Leseentwicklung: Theorien, Einflussfaktoren & Pädagogik
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Theorien der Leseentwicklung
Reifungstheorie (Piaget)
Die Reifungstheorie nach Piaget besagt, dass bestimmte psychobiologische Merkmale für einen Reifungsprozess vorhanden sein müssen. Eine Antizipation (Vorwegnahme) kann zu sprachlichen Problemen, Kommunikationsstörungen, Charakteranomalien und Erkrankungen wie Dysgraphie oder Legasthenie führen.
Die Diagnose der Reife erfolgt durch „direkte Beobachtung“ mittels ausgearbeiteter Leitlinien und Merklisten. Bekannte diagnostische Tests sind:
- BADIMALE (Batterie zur Diagnose der Lese-Bereitschaft) von André Inizan und Santiago Molina (Spanien):
- Wahrnehmung und Kurzzeitgedächtnis
- Auditive und motorische Raum-Zeit-Organisation
- Wortschatz, motorische Koordination und Lateralität
- ABC-Test (Laurenço Filho):
- Visuell-motorische Koordination
- Motorisch-akustisch-visuelle und auditive Speicherfähigkeit
- Aussprache (Betonung des Phonems)
- Wortschatz und Unterscheidung ähnlicher Laute (z.B. p/b)
- Aufmerksamkeitsspanne und Ermüdbarkeit
- Reversal Test (Åke W. Edfeldt), in Spanien adaptiert von Garcia Manzano (Madrid) und Villegas Basra (Barcelona):
- Akustische Wahrnehmung
- Umgang mit grafischen Werkzeugen
Behavioristische Theorien (Bruner, Bloom)
Die Behavioristen betonen, dass für frühes Lernen der optimale Zeitpunkt für den Beginn des Lesens gefunden werden muss. Im Falle des Schreibens wird das Lernen oft von dem des Lesens getrennt. Es wäre „wunderbar“, wenn Kinder bereits mit 18 Monaten in der Lage wären, sich persönlich durch grafisches Schreiben mit Korrektur auszudrücken.
Naturalistische Ansätze
Diese Ansätze verteidigen das Lehren und Lernen der Grundbildung als notwendigen und freudvollen Prozess, der dem Erwerb und der Entwicklung der mündlichen Sprache nachempfunden ist. Die wissenschaftliche Debatte darüber, wie verschiedene Schulen aus Forschung und Praxis unterschiedliche Theorien ableiten, dauert an. Die aktuelle Pädagogik betont die Freiheit der vereinbarten Maßnahmen.
Faktoren des Erwerbs & der Entwicklung der Schriftsprache
Neuropsychologische Faktoren
- Entwicklung der sensorischen Wahrnehmung: Sehschärfe und visuelle Diskriminierung, auditive Diskriminierung und phonologische Segmentierung.
- Fähigkeit, verschiedene beteiligte Hirnareale und die zerebrale Lateralität (Dominanz der linken Gehirnhälfte für Denken, der rechten für Fühlen) zu integrieren.
- Orientierung und Strukturierung von Raum und Zeit.
Sprachliche Faktoren
- Entwicklung der mündlichen Ausdrucksfähigkeit (Beherrschung der Aussprache) als Voraussetzung für den Zugang zur Schriftsprache.
Intellektuelle Faktoren
- Ausreichende Entwicklung der allgemeinen Intelligenz und die analytisch-sachgemäße Anwendung kognitiver Prozesse, wie divergentes und konvergentes Denken (Generierung möglichst vieler Ideen als Reaktion auf eine offene Frage oder Herausforderung; Auswahl aus vielen Möglichkeiten, um zu einem Abschluss zu gelangen) sowie kritisches Denken.
Sozio-Umweltfaktoren
- Wirtschaftliche und/oder stimulierende Bedingungen im familiären und sozialen Umfeld. Diese Faktoren können den optimalen Zeitpunkt für das Erlernen der Schriftsprache bestimmen und diesen sogar antizipieren.
Emotionale Faktoren
Persönlichkeit und emotionale Stabilität kontrollieren oder beeinflussen den Reifungsprozess. Die Fähigkeit, Lesen und Schreiben zu lernen, ist eng mit den psychischen Merkmalen des Kindes verbunden.
Wichtige Aspekte
- Alle an der Erziehung von Kindern im Alter von 0 bis 6 Jahren beteiligten Parteien (Eltern, Erzieher, beteiligte Institutionen, Gesellschaft) sollten sich der Bedeutung dieses Schrittes für die weitere Entwicklung bewusst sein.
- Die Eltern als erste Erzieher sollten auf jede Weise (persönlich und durch die Gestaltung des Umfelds) eine frühe, spielerische und multisensorische Stimulation in allen Aspekten fördern.
- Der Lehrer sollte ein Umfeld fördern, das alle Aspekte der Alphabetisierung unterstützt:
- Mehrere Lernmöglichkeiten anbieten.
- Das gesamte Spektrum der Möglichkeiten für sensorische, sprachliche, emotionale, soziale und geistige Stimulation fördern und aktualisieren.
- Das Kind sollte individuell in seinem eigenen Tempo herausfinden, wann es lesen möchte und das Bedürfnis verspürt, sich schriftlich auszudrücken (ein echtes Bedürfnis, das auf seinen Interessen basiert, nicht auf extrinsischer Motivation durch Erwachsene). Dies fördert das Lernen durch Entdeckung.
- Die Lehrer sollten, wenn der optimale Zeitpunkt gekommen ist, eine geeignete Methodik für das Erlernen von Lesen und Schreiben anwenden, die der Psychologie des jeweiligen Alters entspricht.
Pädagogische Faktoren & Alphabetisierungsansätze
Vorbereitung
Der Lernende muss ein Stadium erreichen, das die notwendige Flexibilität und Beherrschung der Feinmotorik sowie die geistige Entwicklung für das Lesen ermöglicht.
Lernen durch Entdeckung – Progression
Dieser Ansatz reagiert auf die individuelle Weiterentwicklung des Kindes:
- Beginnend mit Aktivitäten und Materialien, die auf die individuelle Entwicklung abgestimmt sind.
- Fortschreiten mit Hilfen in der Reihenfolge zunehmender Schwierigkeit und abnehmender Unterstützung.
Lehr-Lern-Ansätze für Buchstaben
Für das Erlernen von Buchstaben werden vielfältige Lehr-Lern-Ansätze vertreten:
- a) Phonetische Schwierigkeit (Braslavsky): Beginn mit Vokalen und Fortsetzung mit Konsonanten.
- b) Grafische Schwierigkeit (Malhauser): Beginn mit geraden Linien und Fortsetzung mit Kurven.
- c) Kombinierte phonetisch-grafische Schwierigkeit (Feldman): Kombination der beiden Ansätze.
- d) Häufigkeit der Nutzung oder „Produktivitätsfaktor“ (Neijs): Dieser Ansatz legt den Schwerpunkt auf Buchstaben, die eine größere Anzahl von Schlüsselwörtern ermöglichen (z.B. der Buchstabe „e“ ist der meistverwendete in unserer Sprache).
Finalisierung
Abschlussübungen, die ein ausreichendes Maß an Herausforderung bieten, um das Risiko vermeidbarer Fehler in den einzelnen Stufen (nach Levin) zu reduzieren.