Die Mädchen selbst: Moratíns Komödie und die Rechte der Frau
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Leandro Fernández de Moratín: Die Mädchen selbst (El sí de las niñas)
Das Stück Die Mädchen selbst (Originaltitel: El sí de las niñas) wurde 1801 geschrieben, jedoch erst 1806 auf dem Höhepunkt von Moratíns Karriere uraufgeführt. Kurz darauf, als die Franzosen in der Schlacht von Arapiles geschlagen wurden und die Napoleonische Invasion 1808 ihren Höhepunkt erreichte, musste Moratín ins Exil gehen.
Moratíns Meisterwerk und Uraufführung
Die gesellschaftskritische Komödie Die Mädchen selbst gilt als Moratíns Meisterstück. Die Uraufführung 1806 war ein großer Erfolg und lief sechsundzwanzig aufeinanderfolgende Tage. Es wird oft angenommen, dass das Stück die Beziehung des Schriftstellers zu Paquita Muñoz widerspiegelt, da die Protagonistin selbst Francisca heißt.
Plädoyer für die Rechte der Frauen
Abgesehen von seiner Bedeutung für das Verständnis von Moratíns Werk ist Die Mädchen selbst auch ein Plädoyer für das Recht der Frauen, denjenigen zu heiraten, den sie lieben, und nicht nur zur Erleichterung der Familie, wie es damals üblich war. Es handelt sich um eine zaghafte Verteidigung, da weder Francisca noch Carlos offen rebellieren oder ihre Liebe verteidigen. Es ist Don Diego, der Interessent, der eine faire Lösung für den Konflikt herbeiführen muss. Die Charaktere sind weit entfernt von den leidenschaftlichen und rebellischen Helden des klassischen Theaters.
Hauptfiguren und ihre Rollen
Die Protagonisten sind:
- Doña Irene: Die Witwe und Mutter von Francisca, die die Ehe ihrer Tochter mit Don Diego, einem wohlhabenden Junggesellen, arrangiert.
- Don Diego: Ein älterer, wohlhabender Mann, der in Doña Francisca verliebt ist und der Onkel von Don Carlos.
- Doña Francisca (Paquita): Eine junge Frau, die in einem Internat in Guadalajara studiert und von ihrer Mutter gezwungen wird, Don Diego zu heiraten.
- Don Carlos: Der Neffe von Don Diego, der in Doña Francisca verliebt ist. Er ist Soldat. Sein Auftauchen durchkreuzt die Pläne der Witwe.
Nebenfiguren
- Simón: Diener von Don Diego, stets an seiner Seite.
- Rita: Zofe von Doña Irene, oft bei Doña Francisca.
- Calamocha: Diener von Don Carlos.
Auflösung der Konflikte
- Don Diego: Er erkennt, dass Doña Francisca nicht ihn, sondern seinen Neffen Don Carlos liebt. Er beschließt, die arrangierte Ehe aufzugeben, damit Francisca glücklich mit seinem Neffen heiraten kann.
- Doña Irene: Ihr Wunsch war es, ihre Tochter mit dem wohlhabenden Don Diego verheiratet zu sehen. Schließlich versteht sie jedoch, dass Liebe wichtiger ist, und stimmt der Heirat ihrer Tochter mit Don Carlos zu.
- Doña Francisca: Sie liebt Don Carlos und wollte Don Diego nicht heiraten. Sie glaubte, dem Wunsch ihrer Mutter nachkommen zu müssen, heiratet aber am Ende Don Carlos mit der Zustimmung ihrer Mutter und ihres ehemaligen Verlobten.
- Don Carlos: Er liebt Doña Francisca, aber die Tatsache, dass sie seinen Onkel heiraten soll, hindert ihn zunächst. Am Ende bringt er seinen Onkel zur Vernunft und heiratet Doña Francisca.
Die Handlung: Schauplatz und Verlauf
Die Handlung spielt in Alcalá de Henares, in einem Gasthof.
Doña Irene, die Mutter von Doña Francisca (auch Paquita genannt), zwingt ihre Tochter, Don Diego zu heiraten, einen Mann, der in Alcalá de Henares lebt. Doña Irene und Rita (die Dienerin) reisen nach Guadalajara, um Doña Francisca aus dem von Nonnen geführten Internat abzuholen. Die Ankunft verzögert sich, was Don Diego und seinen Diener Simón beunruhigt. Sie besuchen Francisca, um sie besser kennenzulernen, und kehren in den frühen Morgenstunden nach Guadalajara zurück. Don Diego weiß jedoch nicht, dass Doña Irene ihre Tochter zur Heirat zwingt; dies erfährt er erst am Abend.
Don Carlos, der Geliebte von Doña Francisca, sollte eigentlich nach Saragossa reisen, blieb aber in Guadalajara, wo er zum Geburtstag von Francisca eingeladen wurde und sich in sie verliebte. Jeden Abend sprach Don Carlos mit Doña Francisca in Guadalajara. Er erhielt einen Brief von Francisca, in dem stand, dass ihre Mutter sie zwingen würde, einen anderen Mann, Don Diego, zu heiraten – unwissend, dass dies sein eigener Onkel war. Er reiste sofort ab, fand sie nicht in Guadalajara und folgte ihr nach Alcalá de Henares, wo er sie im Gasthof fand.
Das geheime Zeichen, das sie vereinbart hatten, um miteinander zu sprechen – dreimaliges Klatschen – weckte Don Diego und Simón. Sie sahen, dass Doña Francisca und Rita aufgestanden waren und Don Carlos einen Brief aus dem Fenster des Gasthofs warf. Don Diego und Simón nahmen den Brief, lasen ihn und erfuhren die ganze Wahrheit. Don Diego schickte Simón, um den Mann, der den Brief fallen ließ, zu holen, und begann, mit ihm zu sprechen. Don Diego fragte ihn, warum er den Brief warf, und Carlos antwortete, dass er Francisca liebe. Später kommen Doña Francisca und Rita hinzu. Don Carlos und Don Diego verstecken sich, um sie sprechen zu hören, ohne dass die Frauen etwas bemerken.
Schließlich kommt Doña Irene hinzu. Sie ist wütend, als sie erfährt, dass Francisca nicht in Don Diego, sondern in Don Carlos verliebt ist. Don Carlos tritt hervor und beschützt Francisca. Am Ende erkennen Don Diego und Doña Irene, dass sie Doña Francisca nicht zur Heirat zwingen können. Don Diego gibt Franciscas Hand seinem geliebten Neffen, Don Carlos.
Neoklassizismus und Theaterreform
Während der neoklassizistischen Epoche gab es zwei völlig unterschiedliche Strömungen:
- Eine im frühen achtzehnten Jahrhundert, die barocke Tendenzen aufgriff, deren führende Vertreter Lope de Vega und Calderón de la Barca waren.
- Eine weitere in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, die eine Reform des Theaters forderte. Die Autoren verlangten ein neoklassizistisches Theater, das die barocken Regeln verließ, plausible Geschichten bot und dem Publikum eine Moral vermittelte.
Leandro Fernández de Moratín, dessen Werk hier analysiert wird, war der führende Kopf dieser Zeit.
Die Einhaltung der Drei Einheiten
Die von den neoklassizistischen Autoren in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts geforderte Reform betraf hauptsächlich die Einhaltung der drei Einheiten: Zeit, Ort und Handlung.
- Einheit des Ortes: Das Werk von Leandro Fernández de Moratín hält diese Regel ein, da die gesamte Geschichte in einem einzigen Gasthof in der Stadt Alcalá de Henares spielt.
- Einheit der Zeit: Auch diese Regel wird eingehalten, da die Geschichte in weniger als vierundzwanzig Stunden stattfindet (sie beginnt am Nachmittag und endet am selben Abend).
- Einheit der Handlung: Diese wird ebenfalls erfüllt, da es nur eine einzige Geschichte im Stück gibt: die Liebe zwischen Don Carlos und Doña Francisca und der Konflikt um ihre erzwungene Heirat.
Gesellschaftskritik: Erziehung und Frauenrolle
Moratín kritisiert die damalige Erziehung, die darauf abzielte, Mädchen zu lehren, unschuldige Leidenschaften zu verleugnen. Sie wurden als ehrliche Richterinnen erzogen, aber dann in der Kunst der Lüge und des Schweigens unterwiesen. Alles war erlaubt, außer Aufrichtigkeit. Solange sie vorgaben, das zu tun, was man von ihnen wünschte, und sich verpflichteten, das auszusprechen, was man ihnen befahl, galten sie als wohlerzogen und hervorragend ausgebildet – selbst wenn man ihnen die Angst eines Sklaven einflößte.
Die Ehefrau schuldete ihrem Mann Gehorsam. Bei der Eheschließung nahm die Frau den Status und die Staatsangehörigkeit ihres Mannes an (heiratete sie einen Ausländer, erhielt sie bei Auflösung der Ehe die spanische Staatsangehörigkeit zurück). Dem Ehemann wurde das Recht zur Verwaltung des gemeinsamen Vermögens eingeräumt. Die Frau durfte ohne Zustimmung des Mannes nicht über Eigentum verfügen.
Verwendete Stilmittel
In diesem Werk sind folgende Stilmittel zu finden:
- Vergleich: "Wir kamen als zwei Funken"
- Etymologie/Wortspiel: "das Tier die ganze Nacht beten zu Gott"
- Aufzählung: "zwischen Mutter, Tochter, Freund und Liebhaber"
- Hyperbel (Übertreibung): "Wenn die Frau mehr gegessen hat als ein Strauß"
Fazit
Dieses Stück von Moratín ist ein sehr unterhaltsames Werk, bei dem ich viel lachen musste. Es ist jedoch auch positiv zu bewerten, da es eine Form der Kritik an den damals unwürdigen gesellschaftlichen Praktiken darstellt.