Meister der Lateinamerikanischen Literatur: Generationen im Überblick

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Erste Generation: Pioniere der lateinamerikanischen Literatur

Während der Erfolg lateinamerikanischer Romanautoren in Europa in den sechziger Jahren aufkam, traten auch ältere, nicht minder außergewöhnliche Autoren ins Licht, die zuvor außerhalb ihrer Heimatländer kaum bekannt waren:

Juan Rulfo (1918-1986)

Juan Rulfo ist der Autor von Kurzgeschichtenbänden wie El Llano en llamas (Die Ebene in Flammen), Un corto noviembre (Ein kurzer November) und dem Roman Pedro Páramo, sowie einiger Filmdrehbücher. Seine Erzählungen und seine einsamen, verbitterten und von Schuldgefühlen überwältigten Charaktere sind stets von derselben öden Ebene, unwirtlichem Land, abgelegenen Dörfern und einem rauen Klima umgeben. Diese Landschaft ist auch eine spirituelle Metapher, da die dort lebenden Figuren mit ihrer Umgebung verschmelzen: trockene, raue, leidende Individuen. Die zentralen Themen sind Einsamkeit, Schmerz, Schicksal und Tod.

Jorge Luis Borges (1899-1986)

Jorge Luis Borges ist der Autor von Kurzgeschichten, die in aufeinanderfolgenden Bänden wie Ficciones, El Aleph und Das Buch vom Sand gesammelt wurden. In seinen Erzählungen überschreitet Borges den traditionellen Realismus der lateinamerikanischen Literatur und führt fantastische Elemente ein, die nicht nur den ästhetischen Realismus herausfordern, sondern ihn neu interpretieren. Charakteristisch sind die ständige Präsenz klassischer Mythen, literarische Anspielungen, die Verwendung von Symbolen (der Tiger, das Labyrinth, Bibliotheken), ein Faible für Paradoxa und vieles mehr. Die Literatur selbst nimmt eine zentrale Stellung ein und wird zum Thema der Erzählung und zum Gegenstand philosophischer Spekulation.

Das Buch oder die Bibliothek werden in Borges' Prosa zu Metaphern der Welt, denn in ihnen liegen die Schlüssel zur Welt und zugleich der Beweis für den fehlenden Zugang zu den tiefen Geheimnissen einer Realität, deren Existenz zweifelhaft ist. Borges' Überzeugung, dass die Wahrheit nicht vollständig erfasst werden kann, spiegelt sich in seinen Fragen wider: die Welt als verwirrendes Labyrinth, das ungewisse Schicksal des Menschen, der Tod, klassische philosophische Probleme (die Zeit und ihre scheinbare Zirkularität, die Geheimnisse der Ewigkeit und des Unendlichen), die stets schwankende und illusorische Identität von Wesen und Dingen.

Zweite Generation: Der Boom der lateinamerikanischen Literatur

In den sechziger Jahren führte der breite internationale Austausch zu einem Aufschwung der lateinamerikanischen Erzählliteratur.

Julio Cortázar (1914-1984)

Julio Cortázar nahm in seinen Texten das fantastische Element auf, ohne jedoch die Natur oder den 'letzten Amerikaner' zu idealisieren. Seine Geschichten vereinen das Fantastische und das Realistische. Die fantastische Ebene ist dabei ebenso real wie die realistische. Der Leser spürt, dass das Fantastische in unserem Alltag existiert und sich nicht von einem logischen Begriff des realistischen Erzählens unterscheidet. Mit seiner neofantastischen Literatur stellte Cortázar eine Gesellschaft infrage, die auf dem Glauben an die Vernunft aufgebaut ist.

Absurdität und Irrationalität sind Teil des täglichen Lebens. Ihre Erforschung führt dazu, versteckte Facetten der Realität aufzudecken und über die bloßen Erscheinungen hinauszugehen, wie es bereits die Surrealisten entdeckt hatten. Er ist bekannt als Autor von Kurzgeschichten, die in Bänden wie Bestiarium, Das Ende des Feuers und Geheime Waffen gesammelt wurden.

Gabriel García Márquez (1927-2014)

Bereits in seinen frühen Geschichten (z.B. 'Das Einschlafen') zeigten sich Merkmale seines späteren Werks: eine große Erzählfähigkeit, die Mischung aus Realem und Imaginärem, die Verschmelzung von Mythos und Geschichte sowie die Figuren, Themen und Techniken, die er in seinem umfangreichen Werk Hundert Jahre Einsamkeit perfektionierte.

Dieser Roman spiegelt das Leben von sieben Generationen der Familie Buendía wider, die – angefangen bei den Patriarchen Úrsula und José Arcadio – von einem Fluch besessen ist: der Geburt eines Kindes mit einem Schweineschwanz. Zur Veranschaulichung dient die Geschichte der Entwicklung Lateinamerikas, repräsentiert durch das Dorf Macondo, von seiner Gründung bis zu seiner Zerstörung durch Kolonisation, Bürgerkrieg und Kapitalismus.

Er sammelte auch weiterhin Geschichten in mehreren Bänden, darunter Zwölf Wandergeschichten und Die unglaubliche und traurige Geschichte der unschuldigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter.

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