Mietskasernen und Arbeiterkolonien: Wohnen im Wandel
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Mietskasernen und Wohnkolonien: Wohnbauten der Unterschichten
- Die Industrialisierung und Landflucht führten zum explosionsartigen Anwachsen europäischer Städte, zur Verelendung (empobrecimiento) der Arbeiterschicht und zu Wohnungsnot. Die Menschen hatten keine andere Wahl.
- Blockbebauung führte zu Mietskasernen mit gravierenden Problemen: Sie waren instabil, unhygienisch, boten keine Luft und kein Licht. Sie waren grauenvoll und eng aneinandergebaut.
- Über die Wohnungen sagte ein Werber: „Viele von ihnen sind die schlimmsten, die man sich vorstellen kann, völlig ohne Kanalisation.“
- Nach der Jahrhundertmitte wurden Lösungen für die Wohnungsfrage der Unterschichten entwickelt.
Überbelegung der Quartiere
- Die Industrie forderte die Anhäufung (acumulación) von Tausenden von Menschen an einem Ort auf beschränktem Raum.
- Arbeiter besaßen nichts als ihre Arbeitskraft und waren vom industriellen Markt abhängig, was zu einer massenhaft zusammengedrängten Population ohne Haus und Herd führte.
- „Kleine Leute“ mussten mit Mietwohnungen vorliebnehmen, insbesondere in den Mietskasernen der Großstädte.
- In Berlin war das Mietkasernenwesen (sistema de viviendas más extendido) am weitesten verbreitet.
- Der vorherrschende Wohnungstyp für „kleine Leute“ war die Kleinwohnung (1, 2 oder 3 Räume).
- Berlin 1895: 43,7 % der Wohnungen hatten nur ein heizbares Zimmer (Küche, Wohn- und Schlafstube in einem).
- In deutschen Großstädten waren 20 % der Wohnungen überbelegt (mehr als 3 Personen pro Raum besetzt – Platzmangel).
- Kleinwohnungen mit 1 oder 2 heizbaren Zimmern machten 60 % bis 80 % des Wohnungsbestandes der deutschen Großstädte aus.
- Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hauste (vivía como) der Arbeiter als Untermieter (subinquilino) oder mit seiner Familie in einer kleinen, engen Mietwohnung (piso alquilado).
- Der fixierte Mindestwohnraum betrug 10 m³ Luftraum bzw. 3–4 m³ pro erwachsene Person.
- Auf die Frage „Wo wohnt der Arbeiter?“ antwortete der Berliner Architekt Theodor Goecke (1890er): „In der Schlafstelle bei der Arbeiterfrau.“
Die Mietskaserne als Massenwohnbau
- Aufgrund der engen Räume wurden große Mietshäuser gebaut, die sogenannten Mietskasernen.
- In Berlin gab es große Mietshäuser für über 20 Familien (sogenannte Familienhäuser) bereits seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
- Dreistöckige Mehrfamilienhäuser wurden als Arbeiterkasernen bezeichnet.
- Bevölkerung und Wohnungssituation: Die Bevölkerung nahm exponentiell zu.
Der baurechtliche Hintergrund
- Berlin: Der Bebauungsplan sah ein großes Stadterweiterungsgebiet vor.
- Es gab ein weitmaschiges Straßennetz mit breiten Straßen, großen Plätzen und tiefen Grundstücken.
- Da die Kommune finanziell nicht in der Lage war, übernahm die preußische Stadt den Ausbau, wenn Bauwillige die Erschließungsflächen herrichteten (preparar).
- Maximale Grundstückausnutzung: Die teuren Erschließungskosten wurden auf viele Mieter abgewälzt.
- Wohnungen nach dem Berliner Bebauungsplan (Bauordnung) hatten sechs Vollgeschosse (pisos completos), sechs Hinterhöfe (patios) mit Durchfahrten und beherbergten (albergaban) über 100 Kleinwohnungen.
Auswirkungen der Wohnungsmisere
- Seuchen breiteten sich schneller aus (besonders in Wohnhäusern mit vielen Bewohnern).
- Mangel an ausreichender Sauerstoffzufuhr, da die Belüftung nur über enge Hinterhöfe (patios traseros) erfolgte.
Dies führte dazu, dass viele Kinder an Rachitis litten.
- Hohe Sterblichkeitsraten bei Arbeiterkindern und Säuglingen (lactante).
- Arme Leute steckten andere an (contagian); die gesamte Bevölkerung war bedroht.
- Der „Verein für Socialpolitik“ (1886) belegte die katastrophalen Wohnverhältnisse.
- Sonnenlicht, reine Luft und frisches Wasser – notwendige Gaben der Natur – wurden zum Luxus.
- Dunkle und feuchte Kammern boten kaum Raum.
- Alt und Jung, Mann und Frau, Gesund und Krank lagen zusammengebettet; sie lebten und starben im Elend (miseria).
- Schädliche Ausdünstungen verpesteten die Räume.
- Kinder erreichten oft nicht das Lebensalter, das Kinder der höheren Klassen erreichten.
Die Arbeiterkolonie als gehobene Unterschichtenwohnung
Der „Verein zum Wohl der arbeitenden Klassen“ (Stuttgart 1866) bot eine vorbildliche Lösung der Wohnungsfrage:
- Eine freundliche und gesunde Wohnung ist der Schöpfer des häuslichen Glücks.
- Eine dumpfe und schlechte Wohnung ist die Zerstörerin des häuslichen Glücks.
- Häusliches Glück und geordnetes Familienleben sind die Grundlage für Staat und Recht, Bildung, die Aufrechterhaltung (mantenimiento) und Durchführung einer guten Staats- und Rechtsordnung.
Die Kolonie Stuttgart-Ostheim („Ortsmittelpunkt“)
- Es wurde Einheit gesucht (Idealstadt-Konzept).
- Normale Bebauung war zweistöckig; Eckhäuser waren ein Stockwerk höher.
- Ziegel- oder Sandsteinsichtmauerwerk wurde verwendet, um Gleichförmigkeit und die Eintönigkeit der Fabrikdörfer zu vermeiden.
- Identifikationsmerkmal war die Fassade; es gab keine völlig gleichen Häuser.
- Zusätzliche Mansardenwohnungen (guardilla) ließen die Mieten um 20 % sinken.
Dies führte zu einer sehr großen Nachfrage.
- Breit angelegte Straßen.
Die soziale Frage und Wohnreformen
Die Industrielle Revolution (spätes 18. Jahrhundert) stellte neue Anforderungen an die Formen des Wohnhauses.
Moderne Großstädte wurden zu Metropolen (Berlin, London oder Paris).
Je stärker der Zuzug (Inmigración), desto schlechter wurden die Wohnbedingungen für die breite Masse.
- Die Wohnungsfrage wurde von Sozialreformern aufgegriffen.
Reform des Wohnbaus (Weimarer Republik):
- Industrieentfernte Gartenstädte
- Arbeiter- und Werkssiedlungen
- Bezug zur Natur und Hygiene
- Anpassung an die Erfordernisse und Bedingungen der modernen Industriegesellschaft.
Zunehmende Spekulation mit Grund und Boden ließ die Preise steigen.
Kommunale Bauprogramme und Baugenossenschaften (cooperativas) förderten die Selbsthilfe.
- Ziel war es, Wohneigentum breiter zu streuen.
Neue Bauweisen, Baumaterialien und industrialisiertes Bauen verringerten die Kosten stark.
Es entstand der Wunsch nach einem eigenen Haus oder einer größeren Wohnung.
Aktuelle Entwicklungen und ökologische Aspekte
Ökologische Überlegungen umfassen:
- Einsparung von Energie
- Nachhaltigkeit
- Verwendung natürlicher und recyclebarer Baustoffe
- Verringerung des ökologischen Fußabdrucks
Kritik am rein funktionalen Bauen neuer Siedlungen:
- Sie stellen immer weniger Heimat dar.
- Sie zerstören soziales Leben und Kommunikation.
- Forderung nach Sanierung und Erhaltung alter Stadtkerne und Bausubstanzen (estructuras).
Massenwohnungsbau im 19. Jahrhundert
Die Industrialisierung führte zu vielen Arbeit suchenden Menschen in neuen Metropolen.
- Folge war ein ungeheurer Bedarf an Wohnraum.
Die Entwicklung orientierte sich am Bedarf englischer Fabrikstädte (wie Manchester).
Über die Wohnverhältnisse gibt es wenige Bilddokumente oder Illustrationen.
Das Cottage (Häuschen mit 3 bis 4 Zimmern und einer Küche) war die allgemeine Wohnung des Proletariats.
Die Straßen waren ungepflastert (sin pavimentar), höckerig (irregular), schmutzig, voller pflanzlicher und tierischer Abfälle, ohne Abzugskanäle oder Rinnsteine und voller stinkender Pfützen.
Die Entwicklung Berlins zur Millionenstadt
- Zuvor hatte Berlin nur einen kleinen mittelalterlichen Kern.
- Es gewann an Bedeutung als königlich-preußische Residenzstadt.
- Es kam zur explosionsartigen Ausdehnung.
- 1853: Einführung der Mietskasernenordnung.
- Nach 1871: Die Gründerzeit begann.
- Friedrich Kaiser und Heinrich Zille dokumentierten die Bauwut und die Lebensbedingungen in Gemälden und Fotografien.
Problematische Folgen der Entwicklung Berlins zur Millionenstadt:
- Man war auf die Aufgabe nicht vorbereitet.
- Großstadtentwicklung ist nicht nur eine technische, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
- Das Wachstum der Stadt vollzog sich praktisch ohne Kontrolle und Beschränkung.
- Es fehlte an rechtlichem Instrumentarium und politischem Willen.
Wie wollen wir wohnen? Zukünftige Perspektiven
Die Welt ist politisch und sozial im Wandel; Wohn- und Lebensformen werden neu gestellt.
Migrationsbewegungen erfordern neuen Wohnraum, andere Formen der Architektur und neue Gestaltungsprinzipien.
Die Architektur und ästhetische Struktur voll bebauter Städte wird sich in Zukunft ändern. Neue Stadtplanung muss sich folgenden Herausforderungen stellen:
- Massiver Anstieg der Bewohnerzahl bei begrenztem Wohnraum.
- Innovative Wohnkonzepte.
- Zunehmender Naturraumverlust (Herausforderung für Tier- und Pflanzenhaltung).
Nomadische Wohnformen
Das Tiny House Movement bietet bewegliche Häuser auf kleinstem Raum mit enormen Gestaltungsfreiheiten. Es eröffnet die utopische Perspektive eines zukünftigen Lebens, in dem das Unterwegssein nicht ein Übergangsstadium, sondern der eigentliche Ort des Lebens ist.
Neue Orte ins Offene: „wo nie ein Mensch zuvor gewesen ist“.
Wandern ist als eigentliche Form des Wohnens oder als „Nirgend-Wohnen“ zu verstehen.
Das Nirgend-Wohnen verneint also nicht einfach das Haus und das Wohnen. Es eröffnet vielmehr eine ursprüngliche Dimension des Wohnens. Es ermöglicht Wohnen, ohne sich in sich einzuhausen. Es öffnet das Haus, stimmt freundlich. Es ent-innerlicht zu einem Gasthaus.