung).