Mariano Fortuny: Das Pfarrhaus – Eine Analyse
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Mariano Fortuny: Das Pfarrhaus
Chronologie und historischer Kontext
Das Gemälde Das Pfarrhaus von Mariano Fortuny entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Diese Epoche war geprägt vom Exil der Königin Isabella II. in Frankreich und der Zeit der revolutionären Verwaltung in Spanien. Da es keinen direkten Nachfolger für die Krone gab, bestieg Amadeus von Savoyen aus Italien den Thron und regierte für zwei Jahre. Diese Periode war von tiefgreifenden Veränderungen gekennzeichnet: Alte Währungs- und Steuersysteme wurden abgeschafft, die Bevölkerung wuchs merklich und war verstärkt in der Landwirtschaft und Industrie tätig. In Katalonien wurden revolutionäre Räte gebildet.
Der Künstler und sein Stil
Mariano Fortuny war ein katalanischer Künstler, der als der bedeutendste des 19. Jahrhunderts gilt und als einziger internationale Anerkennung erlangte. Er besuchte eine Kunstschule in Rom, die stark vom Romantismus geprägt war. Später zog er nach Rom und kam dort mit der barocken Malerschule in Kontakt, deren realistischer Stil ihn nachhaltig beeinflusste. Er unternahm mehrere Aufenthalte in Marokko, wo er als Maler Zeuge der Kämpfe in Nordafrika wurde. Diese Erfahrungen fanden ihren Niederschlag in seinen Werken, darunter auch großformatige Arbeiten. In Marokko entdeckte er die Bedeutung des Lichts für seine Malerei. Später reiste er nach Paris, wo er mit zeitgenössischen Malern in Kontakt kam, die den Weg des Realismus einschlugen. Er verbrachte auch längere Zeit im Prado in Madrid, wo er Einflüsse von Goya und Velázquez aufnahm, die ihrerseits von der venezianischen Malerei (Tizian) inspiriert waren. Sein Publikum bestand aus der Mittelklasse und der Aristokratie. Fortuny starb früh, doch sein Stil, der sich am Impressionismus orientierte, wurde weitergeführt. Er beeinflusste andere Maler und schuf eine eigene Strömung, den sogenannten Fortunyismus, der sich durch eine Malweise im Stil des 18. Jahrhunderts auszeichnete, oft mit Motiven wie „Jacken-Mäntel“. Sein Werk geriet nie in Vergessenheit und beeinflusste den Impressionismus.
Stil des Werkes
Das Werk ist dem Realismus zuzuordnen, genauer gesagt dem Fortuny-Realismus, der auch als wunderbarer Realismus, römische Schule, bürgerlicher Realismus oder Genremalerei bekannt ist.
Technik und Material
- Technik: Öl auf Leinwand (eine Technik, die vom 15. bis zum 20. Jahrhundert gebräuchlich war).
- Bildträger: Holztafel.
Formale Analyse
Perspektive und Linienführung
- Perspektive: Ja, vorhanden.
- Linienführung oder Zeichnung: Zeichnerisch, mit deutlicher Pinselführung.
Farben und Licht
- Farben: Die Komposition ist reich an lebendigen, warmen Farben, die dominieren, während kältere Elemente sparsam eingesetzt werden.
- Licht und Schatten: Das Licht ist homogen über die gesamte Bildfläche verteilt.
Komposition
Fortuny strebt eine asymmetrische, offene Komposition an, in der vertikale Linien (Balken, Personen) über den horizontalen Elementen (Tisch) dominieren.
Ikonografie und Interpretation
- Religiös: Nein.
- Zivil: Ja.
- Herkunft: Die Darstellung ist der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts nachempfunden.
- Interpretation: Realismus, der Elemente der bürgerlichen Gesellschaft darstellt.
Genre und Bedeutung
Das Werk ist ein Sittenbild oder eine Genremalerei. Die dargestellte Szene ist jedoch nicht als realistische Momentaufnahme zu verstehen, sondern als eine inszenierte Darstellung. Das Thema ist die Unterzeichnung eines Ehevertrags in kirchlichen Räumlichkeiten. Der Künstler widmet der Detailgenauigkeit von Kleidung, Raumdekoration und Atmosphäre große Aufmerksamkeit, wodurch die Klassengesellschaft deutlich wird.
Rezeption und Standort
Rezeption: Das Werk spiegelt die zeitgenössische Diskussion über die Rolle des Künstlers wider, der für seine Epoche schaffen und das gesellschaftliche Leben abbilden sollte.
Wert/Bedeutung: Auch heute noch helfen uns die Ästhetik und die Funktion des Werkes, die Kunst seiner Zeit zu verstehen. Es befindet sich im MNAC (Museu Nacional d'Art de Catalunya).