Mittelalter bis Renaissance: Der spanische Schelmenroman
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Kontext des Mittelalters (5. bis 15. Jahrhundert)
Im Mittelalter entstanden die ersten Universitäten, die allmählich die Klöster als geistige Zentren ablösten. Eine prägende historische Entwicklung war der Kampf zwischen Mauren und Christen auf der Iberischen Halbinsel.
Die mittelalterliche Gesellschaft
Die mittelalterliche Gesellschaft war streng hierarchisch in einer Ständeordnung organisiert. An der Spitze der Pyramide stand der König als oberste Autorität, der sowohl weltliche als auch göttliche Macht vereinte. Die Gesellschaft gliederte sich in folgende Stände:
- Adel: Der Adel widmete sich dem Krieg und der Jagd. Durch einen Treueeid war er verpflichtet, dem König zu dienen. Er besaß große Ländereien und Reichtümer.
- Klerus: Die Hauptaufgabe des Klerus bestand darin, die Bevölkerung im Glauben zu unterweisen sowie die Kultur zu bewahren und zu vermitteln. Klöster waren zentrale Orte der Kulturbewahrung, aus denen später die ersten Universitäten hervorgingen.
- Das gemeine Volk: Es bildete die Mehrheit der Bevölkerung und war in Landwirtschaft, Viehzucht und Handwerk tätig. Die Menschen dieses Standes hatten kaum Rechte und lebten oft in sklavenähnlichen Verhältnissen.
Mit dem Aufkommen des Bürgertums im 15. Jahrhundert geriet diese Gesellschaftsordnung in eine Krise, die auch die politische Ideologie des Mittelalters erschütterte.
Feudalismus
Der Feudalismus war das politisch-wirtschaftliche System der mittelalterlichen Gesellschaft. Zwei zentrale Elemente prägten diese Ordnung:
- Lehenswesen: Eine persönliche Bindung, bei der ein Vasall seinem Herrn Schutz und Dienste schuldete.
- Lehen: Die Gegenleistung für diese Dienste, meist in Form von Landbesitz.
Weitere Merkmale des Mittelalters
- Theozentrismus: Die mittelalterliche Gesellschaft war theozentrisch, das heißt, Gott stand im Mittelpunkt allen Denkens und Handelns. Der Einfluss der Kirche war allgegenwärtig.
- Entstehung der romanischen Sprachen: Literarische Werke wurden zunehmend in den romanischen Sprachen verfasst, die sich aus dem Vulgärlatein entwickelt hatten.
- Aufkommen der Prosa: Neben der Dichtung entstanden auch erste literarische Werke in Prosa.
- Mündliche Überlieferung: Aufgrund des weitverbreiteten Analphabetismus war die spanische mittelalterliche Literatur primär für den mündlichen Vortrag bestimmt und wurde auswendig gelernt und weitergegeben.
Merkmale früher Prosa: El Conde Lucanor
Ein Beispiel für die frühe Prosa ist „Der Graf Lucanor“. Typische Merkmale sind:
- Eine Mischung aus gehobener Sprache und volkstümlichen Elementen.
- Vielfältige Themen, oft mit Humor behandelt (z. B. Fabeln, Legenden, Ratschläge für Könige).
- Lehrreiche Geschichten (Exempla) mit einer klaren Moral, oft beeinflusst von orientalischen Erzähltraditionen.
- Die große Bedeutung der mündlichen Überlieferung.
- Ein didaktischer und moralisierender Zweck.
Die Renaissance im 16. Jahrhundert
Die Renaissance markierte eine Rückbesinnung auf die klassische Kultur der Griechen und Römer und die Kultivierung des menschlichen Geistes. Sie begann in Italien und verbreitete sich von dort über ganz Europa.
Wichtige Ereignisse in Spanien
- Vereinigung von Kastilien und Aragón durch die Heirat der Katholischen Könige, Isabella I. und Ferdinand II.
- Gründung der Spanischen Inquisition (1478).
- Eroberung des letzten maurischen Königreichs Granada (1492).
- Vertreibung der Juden von der Iberischen Halbinsel (1492).
- Innere Reformen innerhalb der katholischen Kirche.
- Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus (1492).
- Einführung des Buchdrucks in Spanien (1474).
- Veröffentlichung der ersten spanischen Grammatik von Antonio de Nebrija mit dem Ziel, die Sprache in Spanien und der Neuen Welt zu vereinheitlichen (1492).
Der Held und der Antiheld in der Literatur
Der klassische Held
Der Held ist eine Figur, die eine Mission erhält. Sein Ziel ist die Erfüllung einer Aufgabe oder die Erlangung eines begehrten Objekts. Auf seinem Weg stellt er sich schwierigen Gegnern und wird von Helfern unterstützt.
Wichtige Merkmale des Helden
- Stammt oft aus einer adligen Familie.
- Verkörpert ein gesellschaftliches Ideal.
- Wird von der Gesellschaft geehrt.
- Seine Tugenden und Fehler sind überhöht dargestellt.
Der Antiheld
Der Antiheld ist das genaue Gegenteil des Helden und verkörpert Eigenschaften, die eine Gesellschaft nicht ehrt. Seine Moral ist fragwürdig, und sein einziges Ziel ist das tägliche Überleben. Die Figur des Antihelden entstand im Schelmenroman des 16. Jahrhunderts als Kritik an der Gesellschaft. Er entstammt den ärmsten Schichten, wo er auf seine Schlauheit angewiesen ist, um zu überleben und jeden Tag etwas zu essen zu haben.
Merkmale des Antihelden
- Er ist ein Lügner, unehrlich, boshaft und oft rachsüchtig.
- Er zeichnet sich durch List und Tücke aus, die er zum Überleben einsetzt.
- Er stammt typischerweise aus einer Familie mit schlechten moralischen Werten.
- Er muss oft um Essen betteln oder es stehlen.
Der Schelmenroman: Merkmale des Genres
Der Schelmenroman (spanisch: novela picaresca) zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
- Ich-Erzähler: Der Protagonist erzählt rückblickend (in einer Retrospektive) von seinen Missgeschicken, um seinen jetzigen, ehrlosen Zustand zu rechtfertigen.
- Marginaler Charakter: Der Protagonist ist ein skrupelloser Außenseiter, der ums Überleben kämpft.
- Briefformat: Oft wird die Geschichte in Form eines Briefes an einen fiktiven internen Leser erzählt, was im 16. Jahrhundert eine gängige Form war.
- Entwicklung des Charakters: Die Erzählung zeigt die Verwandlung eines unschuldigen Kindes in einen durchtriebenen Schurken.
- Humor und Ironie: Die Geschichte ist oft komisch, was durch den spöttischen und ironischen Ton des Autors erzeugt wird.
- Sozialkritik: Der Roman liefert einen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Werte des Spätmittelalters (z. B. Ehre, Ritterlichkeit, Frömmigkeit) und deren Verfall angesichts von Armut und Geldmangel.
- Glaubwürdigkeit: Die fiktive Welt wird realistisch und glaubhaft dargestellt.
Fallbeispiel: Das Leben des Lazarillo de Tormes
Der Roman „Das Leben des Lazarillo de Tormes und von seinem Glück und Unglück“ ist das Paradebeispiel des Schelmenromans.
- Entstehung: Vermutlich zwischen 1525 und 1540 in Spanien geschrieben.
- Autor: Der Autor ist unbekannt.
- Veröffentlichung: Erschien 1554 gleichzeitig in drei Städten (Burgos, Alcalá und Antwerpen).
- Zensur: Die Lektüre wurde um 1559 von der Inquisition verboten und das Buch auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt.
- Struktur: Das Buch ist in einen Prolog und sieben „Traktate“ (Kapitel) unterteilt.
- Interpretation: Für einige ist es eine Sozial-Satire gegen die drei Stände der Zeit (Volk, Klerus, Adel). Für andere ist es primär ein unterhaltsames, humorvolles Buch.
- Stil: Der Roman zeichnet sich durch Realismus und eine tiefe Konzentration auf das Leben und die Erfahrungen der Hauptfigur aus.
- Zentrale Themen: Hunger, Armut und das Betteln.
- Name: Der Name „Lazarillo“ wurde zum Synonym für einen Jungen, der einen Blinden führt.
- Erzählton: Das allgemeine Klima des Buches ist von Spott und Satire geprägt.
Lázaro als Antiheld
Lázaro de Tormes gilt als Prototyp des Antihelden, da er alle typischen Merkmale erfüllt: Er stammt aus einer armen Familie mit zweifelhafter Moral und kämpft täglich ums Überleben. Um an Essen zu kommen, nutzt er seine List, um zu stehlen und zu betrügen. Ein gutes Beispiel für seine Verlogenheit ist der Diebstahl des gesegneten Brotes vom Priester.
Anhang: Aspekte der Kommunikation
Kommunikative Situation
Der Kontext einer kommunikativen Situation kann alltäglich oder spezialisiert sein.
Elemente eines kommunikativen Ereignisses
Ein kommunikatives Ereignis wird durch folgende Elemente bestimmt:
- Ziel
- Interaktionsregeln
- Publikum
- Sprache
- Thema
- Ton (formell und informell)
- Sprechakte (lokutionär, illokutionär, perlokutionär)
Verbale Kommunikationsformen
- Interaktion: Mündliche Interaktion kann formell oder informell sein.
- Modalitäten: Dialog oder Monolog.
- Kanäle: Die Übertragung kann direkt, räumlich verzögert, zeitlich verzögert oder eine Kombination davon sein.