Mikroorganismen: Genetik, Vielfalt und Bedeutung

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Genetischer Austausch bei Bakterien

Bakterien können genetisches Material austauschen, was ihre Variabilität erhöht und die Grundlage für evolutionäre Prozesse bildet. Die Hauptmechanismen sind:

  • Konjugation

    Ein Prozess, bei dem ein Spenderbakterium DNA über seine Pili an ein Empfängerbakterium überträgt. Oft werden dabei Plasmide übertragen.

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    Die Fähigkeit zur Konjugation hängt oft von speziellen DNA-Fragmenten (Episomen wie dem F-Faktor) im Spenderbakterium ab.

  • Transformation

    Ein Prozess, bei dem Bakterien freie DNA aus ihrer Umgebung aufnehmen, die z. B. aus lysierten (aufgeplatzten) anderen Bakterien stammt.

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    Mechanismen des Gentransfers: a) Konjugation, b) Transduktion, c) Transformation

  • Transduktion

    Ein DNA-Austausch, der einen Vektor benötigt: Ein Virus (Bakteriophage) überträgt DNA-Fragmente von einem zuvor parasitierten Bakterium auf ein neues Wirtsbakterium.

    Die übertragene bakterielle DNA kann in das Chromosom des Empfängerbakteriums rekombiniert werden, wodurch ein neuer Bakterienstamm entsteht.

Systematik der Bakterien

Eubakterien: Einteilung nach Stoffwechsel

Autotrophe Eubakterien

Diese Bakterien können organische Stoffe selbst herstellen.

Photolithotrophe (phototrophe) Eubakterien

Sie nutzen Licht als Energiequelle. Es gibt drei Hauptgruppen:

  • Cyanobakterien: Besitzen Chlorophyll a in spezialisierten Membransystemen (Thylakoiden). Führen oxygene Photosynthese durch (mit 2 Photosystemen).
  • Grüne Schwefelbakterien: Besitzen Bakteriochlorophyll in der Plasmamembran und in Vesikeln (Chlorosomen). Führen anoxygene Photosynthese durch (ohne Sauerstoffproduktion).
  • Purpurbakterien: Besitzen Bakteriochlorophyll in Membraneinfaltungen. Führen anoxygene Photosynthese durch. Schwefelwasserstoff (H2S) dient oft als Elektronendonator, wobei Schwefel entsteht.
Chemolithoautotrophe Eubakterien

Sie nutzen keine Lichtenergie, sondern gewinnen Energie aus der Oxidation anorganischer Moleküle (z. B. mit O2). Sie fixieren CO2.

  • Nitrifizierende Bakterien: Oxidieren Ammoniak (NH3) zu Nitrit (NO2-) und Nitrat (NO3-).
  • Andere Gruppen oxidieren Schwefelverbindungen zu Sulfat oder Eisen(II)-Verbindungen zu Eisen(III)-Verbindungen.

Heterotrophe Eubakterien

Sie gewinnen Energie und Nährstoffe aus organischen Substraten (lebend oder tot) und werden daher als chemoorganotroph bezeichnet.

Heterotrophe Bakterien können sein:

  • Saprophyten: Zersetzen totes organisches Material (Mineralisierung). Sie sind verantwortlich für Gärung (bei Kohlenhydraten) und Fäulnis (bei Proteinen, oft mit Geruchsbildung durch z. B. Cadaverin).
  • Parasiten: Leben auf oder in anderen Organismen und schädigen diese.
  • Symbionten: Leben in enger Gemeinschaft mit anderen Organismen zum gegenseitigen Vorteil.

Archaea (Archaebakterien)

Archaea sind eine phylogenetisch eigenständige Domäne von Mikroorganismen, getrennt von Eubakterien und Eukaryoten. Viele sind Anaerobier und leben oft in extremen Umgebungen.

Merkmale:

  • Reproduktion durch Zweiteilung, Knospung oder Fragmentierung.
  • Teilen einige molekulare Merkmale mit Eukaryoten (z. B. Introns in tRNAs, Ähnlichkeiten bei der RNA-Polymerase).
  • Zellwände enthalten kein Murein (im Gegensatz zu Eubakterien).

Einteilung nach Stoffwechsel und Ökologie:

  • Methanogene Archaea

    Leben in strikt anaeroben Umgebungen. Produzieren Methan (CH4) durch Reduktion von Kohlendioxid (CO2) mit Wasserstoff (H2). Vorkommen: Sümpfe ("Sumpfgas"), Sedimente, Verdauungstrakt von Tieren, Kläranlagen.

  • Extreme Halophile Archaea

    Benötigen hohe Salzkonzentrationen zum Leben (z. B. in Salzseen wie dem Toten Meer oder in Salinen), die sie oft rötlich färben.

  • Thermoacidophile Archaea

    Leben bei hohen Temperaturen (oft über 80 °C) und/oder niedrigen pH-Werten (teilweise unter pH 2). Vorkommen: heiße Schwefelquellen, Geysire, unterseeische Vulkane ("Schwarze Raucher"). Ihr Zytoplasma hat jedoch meist einen neutralen pH-Wert.

Archaea gelten als wichtige Organismen der frühen Biosphäre.

Reich Protoctista (Protisten)

Eine heterogene Gruppe eukaryotischer Organismen, meist einzellig, fadenförmig oder koloniebildend (Ausnahme: makroskopische Algen).

Merkmale:

  • Ernährung: Photosynthetisch (Algen) oder heterotroph (Protozoen).
  • Lebensraum: Überwiegend aquatisch (Süß- oder Salzwasser) oder in feuchten Umgebungen; auch als Parasiten oder Symbionten in anderen Organismen.
  • Fortpflanzung: Sexuell oder asexuell, oft mit komplexen Lebenszyklen.
  • Bewegung: Viele sind mobil mittels Undulipodien (Geißeln, Zilien), amöboider Bewegung oder Gleiten.

Hauptgruppen (Beispiele):

  • Algen (photosynthetisch):
    • Grünalgen (Chlorophyta)
    • Braunalgen (Phaeophyta)
    • Rotalgen (Rhodophyta)
    • Dinoflagellaten (Dinophyta/Pyrrophyta)
    • Goldalgen (Chrysophyta)
    • Augentierchen (Euglenophyta)
    • Kieselalgen (Bacillariophyta/Diatomeen)
  • Protozoen (heterotroph):
    • Wimpertierchen (Ciliophora)
    • Geißeltierchen (Zoomastigophora/Flagellaten)
    • Wurzelfüßer (Rhizopoda/Sarcodina, z. B. Amöben)
    • Sporentierchen (Sporozoa/Apicomplexa, z. B. Plasmodium)
  • Pilzähnliche Protisten:
    • Schleimpilze
    • Eipilze (Oomycota)

Reich Fungi (Pilze)

Pilze sind heterotrophe Eukaryoten. Sie umfassen einzellige Formen (z. B. Hefen, wichtig für industrielle Gärprozesse) und vielzellige, fadenförmige Organismen.

Merkmale:

  • Vielzellige Pilze bestehen aus Hyphen, die ein Netzwerk namens Myzel bilden (z. B. Schimmelpilze).
  • Einige bilden makroskopische Fortpflanzungsstrukturen: Fruchtkörper (z. B. Speisepilze).
  • Zellwände enthalten Chitin.
  • Energiereserve ist Glykogen.
  • Asexuelle Vermehrung: Oft durch asexuelle Sporen (z. B. Konidien), die an spezialisierten Hyphen (Konidienträgern) gebildet werden und zu neuem Myzel auskeimen.
  • Sexuelle Fortpflanzung: Kommt ebenfalls vor.

Ernährungsweisen:

  • Saprophyten: Ernähren sich von totem organischem Material und spielen eine wichtige Rolle als Zersetzer im Ökosystem.
  • Parasiten: Beziehen Nährstoffe von lebenden Organismen (Pflanzen, Tiere, Menschen) und schädigen diese oft.
  • Symbionten: Leben in enger Gemeinschaft mit anderen Organismen zum gegenseitigen Vorteil:
    • Flechten: Symbiose zwischen Pilz und Alge (oder Cyanobakterium). Die Alge betreibt Photosynthese, der Pilz liefert Wasser, Mineralstoffe und Schutz.
    • Mykorrhiza: Symbiose zwischen Pilz und Pflanzenwurzeln. Der Pilz verbessert die Wasser- und Mineralstoffaufnahme der Pflanze und erhält dafür Photosyntheseprodukte.

Ökologische und Medizinische Bedeutung von Mikroorganismen

Geochemische Aktivität und Stoffkreisläufe

Mikroorganismen spielen eine zentrale Rolle in Ökosystemen:

  • Zersetzung: Sie bauen pflanzliche und tierische Überreste im Boden ab (Mineralisierung), wodurch Nährstoffe wieder verfügbar werden.
  • Bodenbildung: Sie tragen zur Verwitterung von Gestein und zur Bildung von Humus bei.
  • Biogeochemische Kreisläufe: Sie sind entscheidend für die globalen Stoffkreisläufe, insbesondere den Kohlenstoffkreislauf und den Stickstoffkreislauf, indem sie Elemente zwischen der belebten und unbelebten Umwelt umwandeln.
  • Nahrungsketten: Sie fungieren als Zersetzer (Destruenten) und bilden die Basis vieler Nahrungsketten.

Mikroorganismen als Krankheitserreger

Robert Koch wies 1876 nach, dass spezifische Mikroorganismen spezifische Krankheiten verursachen (z. B. Bacillus anthracis für Milzbrand). Seine Arbeit führte zu den Koch'schen Postulaten, Kriterien zum Nachweis eines Krankheitserregers. Später identifizierte er auch die Erreger von Tuberkulose und Cholera.

Pathogene Mikroorganismen können durch Wunden oder natürliche Körperöffnungen in den Wirt eindringen. Einige Erreger verursachen nur Krankheiten, wenn das Immunsystem des Wirts geschwächt ist; diese werden als opportunistische Erreger bezeichnet.

Wichtige Begriffe im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten:

  • Infektionskrankheit: Eine durch pathogene Mikroorganismen verursachte Krankheit.
  • Infektion: Eindringen, Ansiedlung und Vermehrung von Mikroorganismen im Wirtsgewebe.
  • Pathogenität: Die grundsätzliche Fähigkeit eines Mikroorganismus, eine Krankheit hervorzurufen.
  • Virulenz: Das Ausmaß der Pathogenität; ein virulenter Stamm verursacht Krankheit, ein avirulenter Stamm nicht.
  • Toxigenität: Die Fähigkeit eines Mikroorganismus, Toxine (Giftstoffe) zu produzieren, die den Wirt schädigen.
  • Träger: Eine Person oder ein Tier, das einen Krankheitserreger beherbergt (z. B. während der Inkubationszeit oder nach überstandener Krankheit) und ausscheiden kann, ohne selbst Symptome zu zeigen.
  • Epidemie: Zeitlich und räumlich begrenztes, gehäuftes Auftreten einer Krankheit.
  • Pandemie: Eine länder- und kontinentübergreifende Epidemie.
  • Endemie: Ständiges Vorkommen einer Krankheit in einer bestimmten Region oder Bevölkerungsgruppe mit relativ konstanter Häufigkeit.
  • Quarantäne: Zeitlich begrenzte Isolation von potenziell infizierten Personen oder Tieren zur Verhinderung der Krankheitsausbreitung.
  • (Anmerkung: Überempfindlichkeitsreaktionen sind Reaktionen des Immunsystems, nicht direkt ein Begriff der Infektionsepidemiologie im engeren Sinne, aber relevant für die Wirtsreaktion.)

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