Moral, Ethik und politische Gemeinschaft
Classified in Philosophie und Ethik
Written at on Deutsch with a size of 11,07 KB.
Moralische Handlungen und ethische Reflexion
Punkt 9: Moralische Handlungen und die moralische Ebene
Moralische Handlungen: Handlungen, die frei und bewusst von Menschen ausgeführt werden und Auswirkungen auf andere oder die Umwelt haben. Sie unterliegen moralischen Normen.
Menschliches Verhalten:
- Gewohnheiten
- Bräuche
- Normen
Die moralische Ebene: Regeln und Verhaltensnormen, die das Verhalten von Menschen regulieren. (Frage: "Was soll ich tun?")
Die ethische Ebene: Reflexion über moralische Normen. (Fragen: Müssen Regeln existieren? Wenn ja, warum diese und nicht andere? Woher kommen diese Normen?)
Ethik ist theoretisch, Moral ist praktischer (detaillierte Regeln, die in ethischer Reflexion begründet sind).
Moralische Normen: Merkmale
- Selbstverpflichtung: Menschen fühlen ein Bedürfnis, diese zu respektieren, ohne äußeren Zwang.
- Universalität: Moralische Normen sollten für alle Menschen gelten.
- Unbedingtheit: Erfüllung ohne Erwartung einer Gegenleistung oder Anerkennung.
Wurzeln der Moral
Menschen brauchen Verhaltensregeln, weil sie frei und soziale Wesen sind. Freiheit und Sozialität sind die Wurzeln der Moral.
Freiheit
Der Mensch ist von Natur aus frei und muss ständig Entscheidungen treffen. Standards helfen bei der Wahl.
- Tierisches Verhalten: Instinktgesteuert, an die Umgebung gebunden. Reize lösen fast unveränderliche Verhaltensweisen aus.
- Menschliches Verhalten: Reize bieten eine Reihe von Handlungsmöglichkeiten, aus denen gewählt werden muss.
Freiheit bedeutet, in verschiedenen Situationen Handlungsoptionen zu haben und eine auswählen zu müssen.
Jeder Mensch ist sich der Freiheit bewusst, da er die Notwendigkeit von Entscheidungen erlebt (sowohl eigene als auch die anderer).
Radikaler Determinismus: Behauptet, dass Handlungen im Voraus festgelegt sind (Gegenposition zur Freiheit).
Das menschliche Leben ist *unvermeidlich*, da Zeit und Ort auferlegt werden.
Sozialität und Moral
Freiheit allein macht den Menschen nicht zu einem moralischen Wesen. Es ist seine *Sozialität*. Moral betrifft Handlungen, die andere Menschen oder die Umwelt beeinflussen.
Weil Menschen frei und sozial sind, sind sie verantwortlich. Verantwortung hat zwei Dimensionen:
- Externe Dimension: Handlungen hinterlassen Spuren in der Welt.
- Interne Dimension: Handlungen formen den Handelnden selbst.
Mit unseren Handlungen schreiben wir unser eigenes Leben.
Die moralische Grundlage
In Europa war die Grundlage der Moral lange Zeit religiös (z.B. die Zehn Gebote).
Philosophie stützt sich auf Aussagen der Naturwissenschaften und formale Wissenschaften.
Eine rationale Begründung der Moral ist notwendig, um zu erklären, warum bestimmte Regeln beachtet werden sollten.
Die Notwendigkeit ethischer Reflexion
Punkt 10: Ethische Reflexion, Glück und Gerechtigkeit
Menschen in entwickelten Ländern haben viele Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten. Sie sind zunehmend autonom und müssen entscheiden, wie sie leben wollen. Daher ist ethische Reflexion notwendig, um Ziele zu definieren, für die es sich zu kämpfen lohnt.
Die Menschenwürde ist die Grundlage der ethischen Reflexion. Um sie herum wurden die Menschenrechte entwickelt.
Glück
Ein Leben in Würde ist der starke Wunsch jedes Menschen, oft verstanden als Glück. Das Verständnis von Glück und die Mittel zu seiner Erreichung sind unterschiedlich und müssen respektiert werden. Hier kommt der Begriff der Gerechtigkeit ins Spiel.
Glück eröffnet Horizonte der Selbstverwirklichung (Ideale von Helden, Mystikern, Heiligen). Glück ist untrennbar mit Gerechtigkeit verbunden (Respekt vor dem, was jedem zusteht).
Gerechtigkeit betont die Notwendigkeit, andere zu respektieren, und wirft Normen und Verpflichtungen auf. Die Erfüllung dieser Pflichten trägt zur Verwirklichung des Menschen und damit zum Glück bei.
Ethische Ansätze
- Aristoteles (Ethik des Glücks): Der Mensch ist glücklich, wenn er die ihm eigene Funktion richtig ausübt (kontemplatives Leben).
- Epikur (Ethik des Vergnügens): Glückliches Leben durch Genuss natürlicher Freuden, Befriedigung natürlicher Bedürfnisse, Freiheit von Furcht (Tod, Götter, Schicksal), Genuss künstlicher Freuden und Vermeidung von Schmerz. Ziel: Ataraxie (Seelenruhe).
- Utilitarismus: Das Gute ist das Nützliche. Handlungen, die jemandem nützen, unter Berücksichtigung, dass dieser jemand auch andere einschließt.
- Neohedonistische Ethik: Glückliches Leben durch Genuss von Freuden, die aus Solidarität, Hilfe für andere, gemeinsamer Arbeit usw. entstehen. Aktives Engagement gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung.
- Christliche Ethik: Der Mensch ist eine Schöpfung Gottes, und Gott ist sein Endzweck. Glück findet sich in der göttlichen Kontemplation. Die Seele muss gereinigt werden, um Vollkommenheit zu erreichen (gemäß den Geboten Gottes und der Kirche). Das Naturrecht (Sittengesetz) ist für alle Menschen zugänglich, universell und unveränderlich.
- Ethik der Gerechtigkeit: Menschen sind soziale Wesen. Eine Ordnung ist notwendig, die jeder respektiert und die die Verwirklichung jedes Einzelnen ermöglicht. Gerechtigkeit ist unerlässlich.
- Stoizismus: Eine Vernunft regiert die Welt und macht sie zu einem geordneten Kosmos. Diese Vernunft ist Gott. Alles im Universum ist vom Schicksal bestimmt. Alle Menschen sind Brüder, Kinder der gleichen universellen Vernunft.
- Kantische Ethik: Der Mensch hat das Recht, sich selbst Gesetze zu geben (Autonomie). Gutes Handeln bedeutet, den Geboten der eigenen Vernunft zu folgen. Gehorsam gegenüber Befehlen anderer ist Heteronomie. Die Pflicht kommt aus der Vernunft. Moralisches Handeln bedeutet, das Gesetz aus Respekt vor dem Gesetz selbst zu befolgen. Die Güte oder Schlechtigkeit einer Handlung hängt von der Absicht ab. Die Vernunft ist in allen Menschen gleich.
- Dialogische Ethik: Die Interessen der Individuen in der Gesellschaft sind oft antagonistisch. Regeln müssen durch rationale Vereinbarung (Konsens) nach einem Dialog, in dem jeder seine Interessen verteidigt, erreicht werden.
Kollektive Identität und politische Gemeinschaft
Punkt 11: Kollektive Identität, Bürgerschaft und politische Systeme
Jeder Mensch kennt die Welt und handelt in ihr gemäß seiner Selbstwahrnehmung. Das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen ist ein wesentlicher Teil des Selbstbewusstseins. Die politische Gemeinschaft ist das letzte Glied der kollektiven Identität.
Politische Gemeinschaft in der Antike
Frühe Menschen waren in Stämmen organisiert (gemeinsame biologische Beziehungen). Starkes Zugehörigkeitsgefühl. Alle Stammesmitglieder sind gleich, keine Autorität. Später: Große Völker und Reiche. Herrschaft ersetzt biologische Gleichheit. Die Bewohner fühlen sich als Untertanen, die der Autorität gehorchen müssen.
Die Polis Athen unter Perikles
Grundlage des Zusammenhalts: Rationales Recht. Neue Regierungsform: Demokratie. Neues Verständnis der politischen Gemeinschaft: Bürgerschaft (gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz). Gleichheit in der Verwendung des Wortes (notwendig für eine auf Argumentation basierende Regierung). Bürgerliche Tugenden: Verantwortung der Bürger für die Gruppe. Frauen und Sklaven sind ausgeschlossen.
Politische Gemeinschaft im Mittelalter
Die Komponenten politischer Gesellschaften sind wieder Untertanen. Sie müssen einer Autorität gehorchen, die ein friedliches Zusammenleben ermöglicht. "City imperfecta".
Politische Gemeinschaft in der Neuzeit
Die Mitglieder der politischen Gemeinschaft werden von Untertanen zu Bürgern. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (1789) legt dies fest. Der Pakt regelt die Ausübung der Rechte und Pflichten der Bürger. Der Liberalismus des 18. Jahrhunderts führte jedoch zu menschenunwürdigen Lebensbedingungen für proletarische Massen.
Politische Gemeinschaft in der Gegenwart
Im 18. Jahrhundert umfasste das Konzept der Bürgerschaft die Freiheit und Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz (hauptsächlich Bourgeoisie – Männer). Im 19. und 20. Jahrhundert wird die Gleichheit auf alle sozialen Schichten und alle Menschen ausgeweitet. Gleichheit ist nicht mehr nur legal, sondern umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Faktoren (Bildung, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Wohnbedingungen usw.). Sozialistisches Denken zielt auf sozialen Frieden. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) gilt für alle Menschen ohne Unterschied.
Kontraktualismus und Bürgerschaft
Kontraktualisten begründen Bürgerschaft und Demokratie. Sie stehen im Gegensatz zu organismischen Theorien.
- Organismische Theorien: Gesellschaft ist wie ein Organismus. Das Individuum ist dem Ganzen untergeordnet. Die Gesellschaft ist wertvoller als die Teile.
- Staatsbürgerschaft in Lockes Kontraktualismus: Der Mensch ist von Natur aus frei. Im Naturzustand genießt er seine Rechte (Leben, Freiheit, Eigentum). Die Herrschenden haben nur die Macht, die ihnen gegeben wurde. Gewaltenteilung. Das Volk kann seine Führer absetzen, wenn sie ihre Aufgaben nicht erfüllen.
Bürgerschaft und Säkularismus
Säkularismus ist eine Voraussetzung für sinnvolle Staatsbürgerschaft. Säkularismus ist eine Regel des demokratischen Zusammenlebens, eine Strategie für Freiheit und strikte Neutralität in metaphysischen Fragen. Forderung nach Respekt der politischen Macht für die Gewissensfreiheit aller Bürger, Respekt vor persönlichen Überzeugungen usw.
Bürgerschaft und Kosmopolitismus
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000): Sammelt alle bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte der europäischen Bürger und aller Menschen im Gebiet der Union. Globale Bürgerschaft: Alle Menschen sind Bürger der Welt.
Bürgertugenden
Rechte der Bürger eines Staates oder der Welt setzen Pflichten voraus (Verantwortung für das Kollektiv). Bürgertugenden ergeben sich aus dem Bewusstsein der Zugehörigkeit zur Stadt oder zur Welt. Sie beinhalten die Vorstellung von Anderssein und ein Gefühl der Pflicht gegenüber den anderen. Wichtigste Bürgertugend: Gerechtigkeit. Ebenfalls erforderlich: Solidarität, Verantwortung und Toleranz. Von Politikern wird Klugheit verlangt.