Das menschliche Gedächtnis: Theorien, Typen und Neurobiologie
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Das Gedächtnis: Ein komplexes System
Das Gedächtnis ist ein komplexes, funktionierendes System, das auf verschiedenen Ebenen organisiert ist, von Natur aus aktiv ist und sich im Laufe der Zeit durch eine Reihe aufeinanderfolgender Verknüpfungen entfaltet. Es hat keinen festen, spezifischen Ort im Gehirn.
Das Mehrspeichermodell des Gedächtnisses
Das Kurzzeitgedächtnis (KZG)
- Es gibt keinen festen Index für die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses (KZG).
- Die Kapazität des KZG hängt von der Art der Aufgabe und der Art der angeforderten Abrufung ab und ist keine feste Zahl.
- Abrufstrategien beeinflussen die Menge der im KZG gehaltenen Informationen.
- Diese Indizes scheinen durch das Langzeitgedächtnis (LZG) beeinflusst zu werden.
Prozesse im Kurzzeitgedächtnis
- Wiederholung:
- Informationen kurzfristig aufrechterhalten.
- Ermöglicht die Übertragung von Informationen ins Langzeitgedächtnis (LZG).
- Wenn die Wiederholung durch einen Distraktor gestört wird, führt dies zu geringeren Abrufergebnissen.
- Kodierung:
- Informationen im Kurzzeitgedächtnis (KZG) mit Bedeutung versehen.
- Beispiel: Eine Telefonnummer "01273 874000" wird zu "Null, eins, zwei-sieben-drei, acht-sieben-vier-null-null-null" kodiert.
- Abruf:
- Hinweise zur Erleichterung des Abrufs aus dem Langzeitgedächtnis (LZG) nutzen.
Das Arbeitsgedächtnis
Aufgaben des Kurzzeitgedächtnisses (KZG)
- Direkte Ziffernfolge: [3 2 5 7] → 3 2 5 7
- Reihen von repräsentativen Zahlen
Aufgaben des Arbeitsgedächtnisses
- Umgekehrte Ziffernfolge: [3 2 5 7] → 7 5 2 3
- Generierung von Zahlen oder Buchstaben in zufälliger Reihenfolge
Klassifizierung des Gedächtnisses
I. Implizites Gedächtnis (Nicht-deklarativ)
Erwerb von Wissen, ohne die Fähigkeit, zu verbalisieren, was im Prozess gelernt wurde. Es ist die Fähigkeit, Probleme zu lösen oder sequentielle Handlungen auszuführen, ohne erklären zu können, was gelernt wurde. Es bezieht sich auf Gefühle, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die unbewusst abgerufen werden.
Klassische Konditionierung
Bezieht sich auf grundlegende Lernformen wie den Lidschlussreflex: Wenn nach einem Geräusch Luft ins Auge des Subjekts geblasen wird, blinzelt es. Nach wiederholten Versuchen reicht allein das Geräusch aus, um ein Blinzeln auszulösen.
Diese Art der Reaktion ist im Hirnstamm integriert.
Grundlegende emotionale Reaktionen
Die am meisten untersuchte emotionale Reaktion ist die Furcht.
Wenn wir einem schädlichen Reiz ausgesetzt sind, reagiert unser Körper mit autonomen und Verhaltensreaktionen, die wir als Emotion bezeichnen.
Diese Reaktion ist angeboren und wird auf der Ebene des Hypothalamus integriert. Kontextuelle Informationen über das Auftreten des schädlichen Reizes werden jedoch analysiert und in der Amygdala gelernt.
Die Amygdala kann dann sensorische Reize erkennen, die selbst nicht schädlich sind, aber das bevorstehende Auftreten eines schädlichen Ereignisses ankündigen können. Dies ermöglicht eine antizipatorische emotionale Reaktion auf eine potenzielle Verletzung.
Prozedurales Lernen
Es bezieht sich auf die Fähigkeit, Fertigkeiten zu entwickeln und diese dann auszuführen.
Die Strukturen, die mit dem Erlernen motorischer Fähigkeiten verbunden sind, sind die Basalganglien und das Kleinhirn.
Der prämotorische Kortex ist mit der Ausführung zuvor erlernter Fähigkeiten (Praxie) verbunden.
Priming
Es bezieht sich auf die Fähigkeit, sich spontan an zuvor erlebte Informationen zu erinnern, auch wenn man sich des Lernprozesses nicht bewusst ist.
Beispiel: Ein amnestischer Patient wird gebeten, sich das Wort "Katze" zu merken. Einige Minuten später wird er nach dem Wort gefragt und kann sich nicht erinnern. Dann wird er gebeten, das erste Tier zu nennen, das ihm in den Sinn kommt, und er sagt "Katze".
Diese Art des impliziten Lernens wurde mit dem parietotemporooccipitalen Assoziationskortex in Verbindung gebracht.
II. Explizites Gedächtnis (Deklarativ)
Ist die Art von Erinnerung, die bewusst durch Sprache ausgedrückt wird.
Eine Voraussetzung für die "Speicherung" expliziter Erinnerungen ist das Bewusstsein und die sofortige Verarbeitung des Materials (z.B. durch Wiederholung oder Assoziation).
- Semantisches Gedächtnis
- Episodisches Gedächtnis
Historische Grundlagen der Gedächtnis-Neurobiologie
Dr. Wilder Penfield (1891-1976)
US-amerikanischer Neurochirurg.
Er gründete das Montreal Neurological Institute.
Dr. Brenda Milner
Kanadische Neuropsychologin, Universität Montreal (Kanada).
Sie war eine Pionierin in der Anwendung experimenteller psychologischer Techniken in einem von klinischen Studien dominierten Feld.
Sie hat zahlreiche Werke über Gedächtnisstörungen in Bezug auf Läsionen der Gehirnhemisphären verfasst.
Sie führte eine vertiefte Analyse des globalen amnestischen Syndroms durch.
Eric Kandel
Geboren 1929 in Wien, Österreich. US-amerikanischer Staatsbürger.
Er promovierte in Medizin an der Universität New York; seine anschließende Ausbildung erfolgte in Neurophysiologie und Psychiatrie in Massachusetts, an der Harvard University und in Paris.
Neurobiologische Grundlagen des Gedächtnisses
Man hat lange geglaubt, dass Informationen im Hippocampus gespeichert werden.
Aktuelle Theorien deuten darauf hin, dass der Hippocampus lediglich eine vorübergehende Speicherstation für Langzeitgedächtnisinhalte ist und Informationen zur endgültigen Speicherung in andere Bereiche der Großhirnrinde übertragen werden.
Theorie zur Hippocampus-Funktion
Der Hippocampus ist eine Zwischenstation für Langzeitgedächtnisinhalte oder ein Verarbeitungssystem, das für die Speicherung von Erinnerungen in anderen Teilen des Gehirns von wesentlicher Bedeutung ist.